Alte Akten – Was darf nach Jahresende weg?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Dezember/2011, Seite 647

Wir nähern uns dem Jahresende und damit dem Ablauf der Aufbewahrungspflicht bestimmter geschäftlicher Aufzeichnungen und Dokumente. Es lohnt sich, während der ruhigen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr die „gesammelten Werke“ zu sichten.

Doch nicht alle anscheinend alten Dokumente dürfen oder sollten entsorgt werden. Die für die Steuerfestsetzung oder die Sozialversicherung bedeutsamen Unterlagen dürfen erst nach Ablauf der in den einschlägigen Bestimmungen festgesetzten Fristen vernichtet werden.

Entsorgen ja – aber Vorsicht!

Um nicht unnötig viel Speicherplatz zu verschwenden, empfiehlt es sich, regelmäßig die in Betracht kommenden Unterlagen zu entsorgen. Allerdings sollte man bei der Durchsicht darauf achten, dass nicht Unterlagen vernichtet werden, die längerfristig von Bedeutung sind. So z.B. Darlehensverträge und Ähnliches. Das gilt auch für bereits getilgte Darlehen, sofern der Darlehensablauf nicht länger als vier Jahre zurückliegt. Hier sollte man immer auch an die Nachweisfunktion für das Finanzamt denken.

Wer muss aufbewahren?

Die Aufbewahrungspflicht nach dem Steuerrecht trifft ausnahmslos alle Gewerbetreibenden. Die Aufbewahrungspflichten nach dem Handelsrecht gelten nur für Kaufleute. Auch Fahrschulen gelten als solche, wenn das Unternehmen einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert. Davon ist auszugehen, wenn der Jahresumsatz 500.000 Euro übersteigt. Für Fahrschulen gelten zusätzlich noch die Aufbewahrungsfristen nach dem Fahrlehrergesetz.

Warum aufbewahren?

Die Aufbewahrungsfristen nach dem Steuerrecht dienen dem Finanzamt vor allem für Außenprüfungen. Diese Prüfungen finden oft erst mehrere Jahre nach dem Besteuerungszeitraum statt. Die Aufbewahrungsfristen nach dem Handelsrecht dienen in erster Linie der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche. Aus Gründen der Praktikabilität sind die Aufbewahrungsfristen nach dem Handels- und dem Steuerrecht weitgehend angeglichen.

Aufbewahrung nach dem Fahrlehrergesetz

Die Aufbewahrungsfristen nach dem Fahrlehrergesetz dienen der Überprüfung der Ausbildung und der Einhaltung von gesetzlichen Pflichten. Weil Fahrschulen spätestens im Abstand von vier Jahren überwacht werden, sind im FahrlG kürzere Aufbewahrungsfristen vorgesehen. Diese Fristen sind auf jeden Fall zu beachten, selbst wenn die Fahrschule inzwischen überwacht wurde.

Folgen unvollständiger Unterlagen

Können der Aufbewahrungspflicht unterliegende Unterlagen bei einer Betriebsprüfung nicht vorgelegt werden, geht das Finanzamt von einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung oder Aufzeichnung aus. Das berechtigt die Steuerverwaltung, die Bemessungsgrundlagen der Steuer zu schätzen, was für den Steuerpflichtigen sehr unangenehm und obendrein teuer werden kann.

Sind nach dem Fahrlehrergesetz aufzubewahrende Unterlagen unvollständig, kann die Erlaubnisbehörde die Zuverlässigkeit des Fahrschulinhabers in Zweifel ziehen. Das kann zum Widerruf der Fahrschulerlaubnis führen.

Die Fristen enden mit Jahresschluss

Die unterschiedlichen gesetzlichen Aufbewahrungsfristen beziehen sich in jedem Fall auf das Jahresende.

Unterlagen nach dem FahrlG

Fahrschulen müssen neben den steuer- und sozialrechtlichen auch die nach dem Fahrlehrergesetz geltenden Aufbewahrungspflichten beachten. Danach sind aufzubewahren: •Ausbildungsnachweise und •Tagesnachweise.

Ausbildungsnachweis

Die Ausbildungsnachweise müssen bis zu vier Jahre nach Abschluss des Jahres aufbewahrt werden, in dem die Ausbildung abgeschlossen wurde. Da die Prüfung nicht mehr zur Ausbildung gehört, ist in der Regel der Tag bedeutsam, an dem die letzte Fahrstunde stattgefunden hat. Da die Prüfung nur in ganz seltenen Fällen in einem anderen Kalenderjahr als dem der letzten Fahrstunde stattfindet, ist die Frage, ob nicht doch auf den Prüfungstag abzustellen sei, letztlich nicht von Bedeutung. Vernichtet werden dürfen am 31.12.2011 alle Ausbildungsnachweise von Fahrschülern, deren Ausbildung im Jahr 2007 endete.

Ausnahmen

Wären die Ausbildungsnachweise in Ermangelung von Rechnungsdurchschriften als Unterlagen der Buchhaltung einzustufen, wäre jedoch die nach dem Steuerrecht geltende Frist von zehn Jahren einzuhalten.

