Deutsche Fahrlehrer-Akademie e.V.: Wichtige Zukunftsthemen

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2017, Seite 456

Bei der diesjährigen Mitgliederversammlung der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. (DFA), dem wissenschaftlichen Arm des Berufsstandes, wurden zwei Mitglieder des Beirates neu- bzw. wiedergewählt. Außerdem wurden erste Zwischenergebnisse zu den Projekten Fahrerassistenzsysteme und Hochautomatisiertes/Autonomes Fahren sowie zum neuen Fragenkatalog Fahrlehrerprüfung Klasse CE vorgestellt.

Die DFA hielt ihre Mitgliederversammlung am 11. Mai 2017 in Stuttgart ab. Zu Beginn gedachte Präsident Dipl.-Ing Martin Jost der kürzlich verstorbenen Mitglieder Frau Lilli Rederer und Prof. Gerd Sackmann.

Präsident der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. Martin JostBericht des Präsidenten

Präsident der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. Martin Jost

Der Verein hat derzeit 40 Mitglieder. Dem wissenschaftlichen Beirat gehören acht Experten an. 26 Kuratoriumsmitglieder leisten finanzielle Unterstützung, die eine wesentliche Grundlage für die Arbeit der DFA darstellt. Allerdings, so Präsident Jost, müsse die Finanzierung zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Arbeit der DFA künftig auf eine breitere Basis gestellt werden. Jost weiter: „Wir wollen noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte Arbeit in der DFA erarbeiten.“

Reform des Fahrlehrerrechts

Im abgelaufenen Jahr sei die Reform des Fahrlehrerrechts ein zentraler Schwerpunkt der Arbeit gewesen. Neben einem parlamentarischen Frühstück mit Mitgliedern des Verkehrsausschusses des Bundestages habe die DFA zahlreiche Gespräche mit Ministerien, politischen Vertretern, der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. (BVF) und mit sonstigen Institutionen geführt. Mit der Reform, so Jost weiter, seien nicht alle Wunschziele erreicht worden. Wer aber den Verlauf der zahlreichen kontrovers geführten Diskussionen im Gedächtnis habe, müsse erkennen: Man kann mit dem Erreichten zufrieden sein.

Erweiterung des Berufsbildes „Fahrlehrer“

Über die Reform des Berufsrechts hinaus sieht die DFA ein Betätigungsfeld in der Erweiterung und Modernisierung des Fahrlehrer-Berufsbildes. Dabei geht es vorrangig um die sich immer weiter und schneller verbreitenden Fahrerassistenzsysteme (FAS) sowie die Weiterentwicklung vom manuellen zum assistierten, teilautomatisierten, hochautomatisierten und schließlich zum autonomen Fahren. Diese Thematik muss zeitnah in die Fahrausbildung und in die sogenannte Fahranfängervorbereitung integriert werden. Daraus wiederum ergeben sich weitreichende Konsequenzen:

  • Da das autonome Fahren noch für längere Zeit nicht flächendeckend Standard sein wird, müssen Fahranfänger neben Kenntnissen über die neuen Systeme noch für viele Jahre über Grundfähigkeiten und -fertigkeiten des herkömmlichen Autofahrens verfügen. Somit wird weiterhin eine intensive Ausbildung durch den Fahrlehrer erforderlich sein.
  • Parallel dazu müssen moderne Fahrerassistenzsysteme und moderne Simulatoren schnellstens in die Fahrausbildung und in die Fahrerlaubnisprüfung integriert werden.

Fahrlehrer als Mobilitätsberater

Somit werden die Anforderungen an künftige Fahrlehrer/innen steigen. Für eine nachhaltige Begleitung ihrer Schüler vom Alten zum Neuen müssen sie neben profunden fachlichen und digitalen Kenntnissen über pädagogische und soziale Kompetenzen verfügen. Das umfasst auch das Thema Multimodale Mobilität, also die Verknüpfung aller zur Verfügung stehenden privaten und öffentlichen Verkehrsmittel. Aufgabe des Fahrlehrers der Zukunft ist nicht mehr nur das Lehren des Fahrens, sondern im weitesten Sinn auch Mobilitätsberater zu sein.

