Fahrschul-Geschäftsführer: Gericht verneint Unternehmerstatus - Umgehung der Sozialversicherung gestoppt

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November/2011, Seite 616

Unternehmer sind unter bestimmten Voraussetzungen von der Sozialversicherungspflicht befreit. Der Gesetzgeber geht dabei von der Annahme aus, diese Personengruppe trage aus eigenem Interesse Vorsorge gegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit und für das Alter. Gesellschafter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) gelten als Unternehmer.

Ein junger Fahrlehrer verfügte noch nicht über die für Fahrschulinhaber erforderliche zweijährige Berufserfahrung. Weil er aber ganz schnell Inhaber einer eigenen Fahrschule sein wollte, gründete er zusammen mit einem älteren Kollegen eine GmbH. Der Neu-Fahrlehrer brachte 24.900 Euro, der Ältere 100 Euro als Stammkapital in die Gesellschaft ein.

Ein etwas zweifelhaftes Konstrukt

Beide Gesellschafter wurden zu Geschäftsführern bestellt, wobei der Ältere auch als verantwortlicher Leiter der Fahrschule fungierte. Im Gesellschaftsvertrag war vereinbart worden, dass in der Gesellschafterversammlung jeweils 50 Euro als eine Stimme gelten und für Gesellschafterbeschlüsse eine Mehrheit von 80 Prozent aller Stimmen erforderlich ist.

Unternehmerstatus verweigert

Nach Eintrag der GmbH ins Handelsregister wurde dem Unternehmen die Fahrschulerlaubnis erteilt. Um Kosten zu sparen, sollte sich der ältere Kollege als Unternehmer von der Sozialversicherungspflicht befreien lassen. Er beantragte bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren. Dabei wurde ihm die gewünschte Befreiung von der Sozialversicherungspflicht nicht zugestanden. Vielmehr wurde festgestellt, er sei als Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig.

Zu geringer Anteil

Begründet wurde die Entscheidung mit dem sehr geringen Anteil am Stammkapital. Damit verfüge er nicht einmal über eine Sperrminorität. Er könne deshalb auch nicht die Geschicke des Unternehmens unmittelbar beeinflussen. Außerdem spreche die Zusage fester Bezüge gegen die Unternehmereigenschaft. Im Geschäftsführeranstellungsvertrag war nämlich festgelegt worden, dass dem älteren Gesellschafter als Geschäftsführer ein festes Monatsgehalt in Höhe von 1.500 Euro zustehe und darüber jede gefahrene Fahrstunde mit 22 Euro (brutto) vergütet werde. Diese Vergütung wurde wenige Wochen nach der Unternehmensgründung auf 13 Euro (brutto) pro Fahrstunde herabgesetzt.

Widerspruch

Die GmbH legte gegen die Entscheidung der Clearingstelle Rechtsmittel ein. Schließlich musste sich das Sozialgericht Stuttgart mit der Frage auseinandersetzen, ob der ältere Gesellschafter, der zugleich auch Geschäftsführer ist, sozialversicherungsrechtlich gesehen Unternehmereigenschaft besitzt.

Schwache Analogie

Im Prozess trug die Gesellschaft zur Untermauerung der Unternehmereigenschaft vor, die Fahrschulerlaubnis sei schließlich dem verantwortlichen Leiter erteilt worden. Ohne diese wäre der Betrieb der Fahrschule gar nicht möglich gewesen. Diese These verwarf das Sozialgericht zu Recht. Die Richter führten dazu aus: "Als verantwortlicher Leiter hatte der Beigeladene zu 1) (gemeint ist der ältere Gesellschafter; die Red.) zwar insofern eine besondere Stellung im Unternehmen der Klägerin (der GmbH; die Red.), als er Gewähr für die Erfüllung der Pflichten nach § 16 FahrlG bieten musste. Faktisch gesehen war die Klägerin auch von der weiteren Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei ihr insofern abhängig, als dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum neben dem Beigeladenen zu 1) über keinen weiteren im Sinne des § 11 FahrlG geeigneten Geschäftsführer verfügte und die Fahrschulerlaubnis der Klägerin als juristische Person die Bestellung eines Geschäftsführers als verantwortlicher Leiter voraussetzte. Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Beigeladene zu 1) als bestellter verantwortlicher Leiter im Sinne des § 11 Absatz 2 FahrlG ohne Weiteres als eigentlicher Inhaber der Fahrschule der Klägerin und damit als nichtabhängig tätiger Gesellschafter zu betrachten war. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit eines Fahrlehrers als nicht-abhängige Beschäftigung reicht die Bestellung als verantwortlicher Leiter im Sinne des § 11 Absatz 2 FahrlG allein nicht aus, denn die Aufgabe als verantwortlicher Leiter im Sinne des § 11 Absatz 2 FahrlG kann bei einer GmbH auch von einem Fremdgeschäftsführer, der nicht zugleich Gesellschafter ist, wahrgenommen werden."

