Motorrad-Langstreckentraining: Sardinien Total II

(Foto: Karlheinz Beck)

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Oktober/2012, Seite 545

The same procedure as every ... - aber alles passt - und so jung und vital wie vor 30 Jahren

Oft verliert das zweite Mal an Reiz. Doch auf Sardinien Total II trifft das nicht zu. Noch bevor die Fähre in Olbia anlegte, rief ein Enthusiast dem Eiland zu: „Du bist die Motorrad-Insel par excellence!“ Mit diesem Ruf des Entzückens artikulierte er die Stimmung, die Sehnsüchte und die Lust der einhundertfünf Teilnehmer starken Truppe.

30 Mal Motorrad Total! Begonnen hat es im Frühjahr 1983 mit dem Trip von über 80 motorradbegeisterten Fahrlehrern nach Mallorca. Die Landung im Hafen von Palma war eine Show. Die Mallorquiner staunten, als immer mehr Motorräder invasionsartig aus dem Bauch des Schiffes quollen. Zuvorderst ein weiß-blaues Ding mit Beiwagen, dem schließlich alle anderen unter lautem Klatschen der Umherstehenden folgten. Und hier in Sardinien sind, wie bei den letzten 28 Super-Seminaren der Biker, wiederum „Mallorca-Veteranen“ dabei. Treue zählt hier, wie auch Freundschaft, Kameradschaft, Hilfsbereitschaft und natürlich die alle verbindende Leidenschaft zum Motorrad.

Déjà vu

Als Karl-Heinz Hiller am Sonntagmorgen im Fährhafen von Olbia zum Briefing rief, waren knapp 100 Fahrerinnen und Fahrer versammelt. Sie brannten darauf, sogleich zur ersten Tour, Realverkehr I, aufzubrechen. Plötzlich waren meine Erinnerungen an das Wagnis von vor mehr als 30 Jahren ganz lebendig. Nicht so sehr wegen des wiederum gewaltigen Motorrad-Pulks, sondern viel mehr wegen des heiteren, erwartungsvollen Fluidums, das nahezu greifbar war.

Costa Smeralda

(Foto: Karlheinz Beck)Das Mittelmeer ist hier – nomen est omen –smaragdfarben. Eine der schönsten Küsten Italiens, die unsere Biker zum Auftakt unter die Räder nahmen. Die perfekte Kartierung ließ kein an der Strecke liegendes Highlight aus. Kurven, Kurven, steil hoch, jäh abwärts. In Porto Cervo, wo sich die Reichen und die Schönen entspannen, verabschiedet sich die sonst so gemessene Bescheidenheit der Insel.

(Foto: Karlheinz Beck)

Hier kostet der Cappuccino das Doppelte. Doch es gibt hier nicht die schlimmen Touristenburgen, wie man sie an vielen anderen Gestaden des Mittelmeeres antrifft. Als die Korona am späten Nachmittag ins Hotel eincheckte, herrschte Hochstimmung. Apropos Hotel: Das LE DUNE in Badesi Mare, ein weitläufiger Hotelpark mit 500 Zimmern in ca. 250 von schönen alten Bäumen beschatteten Chalets, mit acht Restaurants und noch mehr Bars, vier grandiosen Schwimmbecken, davon eines für die Kleinen und Kleinsten, beherbergte Motorrad Total schon 2006. Dass Nadine Kirn und Motorradreferent Karl-Heinz Hiller hier wieder Quartier machten, sagt mehr über die Qualität als jeder Hochglanzprospekt.

The same procedure as every year – but very different!

(Foto: Karlheinz Beck)Dinner for one! Wer kennt ihn nicht, den sehr britischen Sketch? – Nun, an diesem milden Abend des sardischen Frühherbstes traten zwei Snobs auf, wie sie Britannien nicht authentischer hervorbringen könnte. Das Gaudium war riesig, als der blasierte Butler James alias Karl-Heinz Hiller seiner angegrauten, aber noch immer hübsch anzusehenden Prinzipalin das artige Kompliment machte: „Sie sehen heute Abend sehr gut aus, Miss Sophie.“ Die Fragen Miss Sophies nach den Gästen beantwortete der mehrfach gekonnt über den schwarzen Panther stolpernde James mit gelangweilter Höflichkeit. Alle Gäste waren gekommen, Sir Klima, Admiral von Heiler, Mr. Hopfenmüller und natürlich auch Mr. Beck, Miss Sophies „very best friend“. Zu sagen hatten sie freilich nichts! Wie auch, sie hatten ja nur virtuell am Tisch Platz genommen! So heiter, so beschwingt hatte Motorrad Total noch nie zuvor begonnen. Herzlichen Dank an Nadine Kirn und Karl-Heinz Hiller for the outstanding performance.

