CE Total 2011 - eine neue Form der Fortbildung

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juni/2011, Seite 350

zum Bericht "Neu: CE-Total 2011 - Hervorragend gelungener Start", FPX 05/2011, S. 276 ...

Mercedes stellte den Teilnehmern der neuen Fahrlehrerfortbildung „CE Total“ das ganze Fachwissen eines großen Lkw-Herstellers zur Verfügung. Darüber hinaus lud das Unternehmen, mit dem der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V. seit Jahrzehnten guten Kontakt pflegt, die Teilnehmer zu einem „Mercedes-Abend“ ein, bei dem u.a. für das leibliche Wohl der Teilnehmer bestens gesorgt war.

Ziel des Seminars war die Vertiefung der eigenen Fahrpraxis der Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer. Seit zwei Jahren werden bei den traditionellen CE-Seminaren konsequent Umfragen durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass viele Lkw-Fahrlehrer nur selten dafür Zeit haben, die eigenen Fähigkeiten als Lastzugfahrer zu intensivieren.

Wie ist mein Fahren?

Um Rückmeldungen über den eigenen Fahrstil zu erhalten, musste jeder Lastzug mit zwei Fahrern besetzt sein. Während der eine fuhr, hatte der andere Beobachtungsaufträge zu erfüllen. Dabei galt es, nicht nur das Verhalten des Fahrers, sondern auch das der anderen Verkehrsteilnehmer zu beobachten.

Schwerpunkt Landstraße

Bevor sie sich beim Mercedes-Abend stärken konnten, hatten die sieben Lastzugbesatzungen, eine Kollegin und 13 Kollegen, schon jeweils zwischen 500 und 600 Kilometer hinter dem Lenkrad gesessen. Am ersten Tag war Fahren auf Landstraßen der Schwerpunkt. Die Strecken konnten von den Fahrern frei gewählt werden. Alle Teilnehmer hatten wenige Tage vor dem Start die Beobachtungsaufträge per Post zugeschickt bekommen. Der Fahrer war aufgefordert, sich möglichst exakt an die jeweiligen Geschwindigkeitsregelungen zu halten und außerdem bei jeder sich bietenden Gelegenheit nachfolgenden schnelleren Fahrzeugen das Überholen zu ermöglichen. Aufgabe des jeweiligen Beifahrers war es unter anderem, die Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer zu notieren.

Wenig Gelegenheiten zum Ausscheren

Bei der Besprechung der Beobachtungen zeigte sich deutlich, dass es auch für gutwillige Trucker oft schwierig ist, geeignete Stellen zu finden, um Schnellere vorbeifahren zu lassen. Schließlich muss der Lastzug nach dem Anhalten auch wieder problemlos weiterfahren können. Selbst Bushaltestellen, außerorts ohnehin selten, eignen sich für einen 18 Meter langen Lastzug nicht in jedem Fall zum Anhalten. Hingegen wurden die häufig anzutreffenden Kreisverkehre gerne zum Ausweichen benutzt. Statt sofort an der „richtigen“ Ausfahrt den Kreisverkehr zu verlassen, genügte eine einmalige Umrundung, um den nachfolgenden Fahrzeugen das Vorbeikommen zu ermöglichen. Eine Erfahrung, die auf jeden Fall an künftige Lkw-Fahrer im Rahmen der Ausbildung weitergegeben werden kann.

Verkehrskontrolle

Am Ziel des ersten Tages, es war die altehrwürdige Stadt Wertheim, erwartete die Teilnehmer eine Überraschung: Polizeihauptkommissar Fritz, den meisten Teilnehmern kein Unbekannter, hatte zusammen mit Polizeiobermeister Torsten Brucker eine Verkehrskontrolle aufgebaut. Aus Zeitgründen war es allerdings nicht möglich, alle kurz nacheinander eintreffenden Lastzüge zu kontrollieren. So konnten nur die Daten der digitalen Kontrollgeräte von zwei der teilnehmenden Fahrzeuge heruntergeladen und später im Theorieteil ausgewertet werden. Bei einem Sattelkraftfahrzeug wurde auch die Ladung kontrolliert. Die Sicherung der Ladung war optimierungsfähig. Polizeiobermeister Brucker gab dazu einige gute Tipps. Gegen die Weiterfahrt am nächsten Tag hatte er freilich keine Einwände.

