Ausländische Fahrlehrerscheine: Hessischer VGH bestätigt Verwaltungspraxis (Urteil Hessischer VGH AZ 2 B 1895/11)

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Dezember/2012, Seite 672

 

Die Fälle häufen sich: Leistungsschwache Interessenten am Fahrlehrerberuf begeben sich für einige Wochen ins nahe EU-Ausland, um dort einen „Fahrlehrerschein light“ zu machen. Dabei locken die gegenüber Deutschland wesentlich geringeren fachlichen und pädagogischen Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen. Hinsichtlich der Anerkennung solcher im Ausland erworbener „Patente“ hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit Beschluss vom 23.04.2012 (2 B 1895/11) eine klare, die Verwaltungspraxis bestätigende Entscheidung getroffen.

Dem Antragsteller wurde im Jahr 2009 laut Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen nach österreichischem Recht die Befugnis erteilt, als Fahrlehrer der Klasse B an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen. Unter Vorlage dieser österreichischen Fahrlehrerberechtigung wurde dem Antragsteller noch im gleichen Jahr eine deutsche Fahrlehrerlaubnis der Klasse B erteilt. Diese wurde von der zuständigen Behörde 2011 mit sofortiger Wirkung widerrufen. Zugleich wurde der deutsche Fahrlehrerschein zurückgefordert. 

Klage auf Rechtsschutz

Mit einer Klage im vorläufigen Rechtschutzverfahren wehrte sich der Antragsteller gegen den Vollzug des Bescheids, um seinen Fahrlehrerschein bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens behalten zu können. Zudem soll die Behörde im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet werden, dem Antragsteller die Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE vorläufig zu erteilen. Beide Anträge hatten vor Gericht keinen Erfolg.

Erteilung einer deutschen Fahrlehrerlaubnis Klasse B nicht möglich

Die Erteilung einer deutschen Fahrlehrerlaubnis der Klasse B ist gesetzlich nicht vorgesehen. Nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Fahrlehrergesetz (FahrlG) wird die Fahrlehrerlaubnis in der Klasse BE und zusätzlich in den Klassen A, CE und DE erteilt. Die Grundfahrerlaubnis ist die Erlaubnis der Klasse BE. Wer in der Bundesrepublik Deutschland Fahrschüler ausbilden will, muss also mindestens diese Fahrlehrerlaubnis besitzen. Alle Fahrlehrerlaubnisse können nur uneingeschränkt und nur in den in § 1 Absatz 1 Satz 2 FahrlG aufgeführten Klassen erteilt werden. Es gibt nach dem Fahrlehrergesetz somit keine Fahrlehrerlaubnis der Klasse B ohne die Klasse E. Eine entgegen den Mindestanforderungen des Fahrlehrergesetzes an die sogenannte Grundfahrlehrerlaubnis erteilte Fahrlehrerlaubnis kann daher nicht anerkannt werden und leidet an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler, sodass diese gemäß § 44 Absatz 1 des hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (andere Bundesländer haben vergleichbare Verwaltungsverfahrensgesetze) nichtig ist, d.h. der Antragsteller hatte von Anfang an keine gültige deutsche Fahrlehrerlaubnis.

Grundsätze der Berufsanerkennung

Auch der Antrag auf vorläufige Erteilung einer deutschen Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE wurde vom Gericht abgelehnt. Grundsätzlich gilt: Wer in einem Mitgliedstaat der EU unter vergleichbaren Anforderungen ordnungsgemäß einen Berufsabschluss erworben hat, soll seinen Beruf in jedem anderen Mitgliedstaat der EU ausüben dürfen. Grundlage dafür ist die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hat der deutsche Gesetzgeber in § 2a FahrlG umgesetzt. Danach haben Inhaber einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworbenen Fahrlehrerlaubnis gemäß § 2a Absatz 2 FahrlG und § 1 Absatz 2 DV-FahrlG dann einen Anspruch auf Erteilung einer Fahrlehrerlaubnis, wenn die in einem anderen Vertragsstaat erteilte Fahrlehrerlaubnis eine Ausbildung und Prüfung nach einem dem Fahrlehrergesetz vergleichbaren Stand voraussetzt. Unterscheidet sich die in einem andern Mitgliedstaat erworbene Qualifikation allerdings wesentlich von der im Inland zu erwerbenden Qualifikation, kann die Erteilung der Fahrlehrerlaubnis gemäß § 2a Absatz 2 FahrlG von der Teilnahme an einem Anpassungslehrgang oder einer Eignungsprüfung abhängig gemacht werden. Über die Frage, ob eine fehlende Qualifikation durch einen Anpassungslehrgang erworben werden kann, hatte das Gericht allerdings nicht zu entscheiden, da der Antragsteller die Anerkennung ohne Teilnahme an einem Anpassungslehrgang begehrte.

Fahrlehrer und Fahrschullehrer

In Österreich wird zwischen Fahrlehrer und Fahrschullehrer unterschieden. Nach dem österreichischen Kraftfahrgesetz darf ein Fahrlehrer nur praktischen Fahrunterricht erteilen. Nur der Fahrschullehrer besitzt die Berechtigung, theoretischen und praktischen Fahrunterricht zu erteilen. Erst nach achtjähriger Berufstätigkeit als Fahrlehrer kann die Anerkennung als Fahrschullehrer und damit die Berechtigung zur Erteilung von theoretischem Fahrunterricht erworben werden. Dagegen berechtigt die deutsche Fahrlehrerlaubnis nach § 1 Absatz 3 FahrlG von Anfang an zur Erteilung von theoretischem und praktischem Unterricht.

Die eingeschränkte Berechtigung des österreichischen Fahrlehrers ist auf die kurze Ausbildung zurückzuführen. Denn der angehende österreichische Fahrlehrer braucht nur an einem bis zu drei Monate dauernden Lehrgang sowie an einer mündlichen Prüfung und einer Prüfungsfahrt teilzunehmen. Demgegenüber wird der deutsche Fahrlehrer fünf Monate an einer Fachschule und fünf Monate in einer Ausbildungsfahrschule praktisch ausgebildet. Erst danach darf er die auch auf die Erteilung theoretischen Unterrichts bezogene Prüfung ablegen. Angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit der Berufsqualifikation war der Antrag auf vorläufige Erteilung vom Gericht abzulehnen.

Appell an den Gesetzgeber

Dieser und weitere Fälle dieser Art legen den dringenden Verdacht missbräuchlicher Umgehung deutscher Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen nahe. Auch ein nachträglich angeordneter Anpassungslehrgang gibt keine Gewähr für eine ausreichende Qualifikation als Fahrlehrer nach deutschen Maßstäben. Deshalb wäre es wünschenswert, dass der Gesetzgeber von der nach Artikel 14 der Richtlinie 2005/36/EG zulässigen Möglichkeit Gebrauch machte. Das hieße, den § 2a Absatz 2 FahrlG so zu ändern, dass in den Fällen fehlender Vergleichbarkeit der Berufsqualifikation immer eine Prüfung verlangt würde. Damit wäre ein Unterlaufen des Standards der deutschen Fahrlehrerausbildung – auch mit Blick auf das hohe Gut der Verkehrssicherheit – weithin auszuschließen.

Ralf Nicolai