Zielgruppe „ältere und erfahrene Fahrer“

Damit kann ein weiteres sinnvolles Betätigungsfeld für den Fahrlehrer der Zukunft in den Fokus rücken: Der Verkäufer im Autohaus verkauft älteren erfahrenen Kraftfahrern sehr häufig einen hoch mit FAS gerüsteten Pkw. Dabei bleibt oft nicht die erforderliche Zeit und Geduld, die elektronischen Helfer zu erklären oder gar die Kunden in der Handhabung zu schulen. Da jedoch viele Führerscheininhaber selten von sich aus eine Fahrschule konsultieren, seien aus Sicht der DFA Kooperationen zwischen Automobilfirmen und den Fahrlehrerverbänden sinnvoll: Beim Kauf eines Autos erhält der Käufer einen Gutschein für eine oder mehrere Einweisungen durch einen Fahrlehrer. So würden Handhabung, Nutzen und auch die Grenzen und Risiken moderner FAS professionell und zuverlässig überbracht. Regierungsdirektorin Renate Bartelt-Lehrfeld vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) berichtete dazu, dass auch das Bundesverkehrsministerium sehr intensiv mit dieser Thematik befasst sei und einen Arbeitskreis eingerichtet habe. Sie sagte zu, den Abschlussbericht nach Freigabe durch die Hausspitze zeitnah zur Verfügung zu stellen.

 

 

Laufende Projekte

Die DFA arbeitet aktuell an drei Projekten:

  • Erstellung von Fahrlehrerprüfungsfragenkatalogen für die Klassen CE und DE

Die Arbeitsgruppe leitet Dieter Quentin, erster stellv. Vorsitzender der BVF. Quentin berichtete, dass in sehr zeitaufwendiger Arbeit ein umfassender Katalog von 64 Prüfungsfragen und entsprechenden Lösungsvorschlägen aus den Themengebieten „Verkehrsverhalten einschließlich Verkehrsrecht“, „Verkehrspädagogik“, „Fahrzeugtechnik“ und „Fahrphysik“ erarbeitet wurde. Das Werk wird nach Fertigstellung den Fahrlehrerausbildungsstätten zur Verfügung gestellt. Das gilt jedoch aus nachvollziehbaren Gründen nicht für die Lösungsvorschläge. Diese bekommen ausschließlich die Fahrlehrerprüfungsausschüsse. Wegen des enormen zeitlichen Aufwands, vor allem für die Ausarbeitung der Lösungsvorschläge, wurde zunächst nur der Katalog für die Klasse CE fertiggestellt. Der Fragenkatalog für die Busklassen soll in absehbarer Zeit folgen.

  • Autonomes Fahren

Kurt Bartels, zweiter stellvertretender Vorsitzender der BVF und Leiter dieser Arbeitsgruppe, berichtete von den Ergebnissen, die bei zwei Sitzungen erarbeitet wurden: Die Gruppe stellte fest, der Zeitpunkt für eine flächendeckende Automation sei momentan (noch) nicht absehbar. In naher Zukunft vorstellbar sind lediglich die Automation einzelner Strecken (Driving in Circle) oder der eingeschränkte Einsatz von sogenannten Robotertaxis im ÖPNV. Die Gruppe hatte sich auch mit den Grenzen der Automation beschäftigt. Dabei geht es unter anderem um:

    • Überwachung
      Psychologische Aspekte verhindern die dauernde Überwachung (Daueraufmerksamkeit) durch den Fahrer.
    • Übernahme der Fahrtätigkeit (Rückfallebene)
      Übernahmesituationen entstehen eher in komplexen Fahrsituationen, sind deshalb kritisch und müssen geübt werden.
    • Kompetenzverlust
      Fahranfänger können automatisiert fahrend nur sehr eingeschränkt Kompetenzen aufbauen; vorhandene Kompetenzen können wieder verkümmern. Deshalb müssen diese Kompetenzen ausgebildet und geübt werden.

Das wiederum bedeutet neben den bereits oben erwähnten Konsequenzen für die Fahranfängervorbereitung:

    • Grundfähigkeiten müssen weiterhin intensiv ausgebildet werden.
    • Das Gefahrenbewusstsein muss auf technische Aspekte erweitert werden.
    • Die Wahrnehmungs- und Blickverhaltensschulung wird sich deutlich verändern.

Fazit Auch in diesem Bereich dürfte der Fahrlehrer künftig als Coach für Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren unverzichtbar bleiben.

  • FAS

Dieses Projekt leitet Peter Glowalla, der Vor- sitzende des Fahrlehrerverbandes Berlin e.V. Er konnte aufgrund eines kurzfristig gecancelten Fluges nicht an der Mitgliederversammlung teilnehmen. Gerhard von Bressensdorf, Vorsitzender der BVF, berichtete in Vertretung, dass auch diese Gruppe zu dem Ergebnis gekommen sei, dass FAS dringend und zeitnah in die Fahrausbildung und -prüfung integriert werden sollten. Dafür müssten aber zunächst in der Fahrschüler-Ausbildungsordnung sowie in der Fahrerlaubnis-Verordnung und in der Prüfungsrichtlinie (PrüfRL) entsprechende Rechtsgrundlagen geschaffen werden.

