Fahrlehrerrecht: Freie Fahrt für „freie Mitarbeiter“?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe September/2011, Seite 480

Die Bestimmungen des Fahrlehrerrechts über die Beschäftigung von Fahrlehrern dienen der ordnungsgemäßen Ausbildung der Fahrschüler. Die für Unselbstständige geltenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen gewährleisten den Mitarbeitern sozialen Schutz.

Nach Paragraf 1 Absatz 4 FahrlG darf von der Fahrlehrerlaubnis nur in Verbindung mit einer Fahrschulerlaubnis Gebrauch gemacht werden. Die Ausbildung von Personen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis nach § 2 StVG ist danach nur Fahrlehrern erlaubt, die entweder eine Fahrschulerlaubnis besitzen oder in einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Fahrschule stehen. Etwas anderes lässt das Fahrlehrergesetz nicht zu. Einerseits soll damit im Interesse der Verkehrssicherheit eine umfassende, den Anforderungen der Fahrschüler-Ausbildungsordnung entsprechende Ausbildung der Fahrschüler sichergestellt werden. Andererseits soll auch für die Kunden der Fahrschule klar sein, wer letztlich für ihre Ausbildung verantwortlich ist und an wen sie sich bei Problemen wenden können. Und schließlich stellen diese Bestimmungen die Verantwortlichkeit des Fahrschulinhabers/verantwortlichen Leiters gegenüber der Aufsichtsbehörde klar.

Anzeigepflichten

Der Gesetzgeber verpflichtet zum einen den beschäftigten Fahrlehrer, den Beginn und das Ende eines Beschäftigungsverhältnisses unververzüglich im Fahrlehrerschein eintragen zu lassen (§ 5 Absatz 2 FahrlG); zum anderen ist der Fahrschulinhaber verpflichtet, die Erlaubnisbehörde über den Beginn und das Ende eines Beschäftigungsverhältnisses zu informieren (§ 17 Nr. 2 FahrlG). Die Vorlage des Arbeitsvertrags kann von der Behörde nicht verlangt werden.

Arbeitsvertrag

Ein schriftlicher Arbeitsvertrag – sinnvollerweise nach dem Muster der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. – ist dringend zu empfehlen, obwohl er gesetzlich nicht vorgeschrieben ist (das Muster sowie weitere Infos zum Thema finden Sie hier ...). Allerdings ist, falls kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wird, der Arbeitgeber nach dem „Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen“ vom 20.07.1995 verpflichtet, dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Beginn der Beschäftigung schriftlich die wesentlichen Inhalte des Beschäftigungsverhältnisses mitzuteilen (siehe Auszug aus Nachweisgesetz unten ...).

Wann beginnt, wann endet ein Beschäftigungsverhältnis?

Die Frage, wann ein Beschäftigungsverhältnis beginnt, ist leicht zu beantworten. Es ist auf jeden Fall der erste Arbeitstag, sofern nicht im Arbeitsvertrag ein früherer Beginn festgelegt ist. Unklar ist aber immer wieder, ob ein Beschäftigungsverhältnis beendet wurde oder ob es nur vorübergehend nicht ausgeübt wird, es also ruht. Das Beschäftigungsverhältnis ist auf jeden Fall beendet, wenn der Mitarbeiter oder der Arbeitgeber oder beide dies so wollen und gekündigt haben. Die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses muss, auch wenn kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt, auf jeden Fall schriftlich erfolgen. Eine mündliche Kündigung, einerlei, ob vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer ausgesprochen, ist nicht rechtswirksam.

Mitteilung an die Erlaubnisbehörde

Wird ein Beschäftigungsverhältnis beendet, sind beide, der Fahrlehrer und der Fahrschulinhaber, zur Mitteilung an die Behörde verpflichtet. Der Fahrlehrer muss außerdem unverzüglich nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der zuständigen Behörde seinen Fahrlehrerschein zur Streichung des Beschäftigungsverhältnisses vorlegen. Sind sich Fahrschulinhaber und Fahrlehrer einig, dass das Beschäftigungsverhältnis nur vorübergehend ruhen und bei Bedarf wieder aufgenommen werden soll, ist eine Mitteilung an die Behörde nicht erforderlich. In diesen Fällen bleibt das Beschäftigungsverhältnis im Fahrlehrerschein eingetragen.

Pflichten des Fahrschulinhabers/ Ausbildungsplanung

Nach § 16 Absatz 1 FahrlG ist der Fahrschulinhaber oder der verantwortliche Leiter verpflichtet, die beschäftigten Fahrlehrer gründlich in die Aufgaben einer Fahrschule einzuführen und sie bei der Ausbildung von Fahrschülern sachgerecht anzuleiten und zu überwachen. Diese Regelungen stellen in aller Deutlichkeit die zentrale Verantwortung des Fahrschulinhabers/verantwortlichen Leiters für die ordnungsgemäße Ausbildung der Fahrschüler heraus. Die theoretische und praktische Ausbildung müssen sich konzeptionell aufeinander beziehen und sind im Verlauf der Ausbildung miteinander zu verknüpfen (§ 2 Fahrschüler-Ausbildungsordnung). Zur theoretischen Ausbildung gehört sowohl der Grundstoff als auch der jeweilige klassenspezifische Zusatzstoff. Die praktische Ausbildung besteht aus zwei Teilen, nämlich aus der Grundausbildung und aus den besonderen Ausbildungsfahrten. Die Ausbildung ist nur dann vollständig und entspricht den gesetzlichen Vorgaben, wenn alle Teile ineinandergreifend unterrichtet wurden. Das setzt voraus, dass alle in einer Fahrschule tätigen Lehrer nach dem gleichen Ausbildungsplan arbeiten.

