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Neuerteilung der Fahrerlaubnis: Besitzstand ja/nein

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2012, Seite 374

Nach Entziehung, Verzicht, Widerruf, Rücknahme und Ablauf der Gültigkeit einer Fahrerlaubnis erlischt diese. Wird nach dem Erlöschen eine neue Fahrerlaubnis beantragt, kann die alte Erlaubnis nicht wiedererteilt werden. Vielmehr wird eine neue Erlaubnis erteilt. Wurde das Fahrerlaubnisrecht zwischen der Ersterteilung und der Neuerteilung geändert, sind die zum Zeitpunkt der Neuerteilung geltenden Regelungen bestimmend. Ein Anspruch auf die alten Rechte besteht nicht mehr.

Beispiel: Eine vor dem 01.04.1980 erteilte Fahrerlaubnis der Klasse 3 berechtigte zum Führen von Leichtkrafträdern der Klasse 1b (seit 01.01.1999 Klasse A1). Dieses Recht rührte daher, dass eine vor dem 01.04.1980 erteilte Fahrerlaubnis der Klasse 3 zum Führen schneller Kleinkrafträder mit einer bbH von 100 oder mehr km/h berechtigte. Dieser Besitzstand gilt demnach nur für Inhaber einer vor dem 01.04.1980 erworbenen Fahrerlaubnis der Klasse 3. Eine ab dem 01.04.1980 erworbene Fahrerlaubnis der Klasse 3 berechtigt nur zum Führen von langsameren Kleinkrafträdern mit einer bbH von max. 40 km/h, später 50 km/h. Die heutige Klasse B, die als typische Pkw-Klasse im Wesentlichen der früheren Klasse 3 entspricht, berechtigt zum Führen von Mopeds und Mokicks mit einer bbH von max. 45 km/h.

Besonderheit

Um Härten zu vermeiden hat der Gesetzgeber in § 76 Nr. 11a FeV jedoch geregelt, dass bei der Neuerteilung der Klasse B nach Entziehung oder Verzicht auch die Klasse A1 prüfungsfrei erteilt wird, sofern die frühere Fahrerlaubnis Klasse 3 vor dem 01.04.1980 erteilt worden war und bei der Neuerteilung der Klasse B auf eine Prüfung verzichtet wird.

Erteilungsdatum

Weil die alte Fahrerlaubnis erloschen ist, wird bei einer Neuerteilung folgerichtig in der Spalte 11 des Führerscheins das Datum der Neuerteilung eingetragen.

Das kann in zwei Fällen für den Betroffenen nachteilig sein:

  • für die Berufskraftfahrer-Grundqualifikation;
  • bei Erteilung einer Busfahrerlaubnis.

Berufskraftfahrer-Grundqualifikation

Nach § 3 des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes (BKrFQG) müssen Inhaber einer Fahrerlaubnis der Busklassen D1, D1E, D oder DE, die vor dem 10.09.2008 erteilt wurde, und Inhaber einer Lkw-Fahrerlaubnis der Klassen C1, C1E, C oder CE, die vor dem 10.09.2009 erteilt wurde, die Grundqualifikation nicht erwerben, sondern unterliegen nur der Weiterbildungspflicht.

Noch keine Schlüsselzahl 95 erforderlich

Diese Fahrer müssen – von den Synchronisierungsfällen abgesehen – erst bis zum 09.09. 2013 (Busfahrer) bzw. 09.09.2014 (Lkw-Fahrer) ihre Weiterbildung abschließen und die Schlüsselzahl 95 im Führerschein eintragen lassen.

Besitzstand auch nach Entziehung

Durch Gesetz vom 25.05.2011 wurde diese Regelung auch auf Personen ausgeweitet, deren vor dem jeweiligen Stichtag erteilte Fahrerlaubnis der genannten Klasse wegen Entziehung, Verzicht oder Ablauf erloschen war.

Beispiel: Die Fahrerlaubnis Klasse C wurde am 15.04.2001 erteilt. Dem Inhaber dieser Fahrerlaubnis wird die Grundqualifikation zuerkannt. Er muss spätestens am 09.09.2014 die erste Weiterbildung von 35 Stunden abgeschlossen und im Führerschein die Schlüsselzahl 95 eingetragen haben, wenn er danach gewerblich Güter befördern will. Bis zum 09.09.2014 benötigt er den Eintrag der Schlüsselzahl noch nicht. Für den kontrollierenden Polizeibeamten ergibt sich dieses Recht aus dem Erteilungsdatum, das vor dem 10.09.2009 liegt.

Problem nach Neuerteilung

Diese Fahrerlaubnis wurde am 24.08.2007 entzogen; eine neue Fahrerlaubnis wurde am 22.04.2010 erteilt. Dieses Datum steht auch in der Spalte 11 des Führerscheins. Bei einer Kontrolle kann der Beamte nicht erkennen, dass dieser Fahrer noch bis zum 09.09.2014 Zeit hat, die Schlüsselzahl 95 eintragen zu lassen, weil er sich auf die Regelung des § 3 Satz 2 BKrFQG berufen kann.

Abhilfe

Bei der Neuerteilung sollte der Fahrer auf jeden Fall darauf achten, dass im Führerschein die Schlüsselzahl 95 mit Ablaufdatum 09.09.2014 eingetragen wird, falls dies die Fahrerlaubnisbehörde nicht von sich aus tut. Eine andere, wesentlich umständlichere Möglichkeit wäre, dass der Fahrer eine Abschrift seiner Führerscheinkarteikarte mitführt, aus der sich ergibt, dass er vor dem 10.09.2009 im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse C war.

Erweiterung der Fahrerlaubnis Klasse C auf D

Der Umfang der praktischen Ausbildung beim Erwerb der Fahrerlaubnis Klasse D richtet sich nach der Dauer des Vorbesitzes einer anderen Klasse. Besitzt der Antragsteller beispielsweise die Klasse B oder C1 noch keine zwei Jahre, müssen insgesamt 89 Fahrstunden absolviert werden. Hätte der Antragsteller dagegen die Fahrerlaubnis der Klasse C noch keine zwei Jahre, wären nur 44 Fahrstunden vorgeschrieben. Bei einem Vorbesitz der Klasse C von mehr als zwei Jahren wären nur noch 22 Fahrstunden erforderlich.

Da in der Anlage 5 der Fahrschüler-Ausbildungsordnung nicht ein ununterbrochener Vorbesitz gefordert wird, könnten bei Bedarf auch die Jahre des Vorbesitzes zusammengezählt werden.

Beispiel: Die Fahrerlaubnis der Klasse C wurde am 09.06.2008 erteilt und am 10.08.2009 entzogen. Die Neuerteilung der Klasse C erfolgte am 02.08.2011. Die praktische Prüfung der Klasse D soll am 07.08.2012 abgelegt werden. In diesem Fall genügen 22 Fahrstunden, da der Bewerber am Prüfungstag einen Vorbesitz der Klasse C von mehr als zwei Jahren nachweisen kann. Weil sich dieser Vorbesitz aber nicht aus dem Führerschein ergibt, sollte dem aaSoP eine Abschrift der Führerscheinkarte vorgelegt werden. Noch einfacher ist es, wenn die Fahrerlaubnisbehörde im Prüfauftrag die Dauer des Vorbesitzes vermerkt hat.

Peter Tschöpe