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Urteil zur Festlegung von Prüforten: Anspruch von Fahrschulen verneint

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Oktober/2011, Seite 569

„Die Festlegung der Prüforte für die Fahrerlaubnisprüfung dient ausschließlich dem Interesse der Verkehrssicherheit und hat sich daher allein an den Notwendigkeiten von Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu orientieren.“

Dieser Satz findet sich in der Begründung zum Beschluss des VGH Kassel vom 26.04.2010 (2 A 1821/09.Z). Das zuständige Regierungspräsidium hatte in einem Schreiben an die Technische Überwachung Hessen festgelegt, dass künftig in einem bestimmten, im Urteil nicht näher genannten Ort, hier „Gemeinde S“ genannt, keine praktischen Fahrerlaubnisprüfungen mehr abgenommen werden dürfen. Durch diese Entscheidung sah eine dort ansässige Fahrschule die Rechte ihres eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs verletzt.

Geschäftsrückgang

Die Fahrschule begründete ihre Auffassung mit einem deutlichen Schülerrückgang gegenüber dem vorherigen Stand. Grund: Ihre potenziellen Kunden meldeten sich bei Fahrschulen an, die ihren Sitz an einem Prüfort haben. Der Fahrschulinhaber machte weiterhin geltend, es sei ihm aus organisatorischen Gründen nicht möglich, seine Kunden an den verschiedenen Prüforten in der Umgebung zur Prüfung vorzustellen. Auch durch die Eröffnung einer Zweigstelle in einem anderen Ort könne er diesen Rückgang nicht ausgleichen. Seine Kunden, die in der Gemeinde S wohnen, hätten gesellschaftliche bzw. schulische Beziehungen zu mehreren Städten und möglichen Prüforten in der Umgebung. Es sei ihm schon aus Kostengründen nicht zumutbar, in all diesen Orten jeweils eine Zweigstelle einzurichten. Wolle er die Schüler an den in Betracht kommenden Prüforten ausbilden, würden die zwangsläufig erforderlichen Leerfahrten hohe zusätzliche Kosten verursachen. Damit sei aber ein wirtschaftlicher Betrieb der Fahrschule nicht mehr möglich.

Prüfort: Kein Anspruch der Fahrschule

Der Verwaltungsgerichtshof stufte die Entscheidung der Behörde, die Gemeinde S künftig nicht mehr als Prüfort zuzulassen, als reinen Organisationsakt der Behörde ein, der gegenüber der Fahrschule keine Außenwirkung entfalte. Die Fahrschule sei allenfalls mittelbar von dieser Organisationsentscheidung betroffen. Zwar könne die Entscheidung dazu führen, dass künftig Fahrschüler andere Fahrschulen mit Sitz an einem Prüfort bevorzugten. Darauf ziele aber die Organisationsentscheidung nicht ab. Die Festlegung der Prüfungsorte gemäß § 17 Absatz 4 Satz 2 FeV richte sich nicht an die Fahrschulen, sondern an die mit der Durchführung der Fahrerlaubnis betrauten Behörden. Ein Anspruch einer Fahrschule auf Durchführung der Fahrprüfung an bestimmten Prüforten bestehe nicht.

Was Artikel 14 GG nicht schützt

Der Verwaltungsgerichtshof stellte außerdem klar:

"Das Recht an einem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist durch Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz geschützt. Dieses Recht schützt jedoch nur die Substanz der Sach- und Rechtsgesamtheit des betroffenen Betriebes. Die allgemeinen Gegebenheiten und Chancen, innerhalb derer ein Unternehmer seine Tätigkeit entfaltet und die keinen Bezug zu einem bestimmten einzelnen Gewerbebetrieb haben, auch wenn sie für das Unternehmen und seine Rentabilität von erheblicher Bedeutung sind, sind nicht geschützt. Nicht zum Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gehören künftige Verdienstmöglichkeiten und in der Zukunft liegende Chancen. Ebenfalls nicht geschützt wird die Erwartung, dass ein Unternehmen auch in Zukunft rentabel betrieben werden kann. Auch bestehende Geschäftsbeziehungen und der erworbene Kundenstamm werden als solche nicht erfasst."

Der Verwaltungsgerichtshof wies auch darauf hin, dass bei der erstmaligen Bestimmung eines Prüfortes den davon betroffenen Fahrschulen keine subjektiven Rechte vermittelt werden.

Die betroffene Fahrschule führte in ihrer Klage auch an, dass anderen Orten mit vergleichbaren Verkehrssituationen der Status des Prüfortes nicht aberkannt worden war. Daraus sei zu folgern, die Entscheidung der Behörde verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Absatz 1 Grundgesetz. Auch in diesem Punkt verwarf der Verwaltungsgerichtshof die Klage der Fahrschule.

Gleichbehandlung im Unrecht?

"Allein der Umstand, dass eventuell auch andere Prüforte nicht sämtliche Kriterien erfüllen, die bei sachverständiger Würdigung an die Auswahl von Prüforten für die Durchführung der Fahrprüfung zu stellen sind, vermittelt noch keinen Anspruch auf Aufhebung der getroffenen Entscheidung. Eine solche Aufhebung käme nur dann in Betracht, wenn die angefochtene Maßnahme sich als willkürlich erweisen würde. Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die beklagte Behörde (das Regierungspräsidium) hat ihre Entscheidung im Einklang mit den in § 17 Absatz 4 Satz 3 FeV geregelten Kriterien, die ein Prüfort erfüllen muss, getroffen … In nachvollziehbarer Weise ist die beklagte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass in der Gemeinde S die an einen Prüfort zu stellenden Anforderungen nur unzureichend erfüllt werden. Selbst wenn andere Prüforte ebenfalls die in § 17 Absatz 4 Satz 3 FeV geregelten Anforderungen nicht erfüllen sollten, ist die Entscheidung, in der Gemeinde S keine praktischen Fahrerlaubnisprüfungen mehr durchzuführen, rechtlich nicht zu beanstanden …“

Die Argumentation der Fahrschule, dass auch andere Prüforte Defizite im Hinblick auf die zu stellenden Anforderungen aufwiesen und die Gemeinde S deshalb Prüfort bleiben müsse, läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass sie eine Gleichbehandlung im Unrecht für sich reklamiert. Ein solcher Anspruch wird aber durch Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz grundsätzlich nicht geschützt.

Wie ist es in Baden-Württemberg?

In Baden-Württemberg hat das in den neunziger Jahren dafür zuständige Innenministerium die Prüforte neu bestimmt. Die damals getroffenen Entscheidungen sind aber nicht unumstößlich. Wenn sich die Verkehrssituation eines Ortes deutlich verändert, kann das Auswirkungen auf die Anerkennung als Prüfort haben. Erst vor wenigen Wochen hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur entschieden, dass in Neckarsteinach keine Prüfungen der Lkw- und Busklassen mehr durchgeführt werden dürfen. Sinnvollerweise wurde vor dieser Entscheidung sowohl den betroffenen Fahrschulen als auch dem TÜV Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben.

Analoge Bedeutungen des Urteils

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Kassel lassen sich auch auf die Bestellung von Prüfern bzw. Sachverständigen für die Seminarüberwachung durch den Treuhandverein übertragen. Fahrschulen haben keinen Rechtsanspruch darauf, dass die mit der Überwachung der Fahrschule beauftragten Personen in unmittelbarer Nähe zur Fahrschule wohnen. Die Tatsache, dass die Reisekosten bei der Überwachung unterschiedlich sind, bedeutet keine Ungleichbehandlung der Fahrschulen. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Pauschalierung der Kosten für unzulässig erklärt.

Peter Tschöpe