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Fahrausbildung: Verknüpfung von Theorie und Praxis

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2012, Seite 368

Die Verweildauer in der Fahrschule ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Früher war es für die meisten Jugendlichen selbstverständlich, die Ausbildung zügig durchzuziehen, um den Führerschein so schnell wie möglich zu bekommen.

Heutzutage hingegen ist es keine Seltenheit, dass sich Fahrschüler für die Ausbildung sehr viel Zeit lassen und beispielsweise die praktische Prüfung erst viele Monate nach bestandener Theorieprüfung ablegen.

Dispute über das Wie

Das wirft die Frage auf: Steht eine zeitlich stark überdehnte Ausbildung im Einklang mit § 2 Absatz 1 der Fahrschüler-Ausbildungsordnung (FahrschAusbO)? Dieser lautet: „Die Ausbildung erfolgt in einem theoretischen und einem praktischen Teil. Die beiden Teile sollen in der Konzeption aufeinander bezogen und im Verlauf der Ausbildung miteinander verknüpft werden.“ An der Frage, wie die Verknüpfung der beiden Ausbildungsteile zu erfolgen hat, entzünden sich gelegentlich Diskussionen – auch bei der Fahrschulüberwachung.

Inhaltliche oder zeitliche Verknüpfung?

Kern dieses Disputs ist die Frage, ob die Ausbildungsteile nicht nur inhaltlich, sondern auch im zeitlichen Ablauf zu verknüpfen sind. Verfechter des Letzteren stehen auf dem Standpunkt, es sei unzulässig, zunächst die theoretische Ausbildung komplett zu absolvieren und erst dann mit den praktischen Fahrstunden zu beginnen.

FahrschAusbO lässt zeitliche Streckung zu

Die Verfasser der FahrschAusbO hatten meines Erachtens eine enge zeitliche Verknüpfung von Theorie und Praxis nicht im Sinn. Diese Auffassung kann aus folgenden Regelungen hergeleitet werden:

  1. Die Regelung in § 18 Absatz 2 FeV, wonach die praktische Prüfung bis zu 12 Monate nach dem Bestehen der theoretischen Prüfung abgelegt werden kann, wäre überflüssig. Gäbe es sie nicht, wäre es beispielsweise auch nicht mehr möglich, dass ein Bewerber der Klasse A im Winter die Theorie absolviert und erst im Frühling, wenn der Schnee weg ist, mit der Praxis beginnt.
  2. Ebenso entbehrlich wäre die Rechtsgrundlage für Theorie-Intensivkurse in der Fahrschüler-Ausbildungsordnung (§ 4). Danach darf der komplette Theoriestoff der Klasse B an sieben aufeinanderfolgenden Werktagen unterrichtet werden. Das kommt übrigens nicht nur sogenannten Ferienfahrschulen zugute. Auch mancher zeitgestresste G8-Gymnasiast ist froh, wenn er seinen Theorieunterricht in einer klausurfreien Zeit des Schuljahres oder in den Ferien durchlaufen kann. Die praktische Ausbildung hingegen lässt sich – dank vieler Hohlstunden – auch mit den hohen zeitlichen Anforderungen der Schule vereinbaren.

Inhaltliche Verknüpfung ist wichtig und sinnvoll

Vorgeschrieben ist deshalb allein eine pädagogisch klug gestaltete, sinnvolle Verzahnung der Themen des theoretischen Unterrichts mit den Inhalten der praktischen Ausbildung und umgekehrt. Lassen Sie mich das an zwei Beispielen festmachen:

Überholen
Vor dem ersten Überholvorgang müssen die wichtigen theoretischen Inhalte zu diesem Thema erneut im Auto – mit Bezug auf die entsprechende Unterrichtslektion – angesprochen werden. Nur dann ist sichergestellt, dass dieser wichtige und nicht ganz ungefährliche Vorgang vernünftig geübt werden kann.

Vorfahrt
Im theoretischen Unterricht ist es sehr sinnvoll, die Schüler mit Bildern von Kreuzungen und Einmündungen der näheren Umgebung, die sie auch während der Fahrstunden bewältigen müssen, auf den praktischen Unterricht vorzubereiten.

Diskussion erwünscht!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Beitrag zu einer angeregten Fachdiskussion in den Leserbriefspalten der FahrSchulPraxis oder im internen InternetForum des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. führen würde.

Jochen Klima