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Das wichtige Gespräch mit Wolfgang Eichler, TÜV SÜD

Diplom-Ingenieur Wolfgang Eichler

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2012, Seite 386

Mitglied der Geschäftsleitung TÜV SÜD Auto Service GmbH, über den TÜV SÜD als Global Player, den Stellen-wert der Fahrschulen als Kunden, kommende Entwicklungen und die Alleinstellung im Bereich Fahrerlaubnisprüfung.

FPX: Herr Eichler, 1991 feierte man in Mannheim den 125. Jahrestag der Gründung des ersten TÜV. Im Jubiläumsjahr zählte man im wiedervereinigten Deutschland 14 Technische Überwachungsvereine. Diese Zahl stimmt wohl nicht mehr.

Eichler: Seither hat sich in der Tat einiges getan; es hat unter den TÜV-Gesellschaften ein Konsolidierungsprozess stattgefunden. Am Markt aktiv sind mit TÜV SÜD, TÜV Rheinland und TÜV NORD drei große Holdings, sowie mit TÜV Thüringen und TÜV Saarland zwei kleinere Gesellschaften.

FPX: Existieren die alten Technischen Überwachungsvereine noch oder sind jetzt alle TÜV als Kapitalgesellschaften verfasst?

Eichler: TÜV SÜD ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich dem Wettbewerb stellen muss und auch gerne stellt. Das ist ganz sicher auch im Kundeninteresse: Wir verstehen uns mehr denn je als Dienstleister, und unsere Mitarbeiter leben das. Aber auch wenn wir als privatwirtschaftliches Unternehmen agieren, sind wir mit einer Kapitalgesellschaft im üblichen Sinne nicht zu vergleichen: Die Mehrheit an TÜV SÜD wird weiterhin von einem eingetragenen Verein gehalten.

FPX: Im Kreis der deutschen Prüforganisationen nimmt der TÜV SÜD mit seinen Untergesellschaften einen der vorderen Plätze ein.

Eichler: Der TÜV SÜD ist die Nr. 1 unter den TÜV.

FPX: Und der TÜV SÜD ist auch international stark aufgestellt. Wo liegen die hauptsächlichen Wachstumsmärkte?

Eichler: Weltweit betrachtet sind wir die Nr. 5 unter den Prüfgesellschaften. Unsere Wachstumsmärkte liegen in den USA, Asien, Südamerika, namentlich in Brasilien, und auch in Russland kommen wir gut voran.

FPX: Die Umsätze des Unternehmens sind in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. 2011 war mit nahezu 1,7 Milliarden und einer Steigerung der Umsatzerlöse um fast acht Prozent ein Rekordjahr. Woher kam der Schub?

Eichler: Schub ist hier nicht das richtige Wort. „Schub“ suggeriert, dass es sich bei dem 2011 erzielten Wachstum um ein einmaliges, besonderes Ereignis handelt. Die ganz große Stärke von TÜV SÜD ist aber kontinuierliches Wachstum über Jahre hinweg. Bemerkenswert am Wachstum 2011 ist, dass alle Regionen und strategischen Geschäftsfelder, also Industrie, Mobilität und Zertifizierung einen positiven Beitrag geliefert haben. Mit dem Ergebnis 2011 hat TÜV SÜD seine hervorragende Marktstellung weiter ausgebaut und die Weichen für weiteres Wachstum gestellt.

FPX: Eine der größeren Töchter ist die TÜV SÜD Auto Service GmbH, die in Bayern, Baden-Württemberg und in weiteren Bundesländern die Fahrerlaubnisprüfung abnimmt.

Eichler: Ja, in Hamburg ist es der TÜV HANSE, in Hessen der TÜV Hessen; an beiden ist die TÜV SÜD Holding mehrheitlich mit 90 bzw. 55 Prozent beteiligt.

FPX: Ein Fahrschulinhaber meinte neulich etwas resigniert, ich zitiere: „Bei den Milliarden, die der TÜV mit der Großindustrie macht, reichen unsere Prüfungsgebühren gerade mal für die Portokasse und entsprechend bescheiden ist die Geltung, die wir Fahrschulen als Kunden erfahren“. Hat er Recht?

Eichler: Unsere Wurzeln liegen in Deutschland. Ein Drittel unseres Umsatzes kommt aus dem Mobilitätsbereich und daran hat der Bereich Fahrschule einen bedeutenden Anteil. Jede Fahrschule wie auch jeder Fahrschüler ist uns ebenso wie alle anderen unserer Kunden sehr willkommen. Das will ich hier ganz deutlich unterstreichen.

FPX: Vor Einführung der sog. PC-Prüfung wurden allerlei Zweifel hinsichtlich Stabilität des Systems und der Flächendeckung laut. Waren das überzogene Bedenken?