Nachweise, Organisationsstruktur, Weisungsbindung

Der Fahrschulinhaber ist weiterhin dafür verantwortlich, dass die beschäftigten Fahrlehrer die in § 6 Absatz 2 FahrlG vorgegebenen Zeiten einhalten und ihrer Fortbildungspflicht nachkommen (§ 16 Absatz 2 FahrlG). Daraus folgert für den Fahrschulinhaber, für jeden Fahrlehrer Tagesnachweise führen zu müssen (§ 18 Absatz 2 FahrlG). Das Ausfüllen der Tagesnachweise kann dem angestellten Fahrlehrer übertragen werden, der das praktischerweise auch tun wird. Gleichwohl ist der Fahrschulinhaber für die korrekte Führung der Tagesnachweise der beschäftigten Fahrlehrer verantwortlich. Überdies hat der Gesetzgeber dem Fahrschulinhaber – nicht etwa dem ausbildenden Fahrlehrer – die Aufgabe übertragen, die für die Fahrerlaubnisprüfung erforderlichen Ausbildungsbescheinigungen auszustellen. Das ist neben der Festlegung der Unterrichtstermine für den theoretischen Unterricht und der Terminierung der Prüfungen ein deutliches Merkmal dafür, dass jeder beschäftigte Fahrlehrer in die Organisations- und Weisungsstruktur der Fahrschule eingebunden sein muss. Weil das rechtlich eindeutig ist, kann ein Fahrlehrer nicht als freiberuflicher Subunternehmer tätig sein, es sei denn, er bricht das Gesetz.

Die Berufsordnung aufweichen?

Gewisse Kreise haben zu allen Zeiten versucht, die bewährten Regelungen des Fahrlehrergesetzes aufzuweichen, um freie Mitarbeiter legal beschäftigen zu können. Angeblich könne damit mehr Flexibilität der Ausbildung, Entlastung der Unternehmen und zugleich eine höhere Vergütung der Fahrlehrer erreicht werden. Diese Thesen sind durch nichts belegt, aber durch frühere illegale „unternehmerische“ Aktivitäten eindeutig widerlegt.

Höhere Flexibilität der Ausbildung?

Die Protagonisten des freien Mitarbeiters wollen, dass sich Fahrlehrer auch ohne Fahrschulerlaubnis zusammenschließen dürfen und dabei jeder auf eigene Verantwortung und eigene Rechnung in bestimmten Ausbildungssparten tätig sein kann. Wer eine solche „Liberalisierung“ will, muss sich über die Folgen im Klaren sein: Das Rechtsgebilde Fahrschulerlaubnis wäre de facto außer Kraft gesetzt. Wie in der Zeit zwischen 1964 und 1969, als die Fahrschulerlaubnis wegen mangelnder gesetzlicher Deckung per Gerichtsbeschluss kassiert worden war, könnte jeder Laie eine Fahrschule eröffnen, ohne für die Ausbildung verantwortlich zu sein.

Der erste Schritt auf diesem verhängnisvollen Weg ist das Ansinnen einzelner Fahrlehrer, es Fahrschülern freizustellen, einzelne Teile der Ausbildung in verschiedenen Fahrschulen zu absolvieren. Also z.B. den Unterricht des Grundstoffs für Klasse B bei der Fahrschule Maier zu besuchen, den für den Zusatzstoff bei der Fahrschule Schulze. Die Forderung wird mit fadenscheiniger Verbraucherfreundlichkeit begründet. Doch in Wahrheit geht es nicht um die Verbraucher, sondern darum, nicht vorhandene Ausbildungsbefugnisse durch geschicktes Taktieren mit freien „Partnern“ zum eigenen geschäftlichen Nutzen überspielen zu können. Die davon ausgehenden Risiken und Verwerfungen haben die Mitglieder des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. erkannt und sich auf ihrer letzten Mitgliederversammlung eindeutig für die Erhaltung der Einheitlichkeit der Ausbildung und der Verantwortung des Fahrschulinhabers ausgesprochen.

