Unisex-Tarife: Große Entlastung für Frauen?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2012, Seite 616

Gleichbehandlung für Frauen und Männer. So will es Artikel 3 des Grundgesetzes. Aber das galt bisher nicht, wenn es um Versicherungsprämien ging. Der Unterschied der Prämien zum Nachteil der Frauen war in der privaten Krankenversicherung besonders deutlich.

Der unter der Bezeichnung Unisex-Urteil bekannt gewordene Spruch des Europäischen Gerichtshofs vom 01.03.2011 (C-236/09) verlangt ab 21.12.2012 „geschlechtsneutrale Versicherungsprämien“. Damit sind die Versicherungsgesellschaften gehalten, ab diesem Stichtag die Beiträge für Frauen und Männer einheitlich zu gestalten.

Wir sprachen mit Toni Borosch, dem Fachbeauftragten der Fahrlehrerversicherung VaG für Altersvorsoge und Krankenversicherung, über Folgen und Nebenwirkungen der neuen Tarifgestaltung.

FPX: Herr Borosch, der Unisex-Tarif steht vor der Tür. Ab 21.12. dieses Jahres darf es, z.B. in der privaten Krankenversicherung, für gleiche Leistungen nur noch gleiche Beiträge für Mann und Frau geben.

Borosch: Das ist richtig, die Beiträge für Mann und Frau werden für Neuverträge bei gleicher Leistung nicht mehr unterschiedlich sein.

FPX: Was geschieht mit bestehenden Verträgen? Müssen Frauen ab dem Stichtag weniger, Männer aber mehr bezahlen

Borosch: Auf das sogenannte Bestandsgeschäft wird sich die neue Regelung nicht unmittelbar auswirken. Die Tendenz wird sein: Frauen zahlen kaum geringere, Männer aber höhere Beiträge.

FPX: Was passiert ab dem Stichtag für bestehende Verträge?

Borosch: Der große Teil der Krankenversicherer hat angekündigt, Beitragsänderungen für vor dem 21.12.2012 abgeschlossene Verträge erst zum Jahreswechsel 2013/2014, also in etwa einem Jahr, vorzunehmen. Für Frauen wird der Beitrag auf dem bisherigen Niveau bleiben, allenfalls geringfügig nach unten gehen.

FPX: Warum nur geringfügig? Ich habe Tarife gesehen, die bei gleicher Leistung für Männer um 15 und mehr Prozent günstiger sind als für Frauen.

Borosch: Ich denke, im Bereich der schon bestehenden Verträge wird es nicht zu einer sofortigen Entlastung der Frauen kommen. Viel eher zu höheren Beiträgen für die Männer, sie werden den Ausgleich tragen müssen.

FPX: Heißt das, Frauen müssen sich ab sofort bemühen, in den Unisex-Tarif zu wechseln?

Borosch: Konkretes hierzu wird man erst im Laufe des nächsten Jahres sagen können, nämlich dann, wenn alle Gesellschaften ihre neuen Tarife veröffentlicht und auch dargelegt haben, wie sie mit Altverträgen umzugehen beabsichtigen. Im Moment ist es jedenfalls nicht angezeigt, einen überhasteten Tarif- oder gar einen Versicherungswechsel ins Auge zu fassen.

FPX: Was empfehlen Sie den privatversicherten Mitgliedern des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg und deren Angehörigen?

Borosch: Zunächst sollte man bei der bisherigen Versicherung bleiben und sich umfassend über deren Tarife erkundigen, also Vergleichstarife anfordern. Das gilt für Mann und Frau gleichermaßen. Es kann durchaus sein, dass der Unisex-Tarif auch für Inhaber von Altverträgen interessant wird.

FPX: Die Tarife der Krankenversicherer samt ihrer Varianten sind für den Normalverbraucher nicht immer leicht zu durchschauen.

Borosch: Das ist so. Deshalb warne ich dringend vor einem spontanen Versicherungswechsel. Denn es geht vor allem auch darum, sich die erworbene Altersrückstellung zu bewahren. Weiter empfehle ich, einen möglichst neutralen Fachmann zu Rate zu ziehen, der die Vielfalt der Tarife kennt und objektiv beraten kann.

FPX: Haben Sie noch einen besonderen Tipp?

Borosch: Ja, die Krankenversicherer nehmen den bevorstehenden Wechsel zum Anlass, den Männern zu sagen: Schließe noch vor dem 21. Dezember deine private Krankenversicherung bei uns ab, dann hast du für ein Jahr Beitragsgarantie. Auch aus dieser Werbung lässt sich erkennen, dass es für die Männer wohl teurer werden wird.

FPX: Herr Borosch: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Gebhard L. Heiler.