Bericht des Beiratsvorsitzenden

Der stellvertretende Beiratsvorsitzende, Dr. jur. Joachim Jagow, berichtete, dass der bisherige Vorsitzende Dr. Walter Weißmann sein Amt zur Verfügung gestellt hatte. Dr. Jagow bedankte sich herzlich beim bisherigen Beiratsvorsitzenden für dessen jahrelange Tätigkeit im Beirat und als Vorsitzender. Er berichtete weiter, dass die Beiratsmitglieder Prof. Dr. Margret M. Fell, Prof. Bruno Heilig sowie Dipl.-Päd. Michael Fingskes ebenfalls aus dem Beirat ausgeschieden sind und bedankte sich auch bei diesen für deren langjähriges Mitwirken sehr herzlich. Die Weichen für kompetente Nachfolger, so Dr. Jagow, seien jedoch bereits gestellt.

Weitere Projekte

Dr. Jagow berichtete anschließend über weitere von der DFA durchgeführte bzw. geplante Projekte:

  • Automatik-Projekt
    Bei diesem Projekt ging es darum herauszufinden, wie es sich auf die Ausbildung und die Anzahl benötigter Fahrstunden auswirkt, wenn Klasse-B-Fahrschüler (Versuchsgruppe) zunächst den wesentlichen Teil ihrer Fahrausbildung mit einem modernen Automatik-/Elektro-Pkw absolvieren und anschließend – zur Vermeidung der beschränkenden Schlüsselzahl 78 – den Abschluss der Ausbildung und die praktische Fahrerlaubnisprüfung auf einem herkömmlichen Pkw mit Schaltgetriebe durchlaufen. Eine Kontrollgruppe wurde durchgängig auf dem Schaltwagen ausgebildet. Das Projekt führte u.a. zu folgenden Ergebnissen:
    • Die insgesamt benötigten Fahrstundenzahlen weichen nur marginal voneinander ab.
    • Die Erfolgsquoten bei den Automatik-Bewerbern war geringfügig besser.
    • Bei der Versuchsgruppe konnte ein signifikanter Akzeptanzanstieg für Automatikfahrzeuge festgestellt werden.

  • Einsatz moderner Simulatoren in der Fahrausbildung
    Das geplante Simulatoren-Projekt musste vorläufig zurückgestellt werden, da eine adäquate Finanzierung nicht gesichert ist.

Bericht des Schatzmeisters und der Kassenprüfer – Entlastung

Schatzmeister Ansgar Brendel berichtete von einem annähernd ausgeglichenen Ergebnis. Er wies allerdings darauf hin, dass der Verein, wenn er seine wertvolle Arbeit weiterhin sicherstellen wolle, sich zusammen mit dem Berufsstand um eine langfristig solide Finanzierung der DFA kümmern müsse. Absicht dabei müsse nicht Gewinnerzielung, sondern eine stabile Finanzierung der Projekte sein. Der Bericht der Kassenprüfer, vorgetragen von Günter Dauser, attestierte dem Schatzmeister uneingeschränkt korrekte Rechnungsführung. Dem anschließenden Antrag auf Entlastung des Präsidiums stimmte die Versammlung einstimmig zu.

Neuwahlen

Die anstehenden Wahlen führten zu folgenden Ergebnissen:

  • Günter Dauser (Kassenprüfer) und Peter Tschöpe (stellvertretender Kassenprüfer) wurden einstimmig wiedergewählt.
  • Ebenfalls einstimmig bestätigt wurde Renate Bartelt-Lehrfeld als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats.
  • In Abwesenheit wurde Prof. Hans-Christian Reuss, Inhaber eines Lehrstuhls für Kfz-Mechatronik an der Universität Stuttgart und ausgewiesener Experte für moderne Antriebstechnologien, einstimmig als neues Mitglied in den Beirat der DFA gewählt.

Ausblick

Die DFA ist nun gefordert, ihre Kräfte zu bündeln und teilweise neu auszurichten. Dazu gehört vor allem eine langfristige Projektplanung. Projekte sollten nur dann gestartet werden, wenn ihre Finanzierung durch Zuwendungen oder Sponsoren sichergestellt ist. Außerdem täte der Berufsstand gut daran, das gilt insbesondere für alle der BVF angeschlossenen Fahrlehrerverbände, sich zu einer langfristigen Sicherstellung der erforderlichen Finanzausstattung seines wissenschaftlichen Arms zu bekennen.

Jochen Klima