Aber: Die Gemeinschaftsfahrschule reformieren

Hingegen sprechen sich die Mitglieder für eine angemessene Reform der Gemeinschaftsfahrschule aus. Bei anstehenden Neuregelungen des Fahrlehrerrechts ist deshalb zu prüfen, ob künftig Fahrschulinhabern mit unterschiedlichen Fahrschulerlaubnisklassen die Gründung einer Gemeinschaftsfahrschule gestattet werden sollte. In diesem Fall müsste die Gemeinschaftsfahrschule eine eigene Fahrschulerlaubnis bekommen. Des Weiteren müsste einer der Gesellschafter als verantwortlicher Leiter bestellt werden, der fahrlehrerrechtlich auch gegenüber den Mitgesellschaftern weisungsberechtigt wäre. Die Fahrschulerlaubnis der Gemeinschaftsfahrschule könnte freilich nur die Klassen umfassen, für die der verantwortliche Leiter die Fahrlehrerlaubnis besäße. Wirtschaftlich und haftungsrechtlich wären die Gesellschafter nach wie vor in vollem Umfang für alle geschäftlichen Tätigkeiten verantwortlich.

Entlastung der Unternehmen?

Der Fahrschulinhaber muss bei Beschäftigung von angestellten Fahrlehrern neben den genannten fahrlehrerrechtlichen Aufgaben die lohnsteuer- und sonstigen abgabenrechtlichen Vorschriften beachten. Das alles macht zweifellos Arbeit, die man sich bei Beschäftigung sog. freier Mitarbeiter größtenteils ersparen könnte. Damit, so die Befürworter des freien Mitarbeiters, könnte die Wirtschaftlichkeit der Fahrschule erhöht werden, weil weniger Verwaltungsarbeit anfiele und die Lohnnebenkosten wegfielen. Übersehen oder eher bewusst verschwiegen wird aber, dass die Vergütung für freie Mitarbeiter entsprechend angepasst werden müsste, wenn der nicht eines Tages im sozialen Elend landen sollte.

Dazu ein Rechenbeispiel: Bei einer Umfrage unter angestellten Fahrlehrern (siehe FPX Feb. 2011, Seite 96 ff.) wurde die durchschnittliche Vergütung pro Unterrichtseinheit mit brutto 11,76 Euro angegeben. Einmal aufgerundet 12 Euro bei 230 Unterrichtseinheiten zu 45 Minuten pro Monat angenommen (= 40 Stunden à 60 Minuten pro Woche), ergibt das ein monatliches Einkommen von 2.760 Euro. Davon sind etwa 40 Prozent (= 1.104 Euro) für Sozialabgaben abzuführen, wovon der Arbeitgeber die Hälfte (= 552 Euro) trägt. Außerdem bezahlt der Arbeitgeber voll die Beiträge zur Berufsgenossenschaft, wodurch die Mitarbeiter gegen Arbeits- und Wegeunfälle versichert sind. Schließlich bezahlt der Arbeitgeber dem Mitarbeiter für 12 gesetzliche Feiertage, für den mindestens 24 Werktage umfassenden Erholungsurlaubs und auch während einer eventuellen Krankheit den Lohn. Addiert kommen so gesetzliche Lohnnebenkosten von ca. 55 Prozent zusammen. Zahlt der Arbeitgeber zusätzliche freiwillige Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld und Zuschüsse zu einer betrieblichen Altersversorgung, steigen die Lohnnebenkosten schnell auf 60 und mehr Prozent.

Ein Nullsummenspiel

Wer Fahrlehrer als freie Mitarbeiter beschäftigen und nicht sozial ausbeuten wollte, müsste diese gerechterweise entsprechend angepasst entlohnen. Es wären also statt 12 Euro mindestens 18,60 Euro pro 45 Minuten zu zahlen. Nur so könnte der freie Mitarbeiter für seine persönliche Absicherung sorgen. Der Mitarbeiter hätte netto keinen Cent mehr, und für den Arbeitgeber bliebe auch nicht mehr Ertrag.

Fazit?

Was bleibt? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Vergütung eines freien Mitarbeiters nicht höher sein würde als die Bruttovergütung eines angestellten Fahrlehrers. Das heißt, der freie Mitarbeiter wäre gar nicht frei. Er wäre ungesichert dem Risiko der Arbeitslosigkeit ausgesetzt und überdies nicht einmal in der Lage, sich sozial wie ein angestellter Fahrlehrer abzusichern. Aber selbst wenn ihm eine angemessene Vergütung bezahlt würde, bliebe noch das große Risiko, dass diese freien Mitarbeiter sich nur mit Mindestbeiträgen versichern und später vom Steuerzahler ausgehalten werden müssen.

Peter Tschöpe

 

Nachweisgesetz (NachwG) – Auszug

§ 2 Nachweispflicht

(1) Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:

  1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
  2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
  3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
  4. der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann,
  5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
  6. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit,
  7. die vereinbarte Arbeitszeit,
  8. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
  9. die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,
  10. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Bei Arbeitnehmern, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ausüben, ist außerdem der Hinweis aufzunehmen, dass der Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung die Stellung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers erwerben kann, wenn er nach § 5 Absatz 2 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch auf die Versicherungsfreiheit durch Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber verzichtet.

...

(4) Wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, entfällt die Verpflichtung nach den Absätzen 1 und 2, soweit der Vertrag die in den Absätzen 1 bis 3 geforderten Angaben enthält.