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Realisierung des Kraftverkehrsbinnenmarktes – GüKG und PBefG werden angepasst

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Oktober/2011, Seite 538

Die Europäische Union hat mit der Marktzugangsverordnung (VO (EG) 1072/2009) vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, der Verordnung über den Zugang zum Markt des Straßenpersonenverkehrs (VO (EG) 1073/2009) und der Berufszulassungsverordnung (VO (EG) 1071/2009) den grenzüberschreitenden Verkehrsmarkt grundlegend neu geregelt.

Die Regelungen über die Kabotage sowie eine Änderung der wöchentlichen Ruhezeiten für Busfahrer im grenzüberschreitenden Personenverkehr traten bereits zum 1. August 2010 in Kraft (siehe FPX 10/2010, S. 531). Die übrigen Teile des sogenannten Road Package, die ab 4. Dezember 2011 gelten, erfordern weitere Änderungen des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) und des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Die Bundesregierung hat am 15. April 2011 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt.

Europäische Rechtsverordnungen entfalten, anders als Richtlinien, unmittelbare Wirkung. Weil hier jedoch bestehende deutsche Gesetze berührt sind, ist gesetzgeberisches Handeln unumgänglich. Nicht zuletzt auch, um Spielräume der Verordnungen auszuloten. Überdies muss sichergestellt werden, dass die deutschen Verwaltungen die sich aus der neuen Rechtslage ergebenden Anforderungen praktisch erfüllen können. Die neuen Vorschriften bringen vor allem auch für die Unternehmen zahlreiche Veränderungen mit sich.

Gemeinschaftslizenz

Artikel 4 der Marktzugangsverordnung (EG) 1072/2009 sieht vor, dass die Gemeinschaftslizenz künftig für die Dauer von bis zu zehn Jahren erteilt wird. Mit der geplanten Neuregelung des Güterkraftverkehrsgesetzes wird die Güterkraftverkehrserlaubnis künftig mit einer Geltungsdauer von 10 Jahren (bisher 5) erteilt.

Verkehrsleiter

Ab dem 4. Dezember müssen die Unternehmen zwingend einen Verkehrsleiter benennen. So sieht es Artikel 4 Absatz 1 der Berufszulassungsverordnung (EG) 1071/2009 vor. Diese Position kann der Unternehmer selbst einnehmen, oder er kann diese Aufgabe einem fachkundigen Mitarbeiter übertragen. Die für die fachliche Eignung erforderlichen Kenntnisse sind im Anhang I der Berufszulassungsverordnung aufgeführt.

Neu ist, dass sich Unternehmen des Güterkraftverkehrs und Kraftomnibusverkehrs künftig auch externer Verkehrsleiter bedienen können, wenn sie selbst nicht über die erforderliche fachliche Eignung verfügen. Externe Verkehrsleiter dürfen höchstens vier Unternehmen mit einer Flotte von insgesamt höchstens 50 Fahrzeugen leiten. Nach Artikel 4 Absatz 2 der VO (EG) 1071/2009 müssen Verkehrsleiter ihren ständigen Aufenthalt in einem Staat der Europäischen Union haben.

Strengere Maßgaben der Zuverlässigkeit

Anhang IV zu Artikel 6 der Verordnung (EG) 1071/2009 enthält eine Liste besonders schwerer Verstöße gegen Gemeinschaftsregeln, die zur Aberkennung der Zuverlässigkeit führen können. Zu diesen Verstößen zählt beispielsweise die Überschreitung der 6-tägigen oder 14-tägigen Höchstlenkzeit um 25 Prozent. Die nationale Behörde kann in den einzuleitenden Verwaltungsverfahren nur dann von der Aberkennung absehen, wenn sich diese als unverhältnismäßig darstellen würde. Wird die Zuverlässigkeit aberkannt, muss das Unternehmen einen neuen Verkehrsleiter bestimmen, ansonsten droht die Entziehung der Lizenz.

Risikoeinstufungssystem

Die Einhaltung der Berufszugangskriterien muss regelmäßig geprüft werden. Hierbei wird von der bisher im Abstand von fünf Jahren erfolgten zu einer zielgerichteten Kontrolle übergegangen. Für mehr Transparenz bei der Kontrolle soll eine Ausdehnung des Risikoeinstufungssystems auf alle Verstöße gegen relevantes EU-Recht sorgen. Dabei sind nicht nur die in Artikel 6 der VO (EG) 1071/2009 genannten Verstöße nach Schwere und Häufigkeit maßgebend. Einbezogen werden vielmehr auch die Einhaltung des Straßenverkehrs- und Führerscheinrechts sowie die Fahrerqualifikation. Unternehmen mit einer hohen Risikoeinstufung sollen künftig häufiger und strenger kontrolliert werden.

Europaweite Unternehmensregister

Zur Durchführung der Berufszugangsverordnung müssen die Mitgliedstaaten bis Ende 2011 einzelstaatliche elektronische Unternehmensregister aufbauen. Mittels dieser sollen alle Informationen über den Unternehmer sowie Name und Anschrift des Verkehrsleiters veröffentlicht werden. In einem nur den Behörden zugänglichen Register sollen schwerwiegende Verstöße, gewerberechtliche Maßnahmen sowie Verkehrsleiter aufgeführt werden, denen die Zuverlässigkeit aberkannt wurde. In einem Ende 2012 folgenden zweiten Schritt sollen über eine nationale Kontaktstelle Informationen europaweit ausgetauscht werden, sodass jede europäische Lizenzbehörde Einblick in jedes Register nehmen kann. Das Bundesamt für Güterverkehr wird die Kontaktstelle in Deutschland sein.

EU-Recht und PBefG

Die Regelungen der europäischen Berufszugangsverordnung gelten beim Verkehr mit Kraftomnibussen unmittelbar. Hingegen gelten für den Berufszugang beim Verkehr mit Straßenbahnen oder beim Verkehr mit Personenkraftwagen weiterhin die Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG).

Abzuwarten bleibt, ob es inhaltlich bei den vorliegenden Entwürfen bleibt und ob die Neufassungen des Güterkraftverkehrsgesetzes und des Personenbeförderungsgesetzes tatsächlich am vorgegebenen Stichtag (4. Dezember 2011) in Kraft treten.

Ralf Nicolai

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Nachträglicher Hinweis der Redaktion, veröffentlicht in FPX 01/2012, S. 29:

Die hier beschriebenen Neuregelungen wurden am 25. November 2011 mit dem „Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes und des Personenbeförderungsgesetzes“ im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. Teil I Nr. 59, Seite 2272) und traten am 26. November 2011 in Kraft.