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Zugang zum Führerschein - Asylanten brauchen Hilfe

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2015, Seite 596

Die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist für die Integration vieler Zuwanderer sehr bedeutsam. Oft ist Besitz des Führerscheins Voraussetzung, die Aussicht auf Beschäftigung zu verbessern. Die aktuelle Flüchtlingswelle fordert die Fahrschulen mehr denn je, diesen Menschen beim Führerscheinerwerb nach Kräften zu helfen. Aber auch der Gesetzgeber ist gefordert, die Aufnahme weiterer Fremdsprachen für die Theorieprüfung zuzulassen.

Besitzen Asylanten keinen oder nur einen von einem nicht in der Staatenliste (Anlage 11 zur FeV) aufgeführten Drittstaat ausgestellten Führerschein, müssen sie zu Erlangung einer Fahrberechtigung im Inland eine Fahrerlaubnisprüfung (Theorie und Praxis) abgelegen.

Dolmetscherprüfung

Bis Ende 2010 konnten fremdsprachige Anwärter in der Theorieprüfung mit Hilfe eines von ihnen zu bezahlenden Dolmetschers geprüft werden. Oder sie konnten eine computergestützte Prüfung in den sogenannten Minidisk-Sprachen (Albanisch, Arabisch, Persisch/Afghanisch, Tamilisch, Vietnamesisch) ablegen. Seit Anfang 2011 ist beides infolge einer Änderung der FeV nicht mehr zulässig. Begründung: Das Betrugs- und Manipulationsrisiko war zu hoch. Weiterhin zugelassen sind Gebärden-Dolmetscher für Gehörlose. Für Bewerber, die nicht ausreichend lesen oder schreiben können, sieht die Fahrerlaubnis-Verordnung Audio-Unterstützung in deutscher Sprache mittels Kopfhörer vor.

Stand heute: Theorieprüfung in 11 Fremdsprachen

Die Regelungen über Inhalte, Form, Umfang und Durchführung der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung ergeben sich aus der Anlage 7 zur FeV in Verbindung mit der Richtlinie für die Prüfung der Bewerber um eine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Prüfungsrichtlinie). Nach Ziffer 1.3 der Anlage 7 FeV ist die theoretische Fahrerlaubnisprüfung grundsätzlich in deutscher Sprache abzulegen. Abweichend davon kann die Prüfung auch in folgenden 11 Fremdsprachen abgelegt werden: Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Spanisch und Türkisch.

Aufnahme weiterer Fremdsprachen

Neun der genannten Sprachen, so die Begründung, zählten zu den in der EU am häufigsten gesprochenen; darüber hinaus werde Russisch und Türkisch von einer größeren Zahl in Deutschland lebender Menschen gesprochen. Die Festlegung auf 11 Sprachen mag aus Gründen der Verkehrssicherheit, der Prüfungsgerechtigkeit und der Gleichbehandlung sachlich gerechtfertigt gewesen sein. Jedoch ergibt sich durch die jüngste Flüchtlingswelle in Deutschland eine neue Sprachenvielfalt. Besondere Bedeutung erlangt hierbei das Arabische. Deshalb muss die Fahrerlaubnis-Verordnung hinsichtlich der für die Fahrerlaubnisprüfung zulässigen Fremdsprachen angepasst werden.

Die Ausbildung ist nicht einfach, aber machbar

Für Zuwanderer ist die Ablegung der Fahrerlaubnisprüfung das eine Problem; das andere und vorrangigere ist die Ausbildung.

Einem Bewerber, der wenig Deutsch spricht, komplizierte Begriffe und rechtliche Zusammenhänge zu erklären, ist sicher nicht einfach. Dieses Problem ist aber nicht neu. In den 60er-Jahren kamen Italiener, später Jugoslawen, Türken und deutschstämmige nur russisch sprechende Menschen nach Deutschland. Und immer waren auch Kunden dabei, die wenig Deutsch konnten. Viele Kolleginnen und Kollegen haben sich damals entsprechende Sprachkenntnisse angeeignet. Die Fahrschulen haben davon noch Jahrzehnte später profitiert, weil die damaligen Kunden zufrieden waren und ihre Kinder zur „ihrer“ Fahrschule schickten. Auch jetzt ist wieder Flexibilität und Lernbereitschaft wichtig. Es gibt unter den Zuwanderern immer auch Menschen, die dolmetschen können. Vieles kann auch mit Skizzen überbracht werden. Manchmal kann es auch erforderlich sein, dem Kunden klarzumachen, dass eine Fahrausbildung erst Sinn macht, wenn er besser Deutsch kann.

Fremdsprachenprüfungen in anderen EU-Ländern

Nicht nur in Deutschland sehen sich Fahrschulen der Aufgabe gegenüber, ausländische Führerscheinbewerber auszubilden. In vielen Ländern der EU kann die Theorieprüfung auch in einer anderen als der Landessprache abgelegt werden. Im Jahr 2011 hat die Europäische Fahrlehrer-Assoziation (EFA) ihre Mitgliedsverbände zur Fremdsprachenprüfung befragt. Nur etwa die Hälfte hat geantwortet, so lag beispielsweise von Frankreich keine Antwort vor. Hier auszugsweise die Antworten einiger unserer Nachbarländer:

  • Österreich: Ja, neben Deutsch und Slowenisch in Türkisch, Serbokroatisch und Englisch
  • Schweiz: Ja, neben den Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch in Englisch
  • Belgien:Ja, neben unseren drei Landessprachen Holländisch, Französisch und Deutsch in Russisch, Türkisch, Chinesisch
  • England: Ja, in Albanisch, Arabisch, Bengali, Kantonesisch, Dari, Farsi, Gujarati, Hindi, Kashmiri, Kurdisch, Mirpuri, Polnisch, Portugiesisch, Punjabi, Paschto, Spanisch, Tamilisch, Türkisch, Urdu, Walisisch
  • Dänemark: Mit Dolmetscher in allen Sprachen
  • Spanien: Ja, in Englisch, Französisch und Deutsch

Ralf Nicolai