Durchschnittsgeschwindigkeiten maßgeblich für Routenplanung

Bei der Auswertung der Kontrollgeräte-Daten wiesen die beiden Polizeibeamten darauf hin, dass sie bei den Verkehrskontrollen nicht nur die Einhaltung der Lenkzeit überprüfen. Ein ganz besonderes Augenmerk gilt der gesamten Arbeitszeit. Verstöße in diesem Bereich führen immer auch zu Maßnahmen gegenüber den in den Unternehmen für die Arbeitsplanung Verantwortlichen, also insbesondere den Disponenten. Bei der Disposition der Routen dürfen als Durchschnittsgeschwindigkeiten maximal die um 20 km/h reduzierten zulässigen Höchstgeschwindigkeiten der jeweiligen Fahrtroute zugrunde gelegt werden. Bei langen Autobahnfahrten also eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h, bei Landstraßenabschnitten 40 km/h. Bei der Auswertung der Beobachtungsaufträge zeigte sich, dass diese Vorgaben durchaus realistisch sind.

Bußgeld plus Gewinnabschöpfung

Überschreitet ein Fahrer die zulässigen Lenkzeiten oder hält er die Ruhepausen nicht ein oder ignoriert er die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten, werden bei der Bußgeldzumessung nicht immer nur die in der jeweiligen Bußgeldbestimmung vorgegebenen Geldbußen verhängt. Die Behörde prüft, welchen zusätzlichen Gewinn das Unternehmen aus dem Verstoß gezogen hat und schöpft den so entstandenen zusätzlichen Gewinn ab. Dadurch kann ein Bußgeldbescheid durchaus in die Tausende gehen.

Digitales Kontrollgerät – Defizite der Fahrer

Die bei Verkehrskontrollen gewonnenen Erfahrungen der Polizeibeamten zeigen, dass viele Fahrer noch deutliche Wissensdefizite in der Bedienung des digitalen Kontrollgeräts und im Umgang mit der Fahrerkarte haben. Für engagierte CE-Fahrlehrer heißt das, die Fahrer im Rahmen der Weiterbildung nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz intensiv zu unterweisen. Darüber hinaus sind viele Betriebe daran interessiert, neue Fahrer korrekt in die Bedienung der Geräte einweisen zu lassen. Für in der Materie sattelfeste Fahrlehrer ist das eine gute Gelegenheit, diese Dienstleistungen anzubieten.

Fußmarsch in Wertheim

Nach einer halbstündigen interessanten Führung von der Polizeiakademie zur Altstadt von Wertheim konnten die Teilnehmer sich von den Anstrengungen des Tages erholen. Bei leckeren Speisen, einem kühlen Bier oder auch einem heimischen Rotwein kam es zu einem lebhaften Erfahrungsaustausch.

ACTROS PowerShift

Am zweiten Tag musste auf der Fahrt zur Zwischenetappe Wörth möglichst 250 Kilometer überwiegend auf Autobahnen gefahren werden. Die sonst sehr von Staus gebeutelte A6 zeigte sich von ihrer besten Seite. Alle Fahrzeuge trafen zur vorgegebenen Zeit im Lkw-Werk in Wörth ein, wo sich die Besatzungen zunächst an gutem Essen in der Werkskantine gütlich taten. Danach wollte Roland Schindeldecker, Profitrainer in der Fahrerinformation, von den Teilnehmern wissen, welche Themen sie besonders interessierten. Wunschgemäß widmete er den größten Teil seiner Informationen dem automatischen Getriebe des ACTROS (PowerShift) und dessen sinnvoller Bedienung. Dabei wies er darauf hin, dass inzwischen die noch vor Kurzem gegebene Empfehlung nicht mehr aufrechterhalten wird, bei Bedarf von Hand in die Automatik einzugreifen. Es hat sich herausgestellt, dass damit die meisten Fahrer überfordert sind. Sinnvoll sei es, nach dem Anfahren nicht mehr in die Schaltvorgänge einzugreifen, auch nicht an Steigungen. Die modernen MP-3-Fahrzeuge sind in der Lage, besser als jeder Fahrer den der jeweiligen Situation angepassten Gang zu wählen.

