Prüfungstermine: Bestellung, Absage, Gebührenschuldner

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2011, Seite 384

Unlängst wurde ein Urteil des Amtsgerichts Wittmund (Niedersachsen) bekannt, in dem die Regelung des TÜV NORD über die Absage von Prüfterminen für nicht rechtens erklärt wurde. Im Folgenden nimmt der Syndikus des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. zum Urteil und den sich daraus ergebenden Fragen Stellung.

FPX: Nach § 4 der GebOSt ist Kostenschuldner, wer die Prüfung veranlasst oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird. Was bedeutet dies konkret für die Führerscheinprüfung?

Dr. Aull: In § 6 der Fahrschüler-Ausbildungsordnung hat der Gesetzgeber den Fahrlehrer verpflichtet, einen Fahrschüler erst dann zur Prüfung vorzustellen, wenn dieser alle vorgeschriebenen Unterrichte besucht hat und der Fahrlehrer überzeugt ist, dass die in § 1 der FahrschAusbO genannten Ausbildungsziele erreicht sind. Deshalb kann sich ein Fahrschüler nicht selbst zur Prüfung anmelden. Das muss die Fahrschule tun. Das bedeutet aber, dass nach den Vorgaben der GebOSt sowohl die Fahrschule als auch der Fahrschüler Kostenschuldner sind und als Gesamtschuldner für die Bezahlung der Gebühr haften.

FPX: Ist die Fahrschule als Veranlassende der Prüfung auch dann noch Kostenschuldner, wenn sie dem TÜV den Namen des Fahrschülers mitgeteilt hat?

Dr. Aull: Da der Gesetzgeber in der GebOSt keine differenzierte Regelung getroffen hat, kann sich der TÜV im Zweifel immer an beide Kostenschuldner halten. Natürlich wird sich der TÜV immer dann, wenn ihm der Name des Bewerbers bekannt ist, in erster Linie an diesen halten müssen. Die Fahrschule könnte allenfalls dann zur Zahlung der Gebühren herangezogen werden, wenn der Fahrschüler zu einer bestellten Prüfung nicht erscheint und auch nachher nicht mehr erreichbar oder zahlungsunfähig ist.

FPX: Der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V. hat gegenüber dem TÜV SÜD immer die Position vertreten, dass die Fahrschule nach namentlicher Anmeldung des Fahrschülers zur Prüfung für die Prüfungsgebühr nicht mehr im Obligo ist.

Dr. Aull: Das ist eine aus Sicht der Fahrschulen sinnvolle Lösung, auch wenn sie letztlich in der GebOSt keine ausdrückliche Stütze findet. Außerdem könnte es dann zu Problemen kommen, wenn der Fahrschüler behauptet, er habe von dem Termin nichts gewusst. Deshalb würde ich jeder Fahrschule empfehlen, den Fahrschülern die Prüftermine schriftlich mitzuteilen, damit im Streitfall der Fahrschüler nicht behaupten kann, er habe von nichts gewusst.

FPX: Ob die Fahrschule Kostenschuldner ist, wird erst dann zur Frage, wenn ein Fahrschüler auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Hat er einen Prüfungstermin versäumt und tritt zu einem weiteren an, wird ihm die doppelte Gebühr in Rechnung gestellt.

Dr. Aull: Wenn der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V. diese Vereinbarung mit dem TÜV getroffen hat, wurde eine für die Fahrschulen praxisgerechte und ausgewogene Lösung gefunden. Das Risiko für den TÜV dürfte auch sehr überschaubar sein, weil wohl nur sehr wenige Führerscheininteressenten sich zur Prüfung anmelden lassen und dann nie mehr auftauchen.

FPX: Das ist richtig. Wesentlich häufiger kommt es vor, dass ein Fahrschüler die Fahrschule wechselt, ohne den Ausbildungsvertrag schriftlich zu kündigen. Dann erfährt die erste Fahrschule unter Umständen erst nach längerer Zeit, dass der Kunde die Ausbildung in einer anderen Fahrschule fortgesetzt und dort vielleicht auch schon die Prüfung gemacht hat. Der TÜV bekommt den Fahrschulwechsel aber immer mit und ist deshalb auch sehr viel leichter in der Lage, die Gebühr vom Fahrschüler zu holen.

Dr. Aull: Die Regelung scheint mir sehr vernünftig. Allerdings muss dann auch Sorge getragen werden, dass die Fahrschulen nicht in Vorlage treten müssen.

FPX: Nach den zwischen dem Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V. und dem TÜV SÜD getroffenen Vereinbarungen ist keine Fahrschule verpflichtet, die Prüfungsgebühren einzuziehen und vorzulegen. Jeder Fahrschüler kann die Gebühr beim TÜV Service-Center oder auch beim Prüfer direkt bezahlen. Von diesen Zahlweisen wird – weshalb auch immer – in der Praxis noch etwas zögerlich Gebrauch gemacht.

Darüber hinaus ist es den Fahrschulen weiterhin unbenommen, die Gebühren bei den Fahrschülern einzuziehen und sie an die TÜV-Kasse weiterzuleiten.

Beteiligt sich eine Fahrschule am Abbuchungsverfahren des TÜV, müssen Gebühren immer nur für die Fahrschüler bezahlt werden, die tatsächlich an der Prüfung teilgenommen haben.

