Aktive Vorsorge: Fahrerschutzversicherung - ein Extra, das zählt

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Dezember/2016, Seite 676

Seite 590 der November-Ausgabe dieser Zeitschrift enthielt einen kurzen Beitrag zur Fahrerschutzversicherung. Dabei war der Blick vor allem auf das Angebot der Fahrlehrerversicherung VaG gerichtet. Hier nun der Versuch, einige dazu entstandene Fragen zu beantworten.

Eine Pflicht zum Schadenersatz, etwa nach Verletzung eines Vertrages oder unerlaubter Handlung, sieht das Gesetz regelmäßig nur bei einem Verschulden vor (Verschuldenshaftung). Jedoch birgt die Inbetriebnahme von bestimmten Sachen oder Einrichtungen – so z.B. von Kraftfahrzeugen – eine Betriebsgefahr, die das Potenzial hat, Dritte zu schädigen, ohne dass dafür in jedem Schadenfall eine Schuld des Eigentümers oder Halters nachgewiesen werden kann. Der Haftungsgrund entsteht dann aus der bloßen Inbetriebnahme – wir sprechen hier von Gefährdungshaftung.

Kraftfahrzeug Die Haftung nach § 7 ff. des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) ist Gefährdungshaftung. Die Bestimmung, die ihren Ursprung im Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrzeuggesetz) vom 03.09.1909 hatte, wurde 1952 in das StVG übernommen und seitdem mehrfach geändert. Eine bedeutende Ausweitung der Gefährdungshaftung erfolgte durch das 2. Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002. Zuvor konnten die in einem Kraftfahrzeug mitfahrenden Insassen Schadenersatz für durch Unfall erlittene Körper- oder Sachschäden nur im Wege der Verschuldenshaftung geltend machen. Nach der seit dem 19.02.2002 geltenden Regelung können die Insassen eines Kraftfahrzeugs jedoch gegen die Kraftfahrt-Haftpflichtverversicherung (KH) des Fahrzeughalters Schadenersatzansprüche geltend machen, und zwar in gleichem Umfang wie Geschädigte außerhalb des Autos. Davon ist – wie schon immer – der Fahrzeugführer ausgenommen (§ 8 Nr. 2 StVG).

Fahrerschutzversicherung Die Versicherungswirtschaft erkannte schon bald nach Inkrafttreten des neuen Schadensrechts die für den Fahrzeugführer klaffende „Deckungslücke“ und sah darin die Chance für ein neues Produkt, nämlich die Fahrerschutzversicherung, kurz Fahrerschutz genannt.

Wer führt das Fahrzeug? Lange schien klar zu sein, der ausbildende Fahrlehrer gilt nach § 2 Abs. 15 StVG immer uneingeschränkt als Führer des Fahrzeugs, zumal er jederzeit zu unfallverhütendem Eingreifen verpflichtet ist. Der Beschluss des BGH vom 23.09.2014 – Az. 4 StR 92/14 (FPX, Ausgabe 02/2015, Seite 105 ff.) brachte diese Auffassung ins Wanken. Der BGH betrachtete den ausbildenden Fahrlehrer jedenfalls im Zusammenhang mit dem Verbot des Telefonierens nach § 23 StVO Abs. 1a StVO nicht als Führer des Fahrzeugs. Das veranlasst zu der berechtigten Frage, ob seitdem die Führung des Fahrzeugs durch den ausbildenden Fahrlehrer nur noch situativ beurteilt werden kann.

Dilemma Denn im Umkehrschluss ist nach der vom BGH bezüglich des § 2 Abs. 15 StVG getroffenen Differenzierung der ausbildende Fahrlehrer nur dann Fahrzeugführer, wenn er „aktiv in die Führung eines Fahrzeugs durch Betätigung der dafür wesentlichen Bedienungseinrichtungen eingreift“. Damit kann sich während einer Ausbildungsfahrt die Position des Fahrlehrers im Sinne des § 8 Nr. 2 StVG mehrfach ändern: Greift er gerade ein, ist er Fahrzeugführer und deshalb nicht im Rahmen der Gefährdungshaftung versichert. Kurz danach aber ist er nach BGH nur noch beobachtender Begleiter. – Also wieder unter dem Schutz der Gefährdungshaftung? Ein veritables Dilemma!

Berufsständisch strukturiert Diesem Konflikt begegnete die Fahrlehrerversicherung VaG pragmatisch: Sie stellt mit ihrem speziellen Fahrerschutz den ausbildenden Fahrlehrer im Wesentlichen mitfahrenden Insassen gleich. Damit entfällt die im Zweifelsfall schwer zu beantwortende Frage, ob ein ausbildender Fahrlehrer zum Zeitpunkt eines Unfalls Insasse oder Fahrzeugführer war.

Auch für Lkw und Bus? Zurzeit bietet die Fahrlehrerversicherung den Fahrerschutz nur für Pkw an. Es wird dort aber ernsthaft darüber nachgedacht, den Fahrerschutz auch auf Lkw und Busse auszuweiten. Für Führer von motorisierten Zweirädern sowie für die Schulung und Begleitung auf solchen steht der Fahrerschutz nicht zur Verfügung.

