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687 Anhebung des Mindestlohns: Weitere Steigerungen bis 2022
700 Konzentration des Autohandels - Marktexperte: Keine Nachteile für Fahrschulen
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708 In Memoriam Professor Dr.-Ing. Klaus Langwieder
Konzentration des Autohandels - Marktexperte: Keine Nachteile für Fahrschulen
© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Dezember/2020, Seite 700
Der Verkauf von Waren und Dienstleistungen bewegt sich in nahezu jeder Produktkategorie immer stärker weg vom traditionellen Handel in Richtung Online- und Direktvertrieb. Was dies jedoch für den beratungsintensiven Automobilverkauf und damit auch für die Fahrschulen konkret bedeutet, erläutert Dr. Klaus Schmitz von der Consultingfirma Arthur D. Little.
FPX: Fakt ist, die Zahl der selbstständigen Autohändler sinkt. Laut ifa/DAT HändlergruppenMonitor 2020 (Studie „Die Top-100-Automobilhändlergruppen in Deutschland“) soll es bis 2025 nur noch 4.500 (2000: 18.000) selbstständige Partner geben. Die Autoren der Studie gehen allerdings davon aus, dass die Automobilhersteller auch künftig an stationären Vertriebsformen wie den Autohausbetrieben festhalten werden. Ist das aus Ihrer Sicht mittelfristig ebenfalls realistisch bzw. ab wann sehen Sie hier einen Wandel?
Dr. Klaus Schmitz: Leistungen der Autohausbetriebe für Sales und Aftersales (Verkauf und Kundennachbetreuung) werden auch in Zukunft benötigt, allerdings unter geänderten Rahmenbedingungen. Es ist jetzt an den Herstellern und den Händlergruppen bzw. Händlerorganisationen, die Zukunft zu gestalten hinsichtlich der Geschäftsmodelle (z. B. Agentenmodell), der Integration zwischen Online und Offline, der Rationalisierung und Industrialisierung und ggf. neuer Leistungen im Umfeld von geteilter Mobilität. Von der konkreten Ausgestaltung wird der Erfolg der Hersteller wie der Händler abhängen und damit die Anzahl der Händler und deren Beschäftigter.
Sehen Sie den Rückgang der selbstständigen Autohändler in direktem Zusammenhang zu den Direktvertriebsaktivitäten einiger Automobilhersteller? Oder ist es vielmehr eine Folge des Kosten- und Margendrucks oder der unbefriedigenden Renditesituation im Handel?
Der Trend zu Direkt-, Online- und Multivertrieben resultiert sowohl aus sich wandelnden Kundenpräferenzen, Kosten- und Margendruck als auch dem Auftreten neuer Wettbewerber auf Hersteller- wie auch Vertriebsseite. Die Umsetzung ist damit alternativlos und nicht umkehrbar. Für den Verbraucher sind digitale Kanäle in vielen Branchen inzwischen die erste Anlaufstelle, wenn es darum geht, ein Produkt zu erwerben oder sich zu informieren.
Im Rahmen Ihrer Analyse zum Direktvertrieb stellen Sie klar, dass neue Wettbewerber wie Tesla und Geely bereits heute ohne ein indirektes Vertriebsnetz agieren. Aber auch etablierte Hersteller wie Hyundai gehen bereits in diese Richtung. Werden diese Akteure den Trend zum Direktvertrieb beschleunigen?
Erfolgreiche Vorbilder beschleunigen ohne Zweifel den Transformationsprozess. Bei einigen neuen Wettbewerbern wird es spannend sein zu sehen, ob mit weiterem Wachstum auch die physischen Formate etwas mehr an Bedeutung gewinnen werden, teilweise ist dies schon aus regulatorischen Gründen zu erwarten.
Geht der Direktvertrieb nicht klar zulasten der Beratung gerade für solche Zielgruppen wie Fahrschulen, die als Multiplikatoren der Mobilität von morgen exakte Informationen für einzelne Fahrzeugmodelle in ihren Fuhrparks benötigen? Oder umgekehrt: Wird der Fahrzeugerwerb für Zielgruppen wie Fahrschulen aufgrund eines hohen Beratungsbedarfs künftig deutlich teurer?
