UPDATE: Mit ID.3 First Edition auf Jungfernfahrt

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2020, Seite 598

Mit ID.3 First Edition auf Jungfernfahrt

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst! Nach dieser alten Bauernregel lieferte VW im September die ersten ID.3 an Kunden aus, die für das Privileg, ein Auto der 1st Edition ihr Eigen nennen zu wollen, schon ein Jahr zuvor 1.000 € hinterlegt hatten. Das rein elektrisch angetriebene Auto in Wolfsburg abzuholen und gen Stuttgart zu fahren war Genuss und ein bisschen Abenteuer obendrein. Organisatorisch läuft die Abholung in der gastfreundlichen Autostadt wie am Schnürchen, doch die Einweisung in die teils nicht unbedingt intuitiv erfassbaren digitalen Funktionen des ID.3 fiel etwas mager aus. Offensichtlich verlangt dieses gänzlich neue Auto noch eine besondere (Nach-)Schulung des Personals. Den wichtigen Schalter für vorwärts, rückwärts und die elektronische Parkbremse begreift man im Nu. Auch den Ladezustand der Hochvoltbatterie und für wie viele Kilometer dieser in etwa noch reicht, blickt man schnell. Wer aber vergeblich die vom Golf 7 gewohnten Knöpfe und Schalter sucht, muss sich auf unterschiedliche Bedienfelder, das zentrale ID.-Display und den großen Infotainment-Screen einlassen. Deshalb im Campus der Autostadt auf den nächsten Parkplatz, ran an die 400-seitige Betriebsanleitung, um das aktuell Notwendigste überschlägig zu erkunden. Jetzt wird deutlich: Der Akku ist zu fast 80 % geladen und soll, je nach Heftigkeit des „Gasfußes“, für ca. 360 km reichen. Auch die Aktivierung von Head-up-Display, Klimaanlage, Navi und Radio ist bald geschafft. Schon die ersten paar Meter zum Parkplatz waren ein Erlebnis für sich, aber als wir uns jetzt aus der Autostadt schleichen und vom Navi sicher und nahezu lautlos auf die A39 gleiten, kommt ein unbeschreibliches Hochgefühl in uns auf, das dem im doppelten Sinne alten Verbrennerfahrer sagt: Junge, das war eine gute Entscheidung.

Volkswagen ID.3 - First Edition (© Volkswagen AG)

Die wegen Ausbau zurzeit sehr schmalen und auf 80 km/h reduzierten Fahrstreifen der A7 bremsen zunächst den Wunsch, den ID.3 einmal richtig laufen zu lassen. Das hat aber auch sein Gutes, denn so spart man Strom. Und darauf muss man ohne Reservekanister im Kofferraum besonders achten. Als die Ladung unter 100 km/h Reichweite geschrumpft war, fing meine Enkelin an, sich um Ladesäulen zu kümmern. Schon Tage vor der Abholung schickte uns VW ein feines ID.-Päckchen, in dem sich für 1st-Edition-Käufer u.a. eine Ladekarte für geschenkte 2.000 kWh befand. Die Karte freischalten war ein bisschen tückisch und gelang nur mit einer Verzögerung von 24 Stunden. Demzufolge galt die Suche leistungsstarken, frei zugänglichen Ladesäulen am Wegesrand. Eine solche glaubten wir ein wenig abseits der Autobahn auf einem SVG-Autohof bei Kirchheim/Hessen gefunden zu haben. Doch da ging nichts, weil die Säule nur SVG-Mitgliedern das Zapfen erlaubt. Bei Strom für nur noch 70 Kilometer kommt man da etwas ins Grübeln. Glücklicherweise fand meine digital hochfitte Enkelin nur 600 Meter entfernt zwei schnelle IONITY-Säulen, die Kreditkarten annehmen. Allerdings zu einem erheblich überhöhten Preis, sofern man nicht die passende Ladekarte besitzt. Die erste Ladung kostete pauschal 70,99 €, die man vor dem Zapfen entrichten musste. Das ist Beutelschneiderei, eine Erfahrung, die man beherzigen sollte. Mit der teuren Ladung reichte es vollends heim. Ab sofort wird jede Nacht mit günstigem EnBW-Strom in der Garage geladen, auf größeren Fahrten mit der We-Charge-Card von VW an IONITY-Säulen, bis das Guthaben aufgebraucht ist.

In meiner Wohngegend ist der ID.3 ein wahrhaftiges Novum, das viele Blicke auf sich zieht. Manche Leute bleiben stehen und schauen sich alles sehr genau an. Ein offenbar sehr begeisterter Zeitgenosse deklamierte sehr hörbar: „Das ist der neue Golf.“ Gerade das ist er natürlich nicht, der ID.3 ist ein ganz anderes Auto. Und bei allem Enthusiasmus, den Nimbus des Golf muss sich der ID.3 erst noch verdienen. GLH