ECO-Roll-Funktion

Auch die ECO-Roll-Funktion hatte zunächst bei den Fahrern der neuen Fahrzeuge für Verwirrung gesorgt. Wenn alle von den Ingenieuren vorgegebenen Kriterien eingehalten sind, rollt das Fahrzeug nach Betätigen des entsprechenden Schalters in Neutralstellung. Entscheidend ist dabei, dass das Fahrzeug nicht von allein schneller wird (zum Beispiel im Gefälle) und auch weder der Fahrer noch der Tempomat beschleunigt oder bremst. Durch diese Funktion kann bis zu einem Prozent Kraftstoff eingespart werden. Allerdings waren die Fahrer trotz vorangegangener Einweisung verwirrt, wenn ihnen auf dem Display durch das Zeichen „N“ angezeigt wurde, dass die Automatik auf “Neutral” geschaltet hatte. Die Fahrer befürchteten, ihr Fahrzeug sei defekt. Seit statt des „N“ jetzt „ECO-ROLL (N)” angezeigt wird, ist diese Verunsicherung behoben.

Gekonntes Parken der Züge

Nach dem Theorieteil und einer Demofahrt, bei der die Teilnehmer den sinnvollen Einsatz moderner Fahrerassistenzsysteme kennenlernten, war eine letzte anspruchsvolle Aufgabe dieses Tages zu bewältigen: Die Züge mussten auf einem durch Pkw gut belegten Parkplatz abgestellt werden. Dabei war Maßarbeit angesagt. Schließlich waren aber alle Lastzüge korrekt geparkt. Im Theorieteil dieses Tages wurden die bisher gewonnenen Erfahrungen unter der Leitung von Peter Tschöpe ausgetauscht. Der Verbandsvorsitzende, der die Idee dieser Fortbildung entwickelt hatte und in die Planung direkt eingebunden gewesen war, ließ es sich nicht nehmen, an den beiden ersten Tagen mit den Seminarteilnehmern zu fachsimpeln. Die Erkenntnis, dass bei Landstraßenfahrten Ausweichmöglichkeiten für Lastzüge oft sehr dünn gesät sind, führte zu einer Diskussion, ob der Fahrlehrer in der Ausbildung darauf hinwirken soll, dass ein Lastzugfahrer nachfolgenden Pkw- oder Motorradfahrern durch Blinkzeichen zum Überholen auffordern solle. Am Ende waren sich alle einig, dass es aus Gründen der Sicherheit besser ist, auf diese Zeichen zu verzichten.

Sicherheitstraining

Am dritten Tag dann endlich das von allen mit Spannung erwartete Sicherheitstraining auf dem Hockenheimring. Mit den Lastzügen, mit Solo-Lkw oder der Sattelzugmaschine konnten die Teilnehmer Grenzerfahrungen sammeln. Das Abbremsen eines beladenen Lastzugs auf glatter Gefällestrecke erfordert volle Konzentration. Dabei wurde rasch klar, dass eine nur geringfügig zu hohe Geschwindigkeit (2 km/h) das Abfangen unmöglich macht. Alle Teilnehmer waren sich am Ende einig, dass dieses Training sie für ihre Aufgaben als Ausbilder neu sensibilisiert hat.

Schlussbesprechung

Beim gemütlichen Abendessen und noch lange danach fachsimpelten die Teilnehmer über ihre Erfahrungen. Bei der Schlussbesprechung am nächsten Vormittag unter Leitung des Nutzfahrzeugreferenten des Verbandes, Wolfgang Fischer, waren sich die Teilnehmer einig, dass dieses Seminar aus vielerlei Gründen zu neuen Einsichten geführt hat. Dann hieß es, sich wieder auf den Weg nach Hause zu machen. Die von Aachen angereisten Kollegen, Matthias und Sebastian von Helden (Vater und Sohn), hatten es richtig weit. Dagegen war der Heimweg für die baden-württembergischen Teilnehmer nur ein Klacks.

Peter Tschöpe