EDITORIAL Prüfungsfahrt: Verantwortung und Feedback

Peter Tschöpe, Vorsitzender des FLVBW

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe September/2011, Seite 475

Verehrte Leserinnen und Leser,

in vielen Ländern hat der Fahrlehrer keinen Sitz im Prüfungsauto. Noch seltener aber sitzt er – wie in Deutschland – als rechtlich verbriefter Muss-Begleiter neben dem Fahrschüler. Einmal, in den 70er-Jahren, wackelte die tradierte Position ein wenig, weil rheinische TÜV-Granden die Bonner Regierung davon zu überzeugen suchten, ohne den Fahrlehrer gewinne die praktische Fahrerlaubnisprüfung an Objektivität. Die Bundesvereinigung und die in ihr organisierten Fahrlehrerverbände wehrten die Attacke mit überzeugenden Gegenargumenten ab, die bis heute ungeminderte Gültigkeit besitzen: Zum Ersten geht es um die in der Prüfungssituation immer wieder neu zu gewinnenden Erkenntnisse, die den Fahrlehrer in seiner täglichen Arbeit weiterbringen. Jeder Fahrlehrer und jede Fahrlehrerin kann ein Lied davon singen, wie unter Prüfungsdruck aus bis dahin leistungsstarken Fahrschülern schwache Prüflinge werden. Auch das Gegenteil kommt vor, dass nämlich Wackelkandidaten in der Prüfung über sich selbst hinauswachsen.  Prüfungserfahrungen sind, um es einmal neudeutsch auszudrücken, ein in mehrfacher Hinsicht wichtiges Feedback für den Fahrlehrer, das er nur als unmittelbarer „Prüfungszeuge“ erlangen kann.

Zum Zweiten hat der mitfahrende Fahrlehrer die Aufgabe, den Insassen des Prüfungsfahrzeugs oder anderen Verkehrsteilnehmern drohende Gefahren durch rechtzeitiges Eingreifen abzuwehren. Gelegentlich wird hierzu von Sachverständigen moniert, einzelne Fahrlehrer griffen sehr spät, manchmal auch zu spät ein. Fährt ein Bewerber mit 30 km/h äußert knapp an geparkten Fahrzeugen vorbei, ist der Fahrlehrer kaum in der Lage, den Streifschuss zu verhindern, wenn der Bewerber kurz das Lenkrad nach rechts verreißt. Ist es Sorglosigkeit oder Überschätzung des Prüflings, wenn Fahrlehrer mit dem Eingreifen zu lange warten? Manchmal mag das Zögern auch von der Sorge herrühren, der Sachverständige könnte das Nichtbestehen mit dem Eingreifen des Fahrlehrers statt mit dem Fehler des Bewerbers begründen. Aber selbst wenn es so wäre, könnte das ein gefährliches Zaudern des „gesetzlichen Fahrzeugführers“ rechtfertigen? Eine Frage, die sich aus der Praxis heraus immer wieder einmal stellt.

Ich würde mich freuen, wenn Sie uns dazu Ihre Erfahrungen und Ihre Meinung mitteilen würden.

Mit besten Grüßen

Ihr

Peter Tschöpe