Gebhard L. Heiler: Das gefährliche Leiden unserer Straßen

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe April/2011, Seite 214

Zwei strenge Winter in Folge und Flickschusterei wegen leerer öffentlicher Kassen haben unseren Straßen arg zugesetzt. Viele der zuvor nur notdürftig verkleisterten Schlaglöcher rissen im letzten Winter noch größere und tiefere Wunden. Hinzu kamen zahlreiche neue Schäden infolge unterlassener Reparatur abgenutzter, undicht gewordener Fahrbahndecken.

Eine Ende Februar vom Institut für Zweiradsicherheit (ifz) verbreitete Meldung lässt aufhorchen. Danach sollen Bauexperten des TÜV Rheinland festgestellt haben, dass 40 Prozent der Straßen in die Kategorie „stark geschädigt“ einzustufen seien. Ob diese erschreckende Zahl auf alle deutschen Straßen zutrifft, lässt die Meldung offen. Tatsache ist jedoch, auch viele Straßen in Baden-Württemberg haben stark gelitten. Und auch hierzulande werden wegen maroder öffentlicher Kassen die Straßen oft nur geflickt, statt sie durchgreifend zu sanieren.

Motorradfahrer besonders gefährdet

Verständlich, wenn sich das ifz angesichts des teilweise ruinösen Zustands der Fahrbahnen besonders um die Sicherheit der nahezu sechs Millionen motorisierten Zweiradfahrer Sorgen macht, die in Deutschland unterwegs sind. Der mittlerweile erbärmliche Zustand vieler Straßen sei für sie zu einem „ernsten Risiko für Leib und Leben“ geworden, heißt es da. Während Schlaglöcher bei mehrspurigen Fahrzeugen meist nur zu Schäden an Reifen und Fahrwerk führten, könnten die harten Stöße bei Zweirädern folgenschwere Stürze bewirken. Der Staat spiele „geradezu fahrlässig mit der Sicherheit seiner Krad fahrenden Steuerzahler“. Wo in den kommunalen Kassen Ebbe herrsche, müssten Land und Bund finanziell helfen, um den Notstand der Straßen rasch zu beseitigen, fordert das ifz.

Gefahren bei der Ausbildung

Der in diesem Frühjahr teilweise miserable Zustand unserer Fahrbahnen erfordert zwangsläufig auch Überlegungen für die Fahrausbildung. Wenn die plötzliche destabilisierende Wirkung von Schlaglöchern schon für routinierte Motorradfahrer sehr kritisch ist, gilt das in weit höherem Maße für noch unerfahrene Anfänger. Für vorausfahrende Fahrschüler können unbekannte Strecken gefährliche Überraschungen bereithalten. Das gilt besonders bei Überland- und Nachtfahrten. Deshalb kann ich den etwas schneidigen Standpunkt „Auch das müssen sie lernen, denn es ist die Realität!“ nicht teilen. Es ist wichtig, im theoretischen Unterricht deutlich auf die von Schlaglöchern ausgehenden Gefahren einzugehen, und zwar nicht nur einseitig für Motorräder und verharmlosend für mehrspurige Fahrzeuge, denn auch diese sind bei schweren Straßenschäden erhöhter Unfallgefahr ausgesetzt. Soweit es um die praktische Ausbildung geht, ist es – auch mit Blick auf frühere Ausbildungsunfälle – aber vor allem ratsam, die mit Motorradschülern zu befahrenden Strecken sorgsam zu wählen. Künftige Motorradfahrer auszubilden ist von jeher eine diffizile Aufgabe. Wer sich darin auskennt, wird versuchen, jedes vermeidbare zusätzliche Risiko auszuschließen. Wie Glatteis, nasse Kanaldeckel, Ölspuren etc. gehören dazu auch Schlaglöcher, namentlich solche in Kurven.