Beratung ist zunächst nicht an ein bestimmtes Format gebunden und neue direkte Formen oder Multikanalformate werden zielgerichtete Beratung für alle in Frage kommenden Kundengruppen ermöglichen. Hersteller werden sich digital auf bestimmte Zielgruppen einstellen und über entsprechende Kanäle die bestmögliche Beratung gewährleisten. Hierbei ist nicht zwangsläufig mit höheren Kosten für einzelne Kundengruppen zu rechnen.
Wird der Direktvertrieb mittelfristig der Standard sein oder ist davon auszugehen, dass der Fahrzeugvertrieb immer oder zumindest übergangsweise ein „Hybridmodell“ sein wird, bei dem der Kunde, der die persönliche Beratung benötigt oder wünscht, direkt im selbstständig agierenden Autohaus den Fahrzeugkauf abwickeln kann? Ist das Hybridmodell für selbstständige Händler überhaupt finanziell darstellbar?
Es geht eigentlich um zwei Trends, die sich überlappen: der Direktvertrieb und der Onlinevertrieb. Für die Hersteller passt dabei Online und Direkt gut zusammen, die Händler werden ihren Vertrieb um Online-Komponenten erweitern und es wird Multiformate als Mischung aller Formen geben. Unsere Kundenbefragungen zeigen, dass für Autokäufer Probefahrten nach wie vor wichtig sind. Diese können von Händlern, aber auch durch neue Formen realisiert werden. Deswegen ist jetzt die proaktive Ausgestaltung der Zukunft für die Händler so entscheidend, denn die Hersteller stehen vor der Entscheidung über verschiedene Optionen, welche die Händler unterschiedlich einbeziehen.
Ist anzunehmen, dass sich zunächst immer mehr traditionelle Hersteller mit ihren Händlern – wobei die Autohäuser hier als Agenten fungieren – zusammentun, um auf diese Weise gemeinsam den Direktvertrieb zu realisieren? Der Volkswagenkonzern hat diese Richtung ja bereits angekündigt. Oder handelt es sich beim Agentensystem nur um eine Übergangslösung hin zum reinen Direktvertrieb?
Das Agentenmodell ist ein guter Ansatz, um in einem Multikanalformat zu einem fairen Ausgleich zu kommen. Ein Direktvertrieb ganz ohne Händler ist schon aus praktischen Gründen, z. B. Probefahrten, Aftersales usw., schwierig, aber auch nicht unlösbar. Es darf nicht unterschätzt werden, dass es sich bei den Händlern um erfolgreiche Unternehmer handelt, die lokale Gegebenheiten sehr gut kennen und mit unternehmerischer Kreativität und Energie Autos gut verkaufen. Klassische Händler verfügen ferner häufig über ein extrem hilfreiches persönliches Netzwerk. Am Ende geht es darum, dass in neuen Multikanalformen jeder seine Stärken ausspielt und seinen angemessenen Anteil erhält. Und dieses System ist jetzt neu zu gestalten.
Die vier Treiber des Direktvertriebs
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Worauf hat sich Ihres Erachtens die Zielgruppe der Fahrschulen in den kommenden Jahren einzustellen? Fahrzeugkauf ausschließlich online ohne Beratung? Oder angesichts der Bedeutung dieser Zielgruppe als Mobilitätsdienstleister auf eine differenzierte Behandlung?
Jede Zielgruppe, die Beratung wünscht, wird diese auch in Zukunft erhalten. Auch die Bedürfnisse der Fahrschulen sind nicht homogen. Diese hängen von der Flottengröße, der Struktur, der Strategie u. Ä. ab. Soll eine Vielzahl an Fahrzeugmodellen oder Marken zur Verfügung stehen, sollen Fahrlehrer selbst entscheiden können oder aber sind Skalen- und Standardisierungseffekte wichtig usw.? Wir würden jedenfalls aus Sicht von Fahrschulen die Neugestaltung der Herstellervertriebe nicht als kritischen Punkt betrachten.
Herzlichen Dank, Herr Dr. Schmitz!
Dr. Klaus Schmitz, Partner bei Arthur D. Little GmbH,
sieht die Neugestaltung der Vertriebswege für Fahrschulen
nicht kritisch – Foto: privat
Isabella Finsterwalder