Tagesnachweise

Die Tagesnachweise müssen ebenfalls vier Jahre nach Abschluss des Jahres aufbewahrt werden, in dem sie aufgezeichnet wurden. Alle Tagesnachweise des Jahres 2007 können also am 31.12.2011 vernichtet werden. Aber auch hier gilt: Dienen die Tagesnachweise als Unterlagen der Lohnberechnung, müssen sie nach den steuerlichen Vorschriften ebenfalls zehn Jahre aufbewahrt werden.

Steuerrecht bricht Berufsrecht

Bis in die 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts galt der Grundsatz, dass in Berufsgesetzen enthaltene kürzere Aufbewahrungsfristen auch auf die Aufbewahrungspflicht nach dem Steuerrecht anzuwenden sind. Dieser Grundsatz wurde inzwischen aufgegeben. Die Aufbewahrungspflichten nach dem Steuerrecht haben jetzt immer Vorrang.

Elektronische Datenarchivierung

Auch viele Fahrschulen archivieren heute ihre Daten elektronisch und müssen sie bei einer Betriebsprüfung auch in dieser Form zur Verfügung stellen. In der Abgabenordnung sind drei unterschiedliche Verfahren vorgesehen:

  • direkter Datenzugriff,
  • indirekter Datenzugriff,
  • Bereitstellung der Daten auf Datenträger.

Variante 1: Hier nutzt der Steuerprüfer die EDV-Anlage des Steuerpflichtigen und greift selbst auf die Daten zu.

Variante 2: Der Finanzbeamte beauftragt einen Mitarbeiter des Steuerpflichtigen, ihm die Daten auf der EDV-Anlage bereitzustellen.

Variante 3: Der Beamte nimmt den Datenträger mit und wertet die Daten im Amt aus.

Welche der drei Varianten angewandt wird, entscheidet das Finanzamt. Sinnvoll ist es in jedem Fall, alle für die Steuer wesentlichen Unterlagen in einem eigenen Ordner zu archivieren. Dann hat der Betriebsprüfer auch nur auf diesen Zugriff.

Alte Programme oder Rechner

Wer seine Daten elektronisch archivieren muss, hat auch dafür zu sorgen, dass die Unterlagen bei einer eventuell Jahre später stattfindenden Betriebsprüfung zur Verfügung stehen.

Deshalb müssen beispielsweise alte Rechner oder alte Verwaltungsprogramme ebenfalls aufbewahrt werden, wenn die Daten auf einem neuen Rechner oder mit einem neuen Programm nicht mehr aufgerufen werden können.

Papierunterlagen nicht überflüssig

Trotz der elektronischen Datenspeicherung ist das Papier nicht überflüssig geworden. Buchhaltungsbelege müssen beispielsweise nach wie vor im Original zur Verfügung gestellt werden. Auch die Bilanzen und die Gewinn- und Verlustrechnungen müssen ausgedruckt vorliegen.

Kein Fristenablauf

Auch nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen müssen alle Unterlagen noch aufbewahrt werden, wenn für den betreffenden Zeitraum

  • eine Betriebsprüfung angeordnet oder bereits begonnen wurde,
  • ein Steuerbescheid nur vorläufig oder unter Vorbehalt erlassen wurde,
  • ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist,
  • ein Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wurde.

Beginn der Fristen

Für die handels- und steuerrechtlichen Unterlagen beginnt die Frist mit dem Jahr, in dem die letzte Eintragung erfolgte bzw. die Unterlagen erstellt wurden. Wurde beispielsweise der Jahresabschluss für das Jahr 2010 im April 2011 fertiggestellt, beginnt die Aufbewahrungsfrist nicht Ende 2010, sondern erst am 31.12.2011.

Fristen nach Steuer- bzw. Handelsrecht

Auch wenn Fahrschulinhaber in der Regel keine Kaufleute i. S. des HGB sind, müssen sie doch bei einigen Aufzeichnungen die Fristen nach dem Handelsrecht beachten. Für die tägliche Arbeit ist es aber ohne Bedeutung, ob die Aufbewahrungspflicht im Steuer-, Sozial- oder Handelsrecht geregelt ist. Deshalb nennt die nachfolgende Übersicht beispielhaft nur die Fristen, nicht aber die Rechtsgrundlagen. Im Handels- und im Steuerrecht gibt es zwei unterschiedliche Fristen: sechs und zehn Jahre.

Sechsjahresfrist

  • Geschäfts- und Handelsbriefe,
  • Lohnabrechnungsunterlagen,
  • andere steuerrechtlich relevante Unterlagen, z.B. Fahrschecks, Preislisten,
  • Anträge auf Arbeitnehmersparzulage,
  • Betriebsprüfungsberichte,
  • Mahnbescheide.

Zehnjahresfrist

  • Lohnkonten und sonstige Belege der Lohnbuchhaltung (z.B. Tagesnachweise der angestellten Fahrlehrer),
  • Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen,
  • Auftragsbücher,
  • Inventare und Anlageverzeichnisse,
  • Abrechnungsunterlagen,
  • Ausgangs- und Eingangsrechnungen,
  • Kontoauszüge und Bankbelege,
  • sämtliche Buchhaltungsbelege,
  • Kontenpläne und Kontenplanänderungen,
  • Kassenbelege und Quittungen,
  • Spendenbescheinigungen.

Kurz gesagt: alle steuerlich relevanten Unterlagen.

Ansgar Brendel