In jüngster Zeit wurde mit Verweis auf ein Urteil des Amtsgerichts Wittmund behauptet, § 4 der GebOSt sei nur dann anwendbar, wenn der Fahrschüler ohne Entschuldigung der Prüfung fernbleibe. Die Bestimmung greife hingegen nicht, wenn der Fahrschüler den gebuchten Termin zwei Tage zuvor absage. Das gelte auch dann, wenn der Fahrschüler keine Gründe für die Absage angebe. 

Der TÜV SÜD verlangt für Absagen die Einhaltung einer Frist von mindestens sieben Tagen, weil bei kurzfristigerer Absage frei werdende Prüfungsplätze nicht mehr umdisponiert werden könnten und deshalb verloren gingen.

Die Fahrschulen fragen nun: Was gilt hier?

Dr. Aull: Das Amtsgericht hat seine Entscheidung auf § 621 BGB gestützt. Diese Regelung betrifft die Kündigung von Dienstverträgen, die keine Arbeitsverhältnisse sind. Nach dieser Vorschrift können Dienstverträge, wenn die Vergütung nach Tagen bemessen ist, an jedem Tag für den Ablauf des folgenden Tages gekündigt werden.

Ohne Zweifel ist die Fahrerlaubnisprüfung eine Dienstleistung, die grundsätzlich den Regelungen über einen Dienstvertrag unterliegt. Allerdings knüpft § 621 BGB an § 620 Abs. 1, 2 BGB an. Das Dienstverhältnis darf nicht durch einen bestimmten Zeitablauf beendet werden und seine Dauer darf weder bestimmt sein, noch sich aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste ergeben, damit nach § 621 BGB gekündigt werden kann. Schon aus diesem Grund muss man bezweifeln, ob das Dienstvertragsrecht des BGB überhaupt auf die Fahrerlaubnisprüfungen nach den §§ 15 ff. der FeV anwendbar ist.

Nachdem Zeit und Ort der Prüfungen nach den §§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 5 FeV vom TÜV bestimmt werden und der Prüfauftrag entweder gemäß § 22 Abs. 4 FeV mit Aushändigung des Führerscheins oder nach Abs. 5 mit der Rückgabe des Prüfauftrages endet, halte ich § 621 BGB in Bezug auf die Fahrerlaubnisprüfungen nicht für anwendbar. Außerdem kann § 621 BGB durch eine – auch stillschweigende – Vereinbarung der Vertragsparteien abbedungen werden.

Der Gesetzgeber hat in Nummer 402 der GebOSt eindeutige Regelungen über die Kostenschuld getroffen. Die Regelung lautet: „Können der praktische oder der theoretische Teil ohne Verschulden des amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers und ohne ausreichende Entschuldigung des Bewerbers am festgesetzten Termin nicht stattfinden oder nicht beendet werden, wird die volle Gebühr für den ausgefallenen Prüfungsteil erhoben.“ Damit dürfte der zum dispositiven Recht gehörende § 621 BGB als abbedungen gelten.

Im Übrigen gibt es ja nicht nur das von Ihnen genannte Urteil des Amtsgerichts Wittmund. Das Amtsgericht Münster hat beispielsweise schon im Jahr 1996 entschieden, dass bei nicht ausreichender Entschuldigung des Bewerbers die Prüfgebühr in voller Höhe geschuldet wird. Das Amtsgericht hat in diesem Urteil auch deutlich gemacht, dass neben dem Fahrschüler auch die Fahrschule Kostenschuldner ist. Da die Fahrschulen zur damaligen Zeit bei dem betroffenen TÜV immer volle Tagestermine bestellen mussten, hat das Gericht zwar kritisiert, dass durch diese Regelung kleine Fahrschulen unangemessen benachteiligt seien. Gleichwohl hat es die Regelung für zulässig gehalten, aber eine kundenfreundlichere Lösung angeregt.

FPX: Die zuletzt zitierte Passage des Urteils ist auf Baden-Württemberg nicht übertragbar. Hier ist keine Fahrschule verpflichtet, ganze oder mindestens halbe Tagestermine zu bestellen. Der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V. hat durchgesetzt, dass jede Fahrschule ohne Weiteres einzelne Prüfungsplätze beim TÜV bestellen kann. Wenn sich Fahrschulen freiwillig zu Prüfgemeinschaften zusammenschließen und organisatorische Aufgaben des TÜV übernehmen, ist dagegen nichts einzuwenden. Sie sind dazu aber nicht verpflichtet. Letztlich ist es Aufgabe des TÜV, die Termine nach Tagen und Prüforten zu koordinieren. Aber zurück zum Urteil: Die Frage ist doch, warum hat der betroffene TÜV gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel eingelegt, zumal es, wie Sie sagen, bereits ein gegensätzliches Urteil gab?

Dr. Aull: Zur Entlastung der Gerichte hat der Gesetzgeber festgelegt, dass bei einem Streitwert von unter 600 € eine Berufung nur möglich ist, wenn das Gericht diese ausdrücklich zugelassen hat. Da das Gericht eine Berufung ausgeschlossen hatte und der Streitwert von 600 € nicht erreicht wurde, konnte der TÜV sich gegen das Urteil nicht wehren, sondern musste es hinnehmen.

FPX: Vielen Dank für dieses Gespräch.