Foto: Dinner for one - Nadine Kirn als Miss Sophie, Karl-Heinz Hiller als Butler James
(Foto: Karlheinz Beck) 

Sandpiste (Foto: Jochen Klima)

Sandpiste (Foto: Jochen Klima)

Hochgesteckte Ziele

Motorrad Total ist ein anspruchsvolles Seminar mit klar definierten Zielen und Inhalten. Im Mittelpunkt steht das unerschöpfliche Thema Motorradsicherheit. Starke Bestandteile sind daneben die Optimierung der Fahrfertigkeiten und Kenntnisse sowie didaktische Strategien und Übungen. So enthielt Realverkehr II am Montag eine deutliche Steigerung der Anforderungen. Realverkehr II führte in den Süden des Eilands. Dabei kam man an frühgeschichtlichen Turmbauten (Nuraghen) vorbei, fuhr durch das Tal des Mondes und wieder nach Nordosten bis zum höchsten befahrbaren Punkt der teils wildromantischen Berglandschaft der Gallura. Der mehr als 300 Kilometer umfassende Tagestrip verlangte „in jeder Sekunde absolut wache Aufmerksamkeit und hohe Konzentration“ (ein Teilnehmer).

Der Theorieblock

Dienstag war Theorietag. Dieser Teil entspricht, wie auch die praktischen Teile des Seminars, den Vorgaben des § 33 Absatz 1 FahrlG. Heiß waren die von Jochen Klima sehr eingängig behandelten Änderungen der FeV und anderer Vorschriften, die am 19.01.2013 in Kraft treten.

Karl-Heinz Hiller ging in seinem Beitrag auf die motorradspezifische Ausstattung und Vorhaltepflicht von Schutzkleidung für Fahrschulen ein. Dabei gab eine jüngere gerichtliche Entscheidung über die Durchsetzung der Tragepflicht von Schutzkleidung gegenüber Fahrschülern den Ton an.

Stefan Rieger vom DRK, ein erfahrener Rettungssanitäter, referierte über Motorradnotfälle. Seine Ausführungen über Häufigkeit, Art und Schwere der Verletzungen sowie über fallgerechte Soforthilfe stießen bei den Zuhörern auf großes Interesse.

Der Vogel-Abend

Der arbeitsreiche Tag klang mit dem traditionellen Vogel-Abend aus, der neben authentischer sardischer Küche auch die feinen Weine der Region bot. Der Vogel-Verlag, München, war durch den Fahrschulredakteur Johann Kitzberger sowie die Außendienstmitarbeiter Karlheinz Beck und Thomas Lipinski vertreten. Der zweite Vorsitzende des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V., Jochen Klima, bedankte sich mit anerkennenden Worten für die seit Jahren gewährte Unterstützung von Motorrad Total durch das Münchener Verlagshaus.

Bergstrecken (Foto: Jochen Klima)Weideland, Wald, Weinberge und eine sehenswerte Basilika

Bergstrecken (Foto: Jochen Klima)

Dieser Titel liest sich wie Entspannung pur. Aber so war Realverkehr III nicht. Knapp 270 Kilometer sardischer Hügel, Berge, Täler und ungezählte, teils tückische Kurven waren an diesem Mittwoch zu bewältigen. Unterwegs mussten sich die Fahrlehrer/innen verschiedentlich in Erster Hilfe üben. Dabei handelte es sich um gestellte Motorradunfälle, die sehr real aussahen und zum Teil auch bei vorbeifahrenden Einheimischen Hilfsbereitschaft hervorriefen. Die „Unfälle“ traten für die jeweilige Gruppe sehr unerwartet ein: Plötzlich lag der Instruktor, den man an der Spitze der Gruppe wähnte, „verletzt“ am Straßenrand. Der Schreck war da, und es gab auch viel zu lernen. Denn in der Erstversorgung von Verletzten am Unfallort gibt es eine ganze Reihe neuerer Erkenntnisse, speziell auch für Motorradunfälle. Die praktischen Übungen leitete Stefan Rieger, der tags zuvor auch über Motorradnotfälle referiert hatte.