Zu der Frage, ob der ältere Fahrlehrer abhängig beschäftigt oder als Unternehmer einzustufen war, stellte das Sozialgericht in der Urteilsbegründung fest:

Aus dem Urteil

„Eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn setzt die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Tätigkeit. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist.“

Und weiter führte das Gericht aus: "Die Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter ist sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines nicht-abhängigen Verhältnisses möglich. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen. Bei den am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführern ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für den einzelnen Gesellschafter ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Während bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, regelmäßig eine abhängige Beschäftigung vorliegt, kann bei Geschäftsführern, die zugleich Gesellschafter sind, auch eine nicht-abhängige Tätigkeit vorliegen. Maßgeblich ist, ob ein geschäftsführender Gesellschafter über eine Mehrheit der Gesellschaftsanteile oder zumindest eine Sperrminorität verfügt. Andernfalls ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine Weisungsgebundenheit und persönliche Abhängigkeit ausschließen …

Zudem enthält weder der Anstellungsvertrag noch der Gesellschaftsvertrag Klauseln, nach denen der Beigeladene zu 1) in seiner Position als Geschäftsführer verpflichtet gewesen wäre, etwa im Fall einer wirtschaftlichen Krise Kapital nachzuschießen oder auf Teile seiner erfolgsunabhängigen Grundvergütung zu verzichten.

Der Beigeladene zu 1) hatte auch aufgrund des Kapitals kein erhebliches Unternehmerrisiko getragen. Wirtschaftlich gesehen hat der Beigeladene zu 1) die Geschäftsführertätigkeit immer für ein fremdes Unternehmen, das des Gesellschafters B, ausgeübt. Angesichts seines geringfügigen Anteils am Stammkapital (100 € von 25.000 €) war auch die allgemeine Gefahr eines GmbH-Gesellschafters, in einer Krisensituation der Gesellschaft faktisch gezwungen zu sein, in erheblichem Umfang Kapital nachzuschießen, um etwa eine Insolvenz der Gesellschaft zu verhindern, eher gering …

Der Beigeladene zu 1) war in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin insoweit Weisungen unterworfen, als er den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterlag. Gemäß § 1.2 des Anstellungsvertrages war der Beigeladene zu 1) dazu verpflichtet, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen, die der Beigeladene zu 1) mangels Sperrminorität nicht maßgeblich beeinflussen könnte.“

Zur Frage der abhängigen Beschäftigung stellt das Gericht schließlich fest: "Die Gesellschafterversammlung hat dem Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Art und Zeit der Tätigkeit tatsächlich nicht ständig Weisungen zu erteilen. Dieser Umstand steht jedoch einer Weisungsunterworfenheit nicht entgegen. Denn das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und ‚zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess‘ verfeinert sein, wenn der Versicherte in den Betrieb eingegliedert ist … So liegt der Fall auch hier. Weisungen wurden dem Beigeladenen zu 1) insoweit nicht erteilt, als dieser über Branchenkenntnisse als Fahrlehrer und Fahrschulinhaber verfügte, die es der Klägerin überflüssig machten, den Beigeladenen zu 1) bei seiner Tätigkeit bei der Klägerin ständig anzuweisen. Der Beigeladene zu 1) hat dabei dienend am Arbeitsprozess des Fahrschulbetriebs der Klägerin teilgenommen.“

Folgerungen

Die Ausführungen des Sozialgerichts zur sozialversicherungsrechtlichen Stellung von Mitarbeitern sind analog auch für die Beurteilung der Beschäftigung von Fahrlehrern als sog. freie Mitarbeiter maßgebend.

Peter Tschöpe