Prämie und Leistungen Der Fahrerschutz kostet bei der Fahrlehrerversicherung VaG 29,90 € pro Pkw und Jahr. Mit Fahrerschutz sind berechtigte Fahrer sowie ausbildende Fahrlehrer gegen durch Unfall entstandene Personenschäden (Verletzung und Tod) versichert. Die Leistungen entsprechen im Wesentlichen denen der KH-Versicherung; ausgenommen sind Schmerzensgeld sowie für im Zusammenhang mit dem Unfall anfallende Anwaltsgebühren.

Fahrerschutz im Verhältnis zu anderen Unfallversicherungen

Fahrerschutz

  • hebt Leistungen der Insassen-Unfallversicherung nicht auf, denn es handelt sich um eine sog. Summenversicherung (kein Bereicherungsverbot).
  • kann die persönliche Unfallversicherung nicht ersetzen, aber sinnvoll und preisgünstig ergänzen.
  • ist für berufsgenossenschaftlich versicherte Fahrlehrer im Falle von Arbeits- oder Wegeunfällen ein besonders guter subsidiärer Schutz.

Berufs- oder Privatunfall? Wer Erfahrungen mit der Regulierungspraxis von Berufsgenossenschaften (BG) hat, kennt die haarscharfe Trennlinie, die nach Unfall zwischen beruflichen und privaten Fahrten gezogen wird. Nicht selten kommt es darüber nur nach langwierigen Auseinandersetzungen zu einer endgültigen Klärung. Bis zur Klärung ist der Fahrerschutz ein entscheidender Rückhalt.

  • Selbst wenn die Leistungspflicht der BG zweifelsfrei geklärt ist, können Lücken bleiben, z.B. ein Verdienstschaden. Nach Ende der 6-wöchigen gesetzlichen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber zahlt die BG ein Verletztengeld, das 80% des vor dem Unfall verdienten Regelentgelts beträgt, aber nicht höher als das regelmäßige Nettoarbeitsentgelt sein darf. Davon gehen Beitragsanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ab, sodass eine Einkommenslücke entsteht, die der Fahrerschutz deckt. Das Verletztengeld wird bei bestehender Arbeitsunfähigkeit maximal 78 Wochen gezahlt. Während dieser 1,5 Jahre kann sich ohne Fahrerschutz ein empfindliches Einkommensdefizit ergeben.

  • MdE Soweit infolge eines Arbeitsunfalls eine andauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20% bestehen bleibt, wird eine gesetzliche Unfallrente gezahlt. Das bedeutet: Bei einer MdE von weniger als 20% wird keine Rente gezahlt. Die Höhe der gesetzlichen Unfallrente hängt von der Höhe der MdE ab. Erleidet der Geschädigte bei einem Arbeitsunfall den vollständigen Verlust der Erwerbsfähigkeit, ist eine Vollrente zu zahlen. Diese beträgt 2/3 des vor dem Arbeitsunfall erzielten Jahresarbeitsverdienstes. Unter Umständen wird eine Schwerverletztenzulage von 10% gezahlt. Soweit der versicherte Geschädigte nur teilweise in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist, erhält er eine Teilrente. Für die Berechnung der Unfallrente gilt jedoch eine Obergrenze. Diese beträgt, je nach BG, aktuell ca. 80.000 €. Anzumerken ist, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung steuerfrei sind. Es mag sein, dass die BG-Rente für viele Fahrlehrer ausreichend wäre, jedoch in keinem Fall für alle. Es bleibt in der "Spitze" eine "Deckungslücke" bestehen, die von der Fahrerschutzversicherung abgedeckt wird.

  • Hinterbliebenenleistungen Die Hinterbliebenenversorgung durch die Berufsgenossenschaften gestaltet sich wie folgt: Die Hinterbliebenenrente bzw. "große Witwen-/Witwerrente" beträgt 30 bzw. 40% des letzten Jahresarbeitsverdienstes, die Waisenrente 20%. Ob das für die Hinterbliebenen ausreichend ist, mag jeder für sich entscheiden. Jedenfalls bleibt auch hier eine erhebliche "Deckungslücke".

  • Medizinische Versorgung Auch bei der medizinischen Versorgung, die bei der berufsgenossenschaftlichen Versorgung gut ist, werden in Einzelfällen spezielle Therapiemaßnahmen nicht übernommen. Auch hier ist der Fahrerschutz ein zuverlässiger Rückhalt.

  • Abschließend zwei wichtige Fragen
    1. Sind Sie als selbstständiger Fahrlehrer freiwillig in einer Berufsgenossenschaft versichert?
    2. Und das geht Selbstständige wie Angestellte an: Wenn ja, wie sind Sie als Fahrzeugführer bei Privatfahrten gegen Unfall versichert?

Fahrerschutz ist, ganz objektiv betrachtet, ein wichtiger und preiswerter Baustein angemessener Vorsorge.

GLH