Führerschein Klasse B96: Überharmonisiert, überbürokratisch > überflüssig

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe April/2010, Seite 193

Bei den Beratungen zur 3. EG-Führerscheinrichtlinie ist es nicht gelungen, eine einheitliche und eingängige Regelung für das Mitführen von Anhängern hinter Zugfahrzeugen der Klasse B zu erzielen. Einerseits dürfen Anhänger bis 750 kg zulässiger Gesamtmasse (zG) auch dann mitgeführt werden, wenn die zG des Zugfahrzeugs 3,5 t beträgt und so eine zG der Kombination von 4,25 t entsteht. Andererseits darf das zG der Kombination auch künftig nur 3,5 t betragen, sofern die zG des Anhängers mehr als 750 Kilo beträgt.

Mit dieser nicht ohne Weiteres sinnfälligen Regelung hätte man leben können, wenn nicht auch in der Richtlinie stünde, die Mitgliedstaaten müssten bei der Umsetzung der Führerscheinrichtlinie eine Regelung schaffen, die das Führen von Fahrzeugkombinationen bis 4,25 t zG mit Klasse B erlaubt. Dabei wurde eine geniale Idee geboren: die Führerscheinklasse B mit der Schlüsselzahl 96. Damit soll sozusagen die Lücke der Fahrberechtigung vom 3,5-t-Zug der Klasse B zum echten Klasse BE-Zug geschlossen werden.

Schulung oder Prüfung oder beides?

Diese Führerscheinklasse soll auf Antrag erteilt werden, wenn der Betroffene an einer siebenstündigen Schulung teilgenommen hat, die zum Teil außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs stattfinden soll; alternativ hierzu käme laut Richtlinie eine auf einer solchen Kombination bestandene praktische Fahrerlaubnisprüfung in Betracht. Außer sich für das eine oder andere zu entscheiden, bleibt den Mitgliedstaaten auch die Freiheit, sowohl die Schulung als auch die praktische Prüfung vorzuschreiben. Ich bin mit vielen Fachleuten darin einig, dass diese Klasse überflüssig ist, weil sie nur für sehr wenige Fahrzeugkombinationen infrage kommt. Außerdem ist eine Ausbildung der Klasse BE in der Regel auch nicht wesentlich aufwendiger als die von der EG vorgeschriebene siebenstündige Schulung. Ehrlich wäre es deshalb, den an dieser Klasse interessierten Personen klarzumachen, dass sie, sollten sie zu einem späteren Zeitpunkt einen etwas größeren Anhänger mitführen wollen, trotz der absolvierten sieben Stunden doch noch die Klasse BE erwerben müssen. Die EG-Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten, diese Klasse einzuführen.

BVF stimmt für die Prüfung

Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. hat sich von Anfang an für die Prüfung und gegen die Sieben-Stunden-Regelung ausgesprochen. Zum einen wäre diese Regelung für den Einzelnen kostengünstiger als die vorgeschriebene siebenstündige Schulung, zum anderen wäre im Interesse der Verkehrssicherheit sichergestellt, dass nur solche Personen diese Fahrerlaubnis bekommen, die in einer Prüfung vor einem unabhängigen Sachverständigen ihre Fähigkeit zum Führen einer solchen Kombination unter Beweis gestellt haben. Sollte der deutsche Gesetzgeber die Schulung ohne abschließende Prüfung einführen, müsste der Fahrlehrer die Teilnahme an der siebenstündigen Schulung auch bescheinigen, wenn er nicht von den Fähigkeiten des Bewerbers überzeugt wäre. Obwohl sich der Bundesverkehrsminister bereits öffentlich für die Schulung ohne Prüfung ausgesprochen hat, sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Sachargumente am Ende gewichtig genug sind, die m. E. vorschnelle ministerielle Entscheidung noch einmal zu überdenken. Mit der Regelung, die Fahrfähigkeit von einem unabhängigen Sachverständigen feststellen zu lassen, haben wir in Deutschland bislang gute Erfahrungen gemacht. Davon sollte auf keinen Fall abgerückt werden. 

Peter Tschöpe