Die Basilika

Die Pause bei der Basilica Santissima Trinita die Saccargia tat gut, körperlich wie auch emotional. Das Bauwerk stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist aus grauen und weißen Kalk-Quadern erbaut. Ein bedeutendes Denkmal kirchlicher Baukunst, sehr sehenswert und erbaulich obendrein.

Realverkehr (Foto: Jochen Klima)Wie war’s heute?

Meine Frage an die Rückkehrer ist allabendlich die gleiche: „Wie war’s heute?“ Hier einige Antworten: „Traumhaft“, „anstrengend, aber prima“, „viel gelernt“, „super“, „noch besser als Sardinien I“, „ich muss hier wieder hin“, „unglaublich gut“ usw. usf. Bilanz nach vier von sechs Seminartagen: fantastische Stimmung dank hoher Zufriedenheit.

Realverkehr (Foto: Jochen Klima)

Lassen Sie mich, verehrte Leser, in diesem Kontext noch einen Punkt besonders beleuchten: Alle Welt redet über Frauenquoten. Motorrad Total kann eine von der Politik unverlangte, erfreulich steigende Tendenz, namentlich auch motorradfahrender Teilnehmerinnen, melden. Ohne mir tiefere Einblicke in die weibliche Psyche anmaßen zu wollen, glaube ich, die milde Eintracht bei Motorrad Total und die Absenz aufgeblasener Machos kommt den Frauen sehr entgegen.

Gruppe überholt Gruppe

Das wird bei Motorrad Total verständlicherweise nicht gefördert, aber geübt. Warum? Weil es darum geht, die besonderen Gefahren solcher Manöver auf bergigen, kurvenreichen Strecken zu erkennen und sie an die Fahrschüler und die Teilnehmer an Motorradtrainings weiterzugeben. Dabei waren gelegentlich einige kritische Bemerkungen seitens der Seminarleitung notwendig und auch angebracht. Sicher ist, der Lernzweck wurde erfüllt und viele haben neue Erfahrungen gewonnen.

Entspannung (Foto: Jochen Klima)Frühherbst auf Sardinien

Entspannung (Foto: Jochen Klima)

Das Wetter war in der ganzen Seminarwoche (15. bis 21. September) nur sonnig und warm. Tagsüber kletterte das Thermometer schon mal über die 25°C, sodass man nach „Dienstschluss“ noch die angenehme Wassertemperatur der Pools genießen konnte. Wetter, Unterbringung, Verpflegung, nicht zuletzt das Hotel-Ambiente, Service und Freundlichkeit des Personals sind neben der fachlichen Kompetenz wichtige Kernpunkte für das Gelingen eines Motorradseminars. Das alles war in Badesi in reichem Maße gegeben.

Mercedes-Abend

Mercedes-Abend (Foto: Jochen Klima)Donnerstag war „dienstfrei“. Nach vier anstrengenden Seminartagen war das sehr willkommen. Dennoch gab eine Handvoll Unentwegter nicht nach. Sie begaben sich unter Führung von Instruktor Stefan Hamberger ins Gelände – keine Muss-Disziplin. Viele andere wandten sich dem praktischen Studium der neuen A-Klasse von Mercedes zu.

Mercedes-Abend (Foto: Jochen Klima)

Beim Mercedes-Vertrieb Deutschland mit Sitz in Berlin ist Torben Bogdann für die Betreuung der Fahrschulen zuständig. Er hat es am 15. September, exakt dem Tag, als das Auto erstmals offiziell in den Schaufenstern der Händler stand, geschafft, dem Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V. zwei dieser schicken Hingucker nach Sardinien mitzugeben. Das Interesse der Kolleginnen und Kollegen an dem neuen Stern war, nein, ist groß. Torban Bogdann, der die Seminarteilnehmer am Abend in das exklusive Ristoran te Il Leccio zu einem feinen Buffet einlud, bedankte sich für das rege Interesse und die positiven Rückmeldungen der Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer.

iTeach …

Torben Bogdann brachte – wie bei Mercedes schon immer üblich – ein sinniges Geschenk mit: schwarze T-Shirts in allen gängigen Größen. Vorne mit „iTeach“, hinten mit „Fahrlehrer/in einer neuen Generation dank Fahrschulautos von Mercedes-Benz“ beschriftet. Der sehr fröhliche, gesellige Abend fand seinen Ausklang an der Bar im Freien – die milde Herbstnacht ließ es zu.

