Aufbauseminare: Warum Begleithefte wichtig sind

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juni/2010, Seite 326

„Bußgeldbescheide, Strafen, Fahrverbote und Führerscheinentzug alleine machen noch keinen besseren Kraftfahrer.“ Mit diesem kurzen Satz begründete der Chef einer Landesverkehrsverwaltung in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts die ersten Modellversuche, Einstellungs- und Wissensdefizite auffälliger Kraftfahrer in Seminaren aufzuarbeiten. Dabei standen Erfolg versprechende Erfahrungen aus den USA Pate. Weitsichtige Vertreter der deutschen Fahrlehrerverbände begannen mit Unterstützung von Psychologen und Pädagogen Konzepte für von Fahrlehrern moderierte Seminare zu entwickeln. Schon damals war klar, dass die „Nachschulung“ junger Fahranfänger anders gestaltet werden müsse als die für mehrfach auffällig gewordene Kraftfahrer.   

Neben dem Programm der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. (BVF) entwickelte der bayerische Fahrlehrerverband, der damals nicht der BVF angehörte, ein eigenes Seminarkonzept für auffällige Kraftfahrer. In den Bundesländern meldeten sich aus eigenem Wunsch und Wollen viele Fahrlehrer, die sich in zwei aufeinanderfolgenden einwöchigen Lehrgängen in die für die Leitung solcher Seminare erforderliche Moderationstechnik einweisen lassen wollten.

Bundesländer steigen ein 

Die einzelnen Bundesländer schufen den Rechtsrahmen für die Modellversuche und legten die Anreize für die Seminarteilnahme fest, die anfänglich nur aus einer in den Ländern unterschiedlich hohen Tilgung von Flensburger Punkten bestand. Parallel dazu hatten Psychologen Modelle zur Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer entwickelt, die unter Bezeichnungen wie „Mainz 77“, „Leer-E“, „IRAK“ und „Hamburg 79“ bekannt wurden.

Aufbauseminare

Auf die durchweg positiven Erfahrungen der von der organisierten Fahrlehrerschaft entwickelten und durchgeführten Programme konnte der Gesetzgeber zurückgreifen, als er Mitte der 80er-Jahre die Fahrerlaubnis auf Probe einführte. Die mit den unterschiedlichen Nachschulungsseminaren für alkoholauffällige Kraftfahrer gemachten Erfahrungen machten u. a. die Notwendigkeit der Festlegung der Seminarleiter auf „ein sachgerechtes, auf wissenschaftlicher Basis beruhendes Seminarkonzept“ deutlich. Für die von Fahrlehrern zu leitenden Aufbauseminare wurde der DVR beauftragt, ein auf wissenschaftlicher Basis beruhendes Programm zu entwickeln. In den dafür tätigen Arbeitsgruppen des DVR waren neben Psychologen, Pädagogen und Fahrlehrern immer auch Vertreter des Bundesverkehrsministeriums und einzelner Bundesländer vertreten. Deshalb hielt man es nicht für erforderlich, die Anerkennung des „Nachschulungsprogramms“ (so hießen damals noch die Aufbauseminare) gesetzlich zu regeln. Auch wenn es so nicht ausdrücklich im Gesetz steht, war aber immer klar, dass sich auch die Fahrlehrer bei der Durchführung der Aufbauseminare an das Programm halten müssen, in das sie eingewiesen wurden.

Seminarleiter fordern das Begleitheft 

Als Ende 1986 die ersten Fahrlehrer zu Seminarleitern von Aufbauseminaren ausgebildet wurden, war es aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen als Moderatoren von Kursen der Punktetilgung ihr ausdrücklicher Wunsch, für die Seminarteilnehmer ein Begleitheft zu entwickeln, das zunächst nicht vorgesehen war. Weil die Programmpflege nicht aus Steuermitteln bestritten werden konnte, wurde der Verkaufspreis der Teilnehmerhefte so kalkuliert, dass damit die Kosten für die Programmentwicklung und -pflege bestritten werden können. Der Vertrieb der Teilnehmerbegleithefte erfolgte ausschließlich über die zur Ausbildung von Seminarleitern berechtigten Fahrlehrerausbildungsstätten und Verbände.

Die Seminarteilnehmer sollen beurteilen können, ob sich ein Seminarleiter inhaltlich und zeitlich an das vorgegebene Programm hält. Deshalb schrieben viele Bundesländer den Seminarleitern den Gebrauch des Teilnehmerbegleitheftes verbindlich vor. Mit dieser Regelung ist der weit überwiegende Teil der Seminarleiter aus ganz eigenem Interesse einverstanden, obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dafür nicht besteht.

Peter Tschöpe