Überführung eines Kfz ins Ausland - Geht das mit rotem Kennzeichen?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe April/2012, Seite 199

In der Anordnung gegen einen französischen Staatsbürger, an einem Aufbauseminar teilzunehmen, waren drei Verstöße mit insgesamt 15 Punkten aufgeführt: zweifacher Kennzeichenmissbrauch und einmal Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

In der ersten Sitzung schilderte der französische Geschäftsmann, der in Frankreich lebt und arbeitet und einen französischen Führerschein besitzt, die Gründe der Anordnung. Er betreibe seit Jahren in Frankreich einen Handel mit außergewöhnlichen gebrauchten US-Fahrzeugen. Die kaufe er in Frankreich und Deutschland auf und überführe sie in seine Werkstatt in der Nähe von Straßburg. Dort repariere er die Fahrzeuge, um sie später wieder zu verkaufen. So viel zu seinem Geschäft. 

Mit rotem französischem Kennzeichen

Sofern Fahrzeuge nicht mehr zugelassen waren, benutzte er ein von der französischen Präfektur zugeteiltes französisches Überführungskennzeichen. Das entspricht im Grunde unserem roten Kennzeichen. Auf einer der Fahrten hatte er einen kleinen Unfall, bei dem ein anderes Fahrzeug beschädigt wurde. Die Polizei nahm den Schaden auf. Seine Versicherung regulierte den Schaden.

Rotes Kennzeichen – Strafbefehl

Auf einer weiteren Fahrt geriet er in Deutschland in eine Polizeikontrolle. Die Beamten beanstandeten das französische Überführungskennzeichen. Sie leiteten ein Strafverfahren wegen Kennzeichenmissbrauchs ein, das ihm einen Strafbefehl über 500 € einbrachte. Der französische Unternehmer bezahlte die Strafe. Ihm war nicht bewusst, dass die Strafe im Verkehrszentralregister erfasst und mit sechs Punkten belegt wird. Einige Monate später wurde er in einer Autobahnbaustelle bei 33 km/h über Limit geblitzt. Bald danach erhielt er von der zuständigen Behörde Mitteilung, dass sein Punktekonto in Flensburg auf 9 angeschwollen ist. Zugleich wurde ihm die freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar empfohlen.

Entziehung der Fahrerlaubnis?

Da er in Frankreich wohnt und einen französischen Führerschein besitzt, scherte er sich nicht weiter um dieses Schreiben. Einige Wochen später wurde gegen ihn erneut ein Strafverfahren wegen Kennzeichenmissbrauchs eingeleitet. Dieses führte zu einem erneuten Strafbefehl über 500 €. Auch diese Strafe bezahlte er umgehend. Nun waren 15 Punkte erreicht. Die Behörde ordnete die Teilnahme an einem Aufbauseminar an und setzte ihm eine Frist für die Vorlage der Teilnahmebescheinigung. Gleichzeitig kündigte sie an, sie werde ihm, falls der Nachweis der Teilnahme nicht rechtzeitig vorgelegt würde, die Fahrerlaubnis entziehen mit der Wirkung, dass er in Deutschland keine Kraftfahrzeuge fahren darf. Zwar war der französische Unternehmer der Meinung, die deutsche Behörde habe nicht das Recht, seine französische Fahrerlaubnis zu entziehen. Dennoch meldete er sich vorsichtshalber zu dem Aufbauseminar an.

Lebhafte Sitzung

Die Schilderungen des Franzosen führten im Seminar zu lebhaften Diskussionen. Die meisten Teilnehmer glaubten nämlich, das Punktesystem gelte nur für Kraftfahrer mit deutschem Führerschein. Alle waren sehr überrascht, dass alle in Deutschland im Straßenverkehr begangenen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Verkehrszentralregister erfasst und entsprechend bepunktet werden, und zwar ohne Rücksicht auf die Herkunft der Fahrerlaubnis.

Was hat er falsch gemacht?

Nun, bei 33 km/h über Limit ist alles klar. Aber wie war das mit den roten Kennzeichen? Was hätte der französische Unternehmer tun müssen, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten? Da er die Fahrzeuge, so der Franzose, oft an Wochenenden bei Privatpersonen abhole, sei es für ihn nicht möglich, bei der jeweils zuständigen Zulassungsstelle das Fahrzeug zuzulassen. Er sei überzeugt gewesen, das französische Überführungskennzeichen gelte auch für Überführungsfahrten von Deutschland nach Frankreich. In dieser Auffassung sei er durch die anstandslose Regulierung des erwähnten Unfallschadens seitens seiner Versicherung bestärkt worden.

Keine gegenseitige Anerkennung roter Kennzeichen

Der Seminarleiter löste das Rätsel. Die Überführung mit dem französischen Überführungskennzeichen war unzulässig, weil eine Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung von Überführungskennzeichen zwischen Deutschland und Frankreich nicht besteht. Die deutschen Regelungen über "Fahrten zur dauerhaften Verbringung eines Fahrzeugs in das Ausland" stehen in § 19 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV). Grundsätzlich ist für solche Fahrten ein Ausfuhrkennzeichen vorgesehen. In § 19 Absatz 1 FZV ist aber geregelt, dass in Verbindung mit § 16 FZV Überführungsfahrten in das Ausland mit rotem Kennzeichen zulässig sind, sofern der ausländische Staat zustimmt.

Der legale Weg

Der Franzose hätte sich von einer deutschen Zulassungsbehörde ein rotes Kennzeichen zuteilen lassen können. Damit hätte er die Fahrzeuge in Deutschland fahren dürfen. An der Grenze zu Frankreich hätte er das rote Kennzeichen gegen das französische Überführungskennzeichen tauschen müssen. Eine andere Möglichkeit hätte darin bestanden, sich für diese Fahrten von einer deutschen Zulassungsstelle ein Kurzzeitkennzeichen zuteilen zu lassen. Da auch das Kurzzeitkennzeichen nur innerhalb der Grenzen Deutschlands gilt, hätte er beim Übertritt nach Frankreich ebenfalls das französische Überführungskennzeichen anbringen müssen. 

Jürgen Bauer