Sardinien Total II (Foto: Karlheinz Beck)Nach dem großen Gruppenfoto in die Sättel

Sardinien Total II (Foto: Karlheinz Beck)

Freitag, letzter Seminartag. In aller Frühe ein großes Gruppenfoto, das muss ein. Danach Aufbruch zu Realverkehr IV. Heute sind es 312 Kilometer. In einem weiten Bogen nach Osten ausholend geht es gen Süden bis Bosa, zurück über Alghero, Usini, Osilo und Castelsardo ins Standquartier LE DUNE in Badesi. Noch eine traumhafte Tour, die viel verlangt.
Geschafft! Heißt es an diesem Abend. Das 30. Motorrad Total ist Vergangenheit – wunderbare Vergangenheit. Morgen früh, 10 Uhr, ist Aufbruch nach Olbia zur Fähre, die uns diesmal nach Livorno bringt. Die Biker können sich freuen, denn der Wettergott meint es an diesem 22. September, jedenfalls bis zum Brenner, ziemlich gut mit ihnen. Danach kann’s auch mal ein bisschen feucht werden. Aber das bringt in der Wolle gefärbte Biker nicht vom Kurs ab – Hauptsache gesund nach Hause!

Gebhard L. Heiler

Dank für Sardinien Total

Motorrad Total 2012 war ein großartiger Erfolg, wie es sich eben für das 30-jährige Bestehen einer guten Marke gehört. Unser herzlicher Dank gilt allen Mitwirkenden. Zuvorderst den Kolleginnen und Kollegen aus Nah und Fern, die das Seminar buchten und mit ganzem Herzen bei der Sache waren. Weiterhin danken wir den Instruktoren und Konstruktoren für ihre umsichtige Führung und ihren Einsatz.

"Büro" der Instruktoren, Organisatoren und Autoren - v. u. im Uhrzeigersinn: Gebhard L. Heiler, Jochen Klima, Torsten Lüth, Nadine Kirn, Marcus Pollermann, Franz Enghauser, Stefan Rieger, Ulf Eckardt, Helmut Storck, Michael Lindner, Karl-Heinz Hiller, Siegfried Nill, Stefan Hamberger (Foto: Karlheinz Beck)

Wir danken Stefan Rieger vom Deutschen Roten Kreuz für seine praxisnahe Unterrichtung über das Verhalten bei Motorradnotfällen.

Herzlicher Dank geht an die Daimler AG, vertreten durch Torben Bogdann vom Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland, für 30 Jahre wohlwollender Begleitung des Seminars.

Ebenso danken wir dem  Verlag Heinrich Vogel, München, der Motorrad Total seit vielen Jahren aktiv unterstützt.

Ein großes Dankeschön an Karlheinz Beck vom Hause Vogel, der die Seminar-Geschehnisse wiederum im Bild festhielt und auch sonst unersetzlichen Beistand leistete.

Unser Dank geht auch an BMW Motorrad Deutschland, vertreten durch Thomas Roll. BMW hat in diesem Jahr erstmalig für Motorrad Total drei Motorräder zu Verfügung gestellt, die auf großes Interesse stießen und bei allen Beteiligten ein positives Echo hervorriefen.

Unser ganz besonderer Dank geht an Nadine Kirn und Karl-Heinz Hiller für die gekonnte Organisation des Seminars und ihren unermüdlichen Einsatz und Service vor Ort.

Ein sehr herzliches Dankeschön auch an Gebhard L. Heiler, der zum x-ten Mal Motorrad Total begleitete, um die Geschehnisse für unsere Leser noch einmal „lebendig“ werden zu lassen.

Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V.
Peter Tschöpe und Jochen Klima