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EDITORIAL: Die StVO - ein Volksgesetz?

Peter Tschöpe, Vorsitzender FLVBW

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2010, Seite 567

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

„Denk’ ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht ...“ Als Heinrich Heine diese Zeilen schrieb, hat wohl Sehnsucht seine Feder geführt. Wenn mich dieser Tage etwas um den Schlaf bringt, dann ist es die aktuelle Gesetzgebung. Mit der im August 2009 verkündeten „Reform“ der StVO verband sich die Hoffnung, die Verordnung werde für die Verkehrsteilnehmer etwas leichter verständlich sein. Wenige Wochen später überraschte uns die Erklärung, die Reform-StVO sei nichtig. Grund für die Nichtigkeitserklärung war eine fehlende Regelung für die Weitergeltung der bisherigen Verkehrszeichen neben den neuen. Bis man darauf kam, hatten einige Länder die alten Verkehrszeichen gegen neue ausgetauscht; streng genommen sind die neuen durch die Nichtigkeitserklärung ungültig geworden.

Das Versprechen der Politik, man werde mit einer Änderungsverordnung rasch für Rechtsklarheit sorgen, ist immer noch nicht erfüllt. Ungeachtet dieses Rückstandes soll nun die im Sommer dieses Jahres vor einem Obergericht gescheiterte Regelung über die Winterausrüstung (§ 2 Absatz 3a StVO) im Hauruckverfahren als „Winterreifenpflicht“ neu eingeführt werden. Ob die beabsichtigte Neufassung die von den Gerichten geforderte Klarheit bringt, darf bezweifelt werden. Solange es zulässig ist, mit M&S gekennzeichnete Reifen auf den Markt zu bringen, die bei seriösen Tests schlechter abschneiden als viele Sommerreifen, kann von Rechtssicherheit keine Rede sein.

Noch soll man die Hoffnung auf eine StVO nicht aufgeben, die außer einer eindeutigen Winterreifenregelung auch in den anderen wichtigen Verhaltensregeln den Erwartungen an ein „Volksgesetz“ entspricht, „das für jedermann leicht verständlich sein muss". Ein Leitsatz, den Georg Leber, Bundesverkehrsminister von 1966 bis 1972, der grundlegenden Reform der StVO von 1971 vorangestellt hatte. Dafür reicht – wie gehabt – halbherziges, handwerklich fragwürdiges Herumdoktern allerdings nicht aus.

Mit besten Grüßen

Ihr

Peter Tschöpe