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Demenzkranke Autofahrer: Was können Angehörige tun?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2010, Seite 605

Die Menschen werden immer älter. Da bleibt es nicht aus, dass immer mehr Autofahrer an alterstypischen körperlichen und geistigen Gebrechen leiden. Ein typisches Merkmal beginnender Demenz ist oft, dass der Betroffene seine Krankheit nicht bemerkt oder einfach nicht wahrhaben will. Für Ehepartner und Kinder ist es oftmals schwierig bis unmöglich, den Kranken zur freiwilligen Aufgabe des Autofahrens zu bewegen. Lesen Sie, wie der Syndikus des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. diese Situation rechtlich beurteilt.

Die Ehefrau eines Demenzkranken hatte sich hilfesuchend an ein Mitglied gewandt. Der Kollege schaltete umgehend den Verband ein und bat um Beantwortung der folgenden Frage:

Gewalttätigkeit bei Schlüsselwegnahme

Der Mann fährt trotz hochgradiger Demenz nach wie vor Auto. Will die Frau dies verhindern und ihm den Schlüssel wegnehmen, wird er gewalttätig. Da die Frau ihren Mann aber auch nicht allein auf die Straße lassen will, sitzt sie, wenn er fährt, neben ihm und steht Todesängste aus. Sie möchte nun wissen, was im Fall eines Unfalls auf sie zukommt und/oder ob sie haftungs- oder strafrechtliche Probleme zu erwarten hat?

Der Syndikus klärt auf:

Der Verbandsvorstand bat Syndikus Dr. jur. Matthias Aull um eine Stellungnahme. Wir drucken seine Antwort nachstehend im Wortlaut ab:

  1. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Ehefrau des Demenzkranken sehe ich nicht. Sie ist nicht Garantin im strafrechtlichen Sinne für Leib und Leben Dritter.
  2. Versicherungsrechtlich könnte eine Gefahrerhöhung vorliegen, die nach den ´Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung´ (AKB) die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers für Schäden Dritter auf die jeweils geltenden Mindestversicherungssummen begrenzt. Bei schwersten Körper- und Sachschäden reichen diese zur Deckung des Schadens nicht aus. Dies könnte die Familie des Demenzkranken finanziell ruinieren.
  3. Erleidet die Ehefrau des Demenzkranken als Beifahrerin einen Schaden wegen eines von ihrem Mann verursachten Unfalls, wird ihr der Haftpflichtversicherer entgegenhalten, dass sie sich grob fahrlässig selbst gefährdet hat, als sie mitfuhr und ihre Ansprüche entweder erheblich kürzen oder vollständig ablehnen. Sollte sie beispielsweise aufgrund eines Unfalls einen erheblichen Körperschaden davontragen, erhielte sie kein oder nur ein gekürztes Schmerzensgeld. Im Falle der Pflegebedürftigkeit kann auch dies zum Ruin der Familie führen.
  4. Ich halte die Ehefrau für moralisch verpflichtet, der Führerscheinbehörde mitzuteilen, dass ihr Mann nicht mehr verkehrstüchtig ist. Er gefährdet Leib und Leben Unbeteiligter. Wenn seine Ehefrau nichts unternimmt und es zu einem schweren Unfall kommt, wird sie mit dieser moralischen Schuld leben müssen. Ich empfehle deshalb dringend, der Ehefrau nachdrücklich anzuraten, sich an die Führerscheinbehörde zu wenden!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn dies im Einzelfall für die Ehefrau eine sehr schwierige Entscheidung sein mag: Den Ausführungen des Syndikus ist nichts hinzuzufügen!

Jochen Klima