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623 EDITORIAL: Frohe Weihnacht!
626 Kurz und aktuell: Nicht ohne ESP - sagen Sie es den Fahrschülern / Mercedes feiert 50 Jahre Wörth
634 Ausbildung Klasse B: Sonderfahrten mit dem Quad?
636 Ausbildung: Sind Schnellbleichen verantwortbar?
641 Mehr Licht - Mehr Sicherheit - Bald Pflicht: Tagfahrlicht und Konturmarkierungen
642 Regelungen rund um die Fahrprüfung
660 Werbung im Internet: Korrektes Impressum ist Pflicht
662 Anlage 11 FeV erweitert: Anerkennung von Fahrerlaubnissen aus Namibia
663 8. Internationale Motorradkonferenz: Sicherheitsforschung im Vordergrund
672 Gerichtsurteile: (1049) Streupflicht bei Glatteis / (1048) Sondernutzung der Straße durch Partybike / (1047) Keine Bus-Fahrerlaubnis für Raubmörder / (1046) Pkw-Vorbesitz / (1045) Der geblitzte Beifahrer / (1044) Verkehrssicherungspflicht für Verkehrsspiegel
Ausbildung: Sind Schnellbleichen verantwortbar?
© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Dezember/2010, Seite 636
In Paragraf 1 der Fahrschüler-Ausbildungsordnung sind die Ziele der Fahrschülerausbildung festgelegt: Bildung eines sicherheitsbewussten, umweltfreundlichen und rücksichtsvollen Verhaltens. Die Ausbildung soll überdies ein Verhalten vermitteln, das von Verantwortung gegenüber Leben und Gesundheit, Umwelt und Eigentum geprägt ist.
Das Verhalten eines Menschen zu prägen, ist keine leichte Aufgabe. Dazu bedarf es einer für die Schüler verständlichen Vermittlung des Unterrichtsstoffs und der Glaubwürdigkeit des Unterrichtenden. Daneben braucht jeder Lernprozess ausreichend Zeit für Interventionen durch den Lehrer und die Reflexion der Lerninhalte durch den Schüler.
Begrenzung des täglichen Theorieunterrichts
Nicht umsonst ist der tägliche theoretische Unterricht gesetzlich auf maximal zwei Doppelstunden zu je 90 Minuten beschränkt. Wer nicht nur oberflächlich Informationen aufnehmen, sondern auch Regeln, Verhaltensweisen und Werte übernehmen und verinnerlichen will, braucht Zeit. Zeit, die nicht zur Verfügung steht, wenn der Stoff im Zeitraffertempo durchgepeitscht wird.
Kundenwünsche
Freilich gibt es immer wieder Fahrschüler, die ihren Führerschein am liebsten „gestern“ hätten. Manchmal ist dieser Wunsch sogar verständlich, z.B. bei einem bevorstehenden Umzug an einen anderen Ort und dergleichen. Doch rechtfertigen es solche Einzelfälle, dass Fahrschulen ganz gezielt mit unverantwortlichen Schnellkursen werben?
Schnellkurs-Anbieter
Deklassieren sich diese Fahrlehrer nicht selbst? Ich meine ja! Wer seinen Unterricht von vornherein auf Schnellbleiche anlegt, kann schwerlich die in der Fahrschüler-Ausbildungsordnung geforderte Qualität leisten.
Ferienfahrschulen
Seriöse Ferienfahrschulen argumentieren zurecht, dass ein vom Alltagsstress losgelöster Führerscheininteressent sich voll und ganz auf die Ausbildung konzentrieren und die vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziele durchaus in einem sogenannten Kompaktkurs vermittelt bekommen kann. Dabei handelt es sich aber nicht um Schnellkurse, sondern um Lehrveranstaltungen, die den Teilnehmern Zeit lassen, den Unterrichtsstoff in Ruhe zu erarbeiten und zu verinnerlichen.
Theoretische Prüfung
In der theoretischen Prüfung lässt sich Wissen abfragen. Ob der zukünftige Kraftfahrer auch zu einem sicherheitsorientierten Verhalten bereit ist, ob er Gefahrensituationen frühzeitig wahrnehmen und sein Verhalten darauf einrichten wird, entzieht sich den Möglichkeiten der Prüfung. Das gilt auch für eine Prüfung mit bewegten Bildern (kurzen Filmen); auch damit kann nur Wissen, nicht aber Verhalten geprüft werden. Über die Fähigkeiten und über die Bereitschaft des Prüflings, dieses Wissen sinnvoll anzuwenden, gibt diese Prüfung keinen Aufschluss. Umso wichtiger ist es, dass der Fahrlehrer die Zeit der theoretischen und der praktischen Ausbildung nutzt, seinen Fahrschülern neben dem notwendigen Wissen sicherheits- und werteorientiertes Verhalten vermittelt.
Praktische Ausbildung
Auch in der praktischen Ausbildung geht es schon lange nicht mehr nur um die korrekte Bedienung des Fahrzeugs und die Einhaltung der Regeln. In der praktischen Ausbildung kann sich der Fahrlehrer voll auf den einen Schüler konzentrieren. Hier kann der Fahrlehrer seinen ganzen pädagogischen Einfluss für ein bewusst sicherheitsbetontes Verhalten ausüben. Die Akzeptanz durch den Schüler ist sehr wesentlich von der Glaubwürdigkeit des Fahrlehrers abhängig: Lebt er, was er „predigt“?
Prüfortregelung ist verfassungskonform
Fahranfänger sammeln ihre erste eigene Erfahrung in der Regel an den Orten und deren Umgebung, an denen sie entweder wohnen oder zur Schule gehen oder arbeiten. Aus diesem Grund bestimmt § 17 FeV, dass die praktische Prüfung in der Regel an einem dieser Orte abgelegt werden muss. Gegen diese Festlegung hatte im Jahr 2000 eine große Ferienfahrschule geklagt und sogar das Bundesverfassungsgericht angerufen – vergeblich! In jüngster Zeit hat eine Ferienfahrschule behauptet, die Prüfortregelung verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit in der EU. Wegen dieses angeblichen Verstoßes gegen europäisches Recht wurde die europäische Gerichtsbarkeit erst gar nicht angerufen. Da die Fahrschulerlaubnis in ganz Deutschland gültig ist, wird die Fahrschule in ihrer Dienstleistungsfreiheit überhaupt nicht eingeschränkt.
Praktische Prüfung
Auch die praktische Prüfung lässt in der Regel die Frage offen, ob der Bewerber künftig zu einem sicherheitsbetonten Verhalten bereit sein wird. Der sich superzahm Gebärdende muss kein Engel sein. Ebenso wenig kann man einen Prüfling als Rowdy abstempeln, nur weil er in der Prüfung an einem Zebrastreifen, an dem gerade ein Fußgänger die Fahrbahn überqueren wollte, nicht anhielt. Vielleicht war er in der konkreten Prüfungssituation einfach überfordert. Die Prüfung ist und bleibt eine „Momentaufnahme“, wenn auch eine sehr wichtige. Der Primat der Ausbildung ist unbestritten. Entsprechend schwer wiegt die Verantwortung des Fahrlehrers, besonders auch in der praktischen Ausbildung auf die Bereitschaft zu einem sicherheitsbetonten, umweltbewussten und rücksichtsvollen Verhalten hinzuwirken.
Peter Tschöpe