Eichler: Natürlich gab es während der Einführungsphase ab und zu ein Problem. Das können und wollen wir nicht verneinen. Doch in Zusammenarbeit mit den Fahrlehrerverbänden haben wir uns den Wünschen der Fahrschulen angenommen und Flächendeckung gesichert. Wir stehen zu der Zusage, in strukturschwächeren Regionen die Fahrerlaubnisprüfung ebenso anzubieten wie in den Ballungsgebieten. Auch haben wir vorgesorgt, dass beim Ausfall eines Systems, was bei Elektronik ja immer einmal eintreten kann, rasch Ersatz zur Verfügung steht. Jede Niederlassung hat ein Notfallsystem, einen sog. Prüferrechner, der im Regelfall innerhalb 45 Minuten bis höchstens einer Stunde zum Prüfungsraum gebracht werden kann. Darüber hinaus unterhalten wir in unserer IT-Zentrale eine Hotline mit speziell geschultem Personal, das unseren Prüfern beim Auftreten technischer Störungen zur Seite steht. Im dritten Jahr der theoretischen Prüfung am PC können wir sagen, das ist uns rundum gelungen. Darüber freuen wir uns sehr. Zumal da sich externe Experten immer wieder lobend über unser System äußern, das in dieser mobilen Struktur übrigens nur der TÜV SÜD besitzt.

FPX: Ist die PC-Prüfung – wie oft vorhergesagt – gegen Täuschung gefeit?

Eichler: Die PC-Prüfung ist wesentlich manipulationssicherer als die frühere Papierprüfung. Aber wir haben auch festgestellt, dass mit dem Fortschritt der technischen Miniaturisierung neue Methoden der Manipulation zutage getreten sind. Wir passen da gut auf und ergreifen entsprechende Gegenmaßnahmen. Nicht zuletzt deshalb besteht im Prüfraum Handyverbot, dessen Einhaltung wir sorgsam überwachen.

FPX: Ein Wort zu den Inhalten der theoretischen Prüfung. Demnächst sollen die sog. Mutterfragen eingeführt werden. Bei in Äußerlichkeiten variierten Bildern ändert sich am Kern der Prüfungsfrage nichts. Was bringt das?

Eichler: Es wurde festgestellt, auch durch Untersuchungen der Experten der arge tp 21 (eine Arbeitsgruppe aller Technischen Prüfstellen, die sich mit der Weiterentwicklung und Modernisierung der Fahrerlaubnisprüfung befasst; die Red.), dass sich viele Bewerber beim Auswendiglernen der Fragen und Antworten an Merkmalen der Bilder orientieren. Sei es nun die Farbe des Autos oder Gegenstände der Umgebung oder was immer. Wenn diese Merkmale wegfallen, ist das Verständnis der Verkehrssituation gefragt, und das wird zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen.

FPX: In einem nächsten Schritt soll die theoretische Prüfung durch bewegte Bilder, also Videoclips, optimiert werden. Skeptiker befürchten, das könne zu einer unangemessenen Erschwerung der Prüfung und zum Verlust der Gerichtsfestigkeit der Fragen und Antworten führen.

Eichler: Die in der Prüfung vorkommenden Videoclips stehen dann auch für die Ausbildung zur Verfügung. Vor Einführung werden diese Fragen während einer geraumen Zeit ausgiebig und intensiv – auch in Zusammenarbeit mit der Fahrlehrerschaft – geprüft und erprobt. Dabei kommen alle Argumente auf den Prüfstand, sodass nur eingehend geprüfte Videos zur Anwendung kommen. Das von uns gewählte Verfahren verspricht Eindeutigkeit und somit auch Gerichtsfestigkeit. Im Übrigen hat hier der Verordnungsgeber das letzte Wort.

FPX: Immer wieder einmal klagen die Fahrschulen einzelner Regionen, jedenfalls in Baden-Württemberg, über einen Mangel an Prüfungsterminen, namentlich für den praktischen Teil. Handelt es sich dabei um unvorhersehbare und nur vorübergehende oder um systemisch bedingte Engpässe?

Eichler: Systemtechnisch bedingte Engpässe kann ich von vornherein ausschließen. Es kann in Spitzenzeiten da oder dort mitunter zu hohen Belastungen kommen. Dann führen wir von anderen Niederlassungen Kräfte zu, um die Prüfungen abzuarbeiten. Wir haben einen weiteren Schritt getan, indem wir seit 1. Juli dieses Jahres die Nachbuchung von Theorieprüfungen ermöglichen. Manche Fahrschulen buchen über Bedarf Theorietermine und geben einen Teil davon jeweils kurzfristig zurück. Die freigewordenen Termine sollen von anderen Fahrschulen durch kurzfristige Online-Nachbuchung genutzt werden können. Nachgebuchte Termine können jedoch nicht storniert werden. 

FPX: Gibt es das auch bald für die praktische Prüfung?

Eichler: Die Online-Anmeldung wird es auch für die praktische Prüfung geben. Wir waren deshalb mit den Vertretern der Fahrlehrerverbände im Gespräch. Dabei haben wir die Grundzüge unseres Vorschlages vorgestellt. Die Wünsche der Fahrlehrer wurden aufgenommen und die Ergebnisse des Gesprächs mit unserer Informatik besprochen. Unsere Ressourcen sind hier begrenzt, deshalb stellt sich die Frage, ob wir ein begrenztes Modul oder eine