Gebhard L. Heiler: Schräge Post aus Günzburg

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Oktober/2010, Seite 544

Wenn man meint, eine momentane Szene, ein Vorkommnis – in diesem Fall ein Unheil – schon einmal vor Augen gehabt zu haben, nennt man das ein Déjà-vu-Erlebnis. 

Vor etwa 27 Jahren gab in Freiburg im Breisgau ein Verband sein Debüt, der sich im Titel anmaßte, für die „freien“ Fahrlehrer zu sprechen. Schon alleine das regte viele Kolleginnen und Kollegen auf, weil sie sich in keiner Weise unfrei fühlten. Am meisten aber ärgerten sie sich über die Schamlosigkeit dieses „Verbandes“, dessen Junta aus schier eigensüchtigen Gründen per Rundschreiben Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Lügen verbreitete und damit dem Ansehen des Berufsstandes bundesweit schadete. Soweit ich weiß, ging der Verband im April 2001 sang-  und klanglos unter. Als mir dieser Tage ein aus der bayerischen Provinz stammender Infobrief ins Haus flatterte, hatte ich so ein Déjà-vu-Erlebnis, denn das Machwerk erinnerte mich mächtig an jene verleumderischen Zirkulare aus Freiburg.

TÜV: In der Diktion von Winkeladvokaten wird da seitenlang der TÜV SÜD denunziert, mit seinem neuen Online-Buchungssystem die Fahrlehrer als „Gebührenschuldner“ über den Tisch ziehen zu wollen. Während mehr als drei Jahrzehnten meiner Verbandsarbeit bin ich, weiß Gott, nie in den Verdacht geraten, die Geschäfte des TÜV zu besorgen. Mir war immer klar, dass im Spannungsfeld Prüforganisation/Fahrlehrer kein Platz für Liebedienerei ist. Doch, um auf den Punkt zu kommen, wenn eine Fahrschule pauschal, ohne die Prüflinge namentlich zu nennen, 10 Prüfplätze bestellte, aber kurz vor dem Termin drei davon aus fadenscheinigen Gründen platzen ließ, war ich im Interesse der planvoll arbeitenden Fahrschulen dafür, die betreffende Fahrschule für die ausgefallenen Gebühren haftbar zu machen. Erklärungen, weshalb Fahrschulen immer wieder mal auf diesen Dreh verfielen (verfallen?), erspare ich mir.

Die jetzt vorliegende „Vereinbarung zur Nutzung der TÜV SÜD Internetplattform“ ändert bezüglich der Gebühren an den bisherigen Gepflogenheiten nichts. Sie verpflichtet die Fahrschule jedenfalls nicht zum Inkasso der Prüfgebühren. Gebührenschuldner ist, namentliche Meldung durch die Fahrschule vorausgesetzt, der Fahrschüler, nicht die Fahrschule. Basta! Die Vereinbarung entspricht und dient dem Fortschritt der elektronischen Kommunikation; man kann sie – ohne sich Sorgen machen zu müssen – unterschreiben.

Freie Mitarbeiter:  Glaubte man dem diskrepanten Geschreibsel aus Günzburg, wäre es für Fahrschulinhaber legal, nach Gusto Fahrlehrer als freie Mitarbeiter zu beschäftigen, um Sozialabgaben und Arbeitnehmerrechte zu umgehen. Vor solchem Rat kann nur dringend gewarnt werden, zumal nach jüngsten Erklärungen der Deutschen Rentenversicherung diese den Umgehungsversuchen künftig energisch nachgehen wird. Wie weit sich die Günzburger Rabulisten damit aus dem Fenster lehnen, scheinen sie zu wissen. Nicht umsonst leiten sie den Infobrief mit einem Haftungsausschluss für die nachfolgenden Ausführungen ein. Was ist das für ein Verband, der angeblich informativ, ja aufklärerisch wirken will, sich zugleich aber gegen rechtliche Konsequenzen der von ihm verbreiteten Weisheiten absichert? Die Verfasser zitieren in diesem Zusammenhang ein in einem Strafverfahren des Landgerichts Augsburg ergangenes Urteil, wonach der angeklagte Fahrschulinhaber, der jahrelang für einen „freien Mitarbeiter“ keine Sozialabgaben abgeführt hatte, vom Vorwurf der Untreue und des Betrugs freigesprochen wurde. Das mag zutreffen, bedeutet aber noch lange nicht, dass die Sozialkassen auf die ihnen zustehenden Beiträge verzichten.

Fazit: Nach gründlicher Lektüre der Günzburger „Postille“ fallen mir Wörter wie Destruktion, Irreführung, Rechtsbeugung und Geldmacherei ein. Ich empfehle, den Verfassern einfach nichts zu glauben

Gebhard L. Heiler