Kalkulation – Was gute Fahrausbildung wert ist

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe April/2011, Seite 191

Die Ergebnisse der jährlichen Umfragen zu Fahrschulentgelten offenbaren immer wieder: Die Preise der Fahrschulen sind nicht nur von Region zu Region, sondern oft auch innerhalb desselben Ortes, derselben Stadt recht unterschiedlich. Seit mehr als 40 Jahren ist es ein besonderes Anliegen des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V., das Bewusstsein der Fahrschulinhaber für den Wert guter Fahrausbildung zu fördern und zu schärfen.

Dazu gehört richtiges Kalkulieren. Um das zu erleichtern, wurde vor Jahren ein kleines Programm entwickelt, das derzeit aktualisiert wird und ab Mitte Mai von interessierten Fahrschulen angefordert werden kann.

Was bin ich mir selbst wert?

Bevor es ans Rechnen geht, sollte sich jeder Fahrschulinhaber die Frage stellen: Was bin ich mir selbst wert? Am Ende muss freilich die Überlegung stehen, ob die kalkulierten Entgelte am Markt durchsetzbar sind. Indes, die Marktbewährung hängt nicht, wie oft irrtümlich angenommen wird, allein von der Höhe des Preises ab. Maßgebend ist vielmehr, ob der Kunde überzeugt ist: Qualität, Service, Renommee dieser Fahrschule ist dieses Geld wert. Nur so lässt sich erklären, dass oft nur Steinwürfe voneinander entfernte Fahrschulen – siehe oben – ein sehr unterschiedliches Preisniveau haben.

Vergleichsmaßstab

Will man den Wert der Arbeit des Fahrlehrers mit dem anderer Berufe vergleichen, bietet sich als Maßstab der Fachlehrer an, für den die Besoldungsgruppe A 12 gilt. Nach der aktuellen Besoldungstabelle liegt das Gehalt (ohne Familienzuschlag und Ortszuschlag) im Mittelwert bei monatlich 3.540 €. Dividiert durch die pro Woche zu leistenden 45 Stunden (30 Unterrichtsstunden, weitere 15 Einheiten zu 45 Min. für Unterrichtsvorbereitung, Korrektur von Klassenarbeiten, andere Zusatzaufgaben), ergibt sich eine Entlohnung von 18,30 € pro 45 Minuten. Nicht berücksichtigt bleibt dabei, dass der Lehrer pro Jahr zwölf Wochen Ferien hat und sein Einkommen sicher ist.

Trugschlüsse

Paragraf 19 Fahrlehrergesetz verpflichtet die Fahrschulen, die Entgelte gesondert nach Art der Leistungen anzugeben. Das soll Führerscheininteressenten helfen, Angebote der Fahrschulen vergleichen zu können. Dem Prinzip nach ist das richtig und einleuchtend. Schade nur, dass potenzielle Kunden sehr oft nicht vom Ende her denken, sondern sich immer nur an einzelnen, besonders günstig erscheinenden Preissegmenten, mit Vorliebe am Fahrstundenpreis, orientieren. Nach diesem einfachen Muster sind unlängst wohl auch die offenbar etwas unbedarften Rechercheure des ADAC vorgegangen. Sie haben nur kalte Zahlen addiert, dabei aber nicht bedacht, dass z.B. mehrmaliges Durchfallen infolge mangelnder Ausbildungsqualität keine Seltenheit ist und der Fahrschüler dafür oft zusätzlich bis zu 800 € und mehr aufwenden muss. Damit ist der anscheinend „so günstige Preis“ gründlich verhagelt, von den nachteiligen Wirkungen schwacher Ausbildung auf die Verkehrssicherheit gar nicht zu reden. Diese Zusammenhänge immer wieder deutlich zu machen, ist Mission jeder einzelnen Qualitätsfahrschule.

Der Grundbetrag

Mit dem Grundbetrag werden pauschal die allgemeinen Aufwendungen des Fahrschulbetriebes einschließlich des gesamten theoretischen Unterrichts abgegolten. Grundlage für die Kalkulation des Betrags sind demzufolge die allgemeinen Kosten der Fahrschule und die Kosten für den theoretischen Unterricht.

Jährlich anfallende allgemeine Kosten

  • Miete für den Unterrichtsraum sowie die Nebenkosten für Reinigung, Elektrizität und Heizung,
  • alle betrieblichen Versicherungen mit Ausnahme der Kraftfahrzeugversicherungen,
  • Lohnkosten für die Verwaltung,
  • Beiträge,
  • Werbung und Internetauftritt,
  • Rechts- und Beratungskosten,
  • Fortbildungskosten; dazu gehören neben den Lehrgangskosten auch die anfallenden Reise- und Verpflegungskosten,
  • Kosten der Überwachung,
  • Inkassogebühr und Forderungsverluste,
  • Kosten für Lizenzen und Updates.

Beschaffungskosten für betriebliche Einrichtungen und länger genutzte Geräte

Zu den jährlich anfallenden Kosten kommen die auf die Nutzungsdauer der betrieblichen Einrichtungen und der Software umzulegenden Kosten. Dazu gehören:

  • Beschaffungskosten für Einrichtung, für Verwaltungs-PC, Laptop für den Unterricht, Schüler-PC für Vorprüfungen,
  • Unterrichtssoftware.

Kalkulatorische Zinsen

Weil im Betrieb wegen der Anschaffung von betrieblichen Geräten und Fahrzeugen Kapital gebunden ist, sind auch kalkulatorische Zinsen zu berechnen. Außerdem muss der Einsatz der betrieblichen Einrichtungen verzinst werden. In jeder Fahrschule fallen regelmäßig Kosten an, die bezahlt werden müssen, bevor die Fahrschule Einnahmen verzeichnet. Dazu gehören beispielsweise die betrieblichen Versicherungen, die meist am Jahresbeginn zu bezahlen sind, sowie Mieten und Tankrechnungen, die monatlich anfallen. Für diesen Betriebsmittelkredit werden in der Regel zwei Monatsumsätze zugrunde gelegt. Für die Verzinsung dieses Kapitals kann ein Zinssatz von fünf Punkten über dem Basiszinssatz angesetzt werden.

Aufteilung der Kosten

Geht man streng nach dem Wortlaut des § 19 Fahrlehrergesetz, sollen mit dem Grundbetrag alle allgemeinen Aufwendungen abgegolten sein (so im Kommentar zum Fahrlehrerrecht von Dr. Peter Dauer, Nr. 7 zu § 19 FahrlG). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht und auch aus Gründen der Preiswahrheit erscheint es aber geboten, die allgemeinen Kosten nicht nur in den Grundbetrag zu packen, sondern etwa nach folgendem Modus aufzuteilen: 70 Prozent auf den Grundbetrag, 20 Prozent auf die Fahrstunden, jeweils 5 Prozent auf die Vorstellung zur theoretischen und zur praktischen Prüfung.

Lohnkosten des theoretischen Unterrichts

Zum Schluss sind noch die Lohnkosten für den theoretischen Unterricht zu kalkulieren. Legt man dieser Berechnung den für einen Fachlehrer errechneten Stundensatz von 18,30 € pro 45 Minuten zugrunde und geht man von 55 Prozent Lohnnebenkosten aus, schlagen die Lohnkosten mit 28,37 € pro 45 Minuten zu Buche. Die Aufteilung der Lohnkosten für den theoretischen Unterricht kann eine Fahrschule, die nur Klasse B ausbildet, wie folgt berechnen: Pro Jahr werden 92 Mal jeweils 90 Minuten Theorieunterricht angeboten (46 Wochen mal zwei). Für Vor- und Nachbereitung muss der Unterrichtende jeweils 90 weitere Minuten anwesend sein. Das ergibt pro Woche sechs Arbeitseinheiten, die zu vergüten sind. Diese Lohnkosten sind auf die Anzahl der Fahrschüler aufzuteilen. Geht man von 72 Anmeldungen pro Jahr aus, müssen in den Grundbetrag 108,75 € Lohnkosten für den theoretischen Unterricht eingerechnet werden.

Wie der Lohnanteil für den Theorieunterricht bei Ausbildung in anderen als der Klasse B differenziert zu berechnen ist, wird in der Mai-Ausgabe dieser Zeitschrift behandelt.

Vorstellung zur theoretischen Prüfung

In dieses Entgelt ist zuerst der fünfprozentige Anteil an den allgemeinen Kosten einzurechnen. Dazu kommen die Aufwendungen für

  • die Planung,
  • die Terminabsprache mit der Prüforganisation und den Kunden,
  • das Inkasso und die Verwaltung der Prüfgebühren.

Für diesen Aufwand sind pro Prüftermin mindestens 45 Minuten anzurechnen. Diese Aufgaben übernimmt in der Regel die Mitarbeiterin im Fahrschulbüro. Wenn eine Fahrschule ihre Kunden darüber hinaus zur theoretischen Prüfung begleitet und der Fahrlehrer sie vor und nach der Prüfung betreut, ist ein Zeitbedarf von zweimal 45 Minuten zum Stundensatz des Fahrlehrers anzusetzen. Die so entstehenden Kosten sind durch die durchschnittliche Anzahl der Prüflinge pro Termin zu teilen.

Vorstellung zur praktischen Prüfung

Auch in das Entgelt für die Vorstellung zur praktischen Prüfung ist der fünfprozentige Anteil an den allgemeinen Kosten einzurechnen. Dazu kommt der Aufwand für

  • die Terminabsprache mit der Prüforganisation und den Kunden,
  • das Inkasso und die Verwaltung der Prüfgebühren,
  • die Begleitung und Betreuung vor und nach der Prüfung,
  • das Entgelt für eine Fahrstunde.

Für Führerscheinklassen mit kürzerer oder längerer Prüfungszeit als 45 Minuten, ist das Fahrstundenentgelt entsprechend zu berechnen.

Fahrstundenentgelt

In die Kalkulation der Fahrstundenentgelte fließen sowohl die festen als auch die beweglichen Kosten ein. Um die Kosten pro Kilometer zu berechnen, ist zunächst festzustellen, wie viele Kilometer einschließlich der Fahrten von der Wohnung zu den Fahrschülern und der Privatfahrten pro Jahr mit den Fahrzeugen zurückgelegt werden. Wer überdies exakt ermittelt, wie viele Kilometer in den einzelnen Fahrstunden zurückgelegt werden, kann sehr genau die auf die einzelnen Fahrstunden entfallenden Kosten berechnen.

Fixkosten

Zu den festen Kosten gehören die Anschaffungskosten bzw. die Leasingraten. Wird das Fahrzeug finanziert oder geleast, werden die im Lauf des Jahres anfallenden Raten zugrunde gelegt. Bei Leasingverträgen mit Anzahlung muss diese auf die Vertragslaufzeit aufgeteilt werden. Außerdem müssen für diesen Betrag kalkulatorische Zinsen in Ansatz gebracht werden. Wird das Fahrzeug gekauft, müssen die Anschaffungskosten auf die Laufzeit verteilt werden. Dazu wird zum Kaufpreis des Fahrzeugs der voraussichtliche Verkaufserlös addiert. Dieser Wert wird durch zwei geteilt. So erhält man das durchschnittlich gebundene Kapital. Die jährliche kalkulatorische Verzinsung dieses Kapitals erfolgt zu dem Zinssatz, der auch für andere länger genutzte Betriebsmittel angesetzt wird. Für Ausbildungsfahrzeuge der Klasse B liegt die Nutzungsdauer in der Regel bei zwei bis drei Jahren. Zu den Fixkosten gehören außerdem die Fahrzeugversicherung und die Kraftfahrzeugsteuer.

Variable Kosten

Zu den variablen Kosten gehören neben den Kraftstoffkosten auch die Kosten für Wartung und Verschleiß (Reparaturen, Bereifung, Öl, Fahrzeugpflege). Will man diese Kosten exakt in die Kalkulation einfließen lassen, muss man sich die Mühe machen, aus den Buchhaltungsunterlagen die Werte aus den drei vorangegangenen Jahren zu ermitteln. So kommt man zu realistischen Durchschnittswerten. Wer beim Händler ein Wartungspaket für die gesamte Nutzungsdauer abgeschlossen hat, kann diesen Kostenblock übergehen. Selbstverständlich muss insbesondere bei den Kraftstoffkosten der oft rapide Preisanstieg berücksichtigt werden. Geht man davon aus, dass ein Fahrschul-Pkw durchschnittlich 60.000 Kilometer im Jahr fährt und dabei auf 100 Kilometer 6,5 Liter Dieselkraftstoff verbraucht, ergibt die Erhöhung des Kraftstoffpreises um zehn Cent pro Liter eine Mehrbelastung von 390 € pro Jahr.

Lohnkosten

Zu dem für den Fachlehrer in Höhe von 28,37 € zugrunde gelegten Stundensatz kommen noch die für die einzelne Fahrstunde berechneten fixen und variablen Kosten hinzu.

Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer beträgt für alle Leistungen der Fahrschule 19 Prozent (ausgenommen Lernmittel = 7%). Berücksichtigt man den Vorsteuerabzug aus Lieferantenrechnungen, liegt die Umsatzsteuerzahllast bei etwa 14 bis 15 Prozent.

Schlussfolgerungen

Wer sich die Mühe macht, seine Entgelte nach vorstehendem Muster zu kalkulieren, hat gleich mehrere Vorteile:

  • Man bekommt ein klares Bild von den Kosten.
  • Man erkennt, dass der in der Gewinn- und Verlust-Rechnung ausgewiesene "Gewinn" in Wirklichkeit oft nur den Arbeitslohn für den Fahrschulinhaber darstellt.
  • Man bekommt eine klare Vorstellung, welche Entgelte notwendig sind, um einen über die Entlohnung hinausgehenden Unternehmensgewinn zu erzielen.

Angst vor betriebswirtschaftlichen Wahrheiten?

Leider scheinen viele Fahrschulinhaber auf Erkenntnisse qua Kalkulation zu verzichten. Das kann teilweise daran liegen, dass für eine stimmige Kalkulation ein gewisser Zeitaufwand erforderlich ist und die Beschaffung der notwendigen Informationen etwas Mühe bereiten kann. Der Verzicht könnte seine Ursache aber auch darin haben, dass der Fahrschulinhaber der Meinung ist, es sei ausreichend, sich an den Entgelten der Mitbewerber zu orientieren. Einige fürchten vielleicht auch die sich aus exakter Kalkulation ergebenden betriebswirtschaftlichen Wahrheiten. Das kommt der fatalen Haltung gleich: „Mir tut zwar alles weh, zum Doktor aber gehe ich nicht, damit ich nichts Schlimmes erfahre.“

Was kann man tun?

Stellt man nach sorgfältiger Kalkulation fest, dass die verlangten Entgelte zu niedrig sind, um die Kosten zu decken und darüber hinaus einen angemessenen, die Zukunft sichernden Gewinn zu erwirtschaften, gibt es drei Möglichkeiten: Preise erhöhen oder Kosten runter (oft muss beides sein) oder rechtzeitige Geschäftsaufgabe; Letzteres ist jedenfalls klüger, als sehenden Auges in die Schuldenfalle zu laufen.

Wettbewerb ist der Kern freier Marktwirtschaft

Wettbewerb und damit auch unterschiedliche Preise sind die Kernstücke freier Marktwirtschaft. Wir beobachten tagtäglich in allen Branchen deutliche Preisunterschiede. Wir sehen aber auch, dass Unternehmen mit höheren Preisen als denen ihrer Mitbewerber gute Geschäfte machen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, warum das so ist.

Worin liegen die eigenen Stärken?

Wichtig ist zu wissen, worin die eigenen Stärken liegen und wie diese konsequent zu nutzen sind. Was kann ich, was der billige Mitbewerber nicht kann? Worin bin ich schon besser oder womit kann ich noch besser werden? Sich solche Fragen zu stellen und sie ehrlich zu beantworten, ist freilich mühsamer als das pure Schielen auf die Preise der Konkurrenz und die Klage über den bösen Fahrschulmarkt, dem endlich eine staatliche Gebührenordnung (ein illusorischer Gedanke!) verpasst werden muss.

Preisabsprachen sind unzulässig

Im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs ist es verboten, Preise abzusprechen. Nicht verboten ist es hingegen, sich mit Kollegen über die Kosten zu unterhalten. Zulässig wäre es auch, wenn in einem Kreisverein mithilfe des vom Verband entwickelten Modells eine Musterkalkulation durchgeführt würde. Seit ich vor mehr als 40 Jahren Fahrlehrer wurde, werden in Versammlungen und Fortbildungsveranstaltungen die zu niedrigen Preise (hauptsächlich der nicht Anwesenden) beklagt. Doch neben Klagen gibt es auch viele Lichtblicke. Fast überall ist einer, der mit seinem in jeder Hinsicht verschmuddelten Laden, ebensolchen Methoden und entsprechenden Unterpreisen seit zehn, 20 oder gar mehr Jahren dahinvegetiert. Seine lächerlichen Preise lassen jedoch die anderen Fahrschulen kalt. Sie handeln nach dem Motto: Nur wenn einer höhere Preise nimmt als ich, ist er gefährlich, weil er offenbar etwas besser macht als ich!

Diese Einsicht findet nicht im Bauch beim Blick auf die Konkurrenz, sondern im eigenen Kopf statt. Lernen, vernünftig zu kalkulieren, kann neben gleichbleibend hoher Qualität entscheidend helfen, sich eine solide geschäftliche Zukunft zu sichern.

Peter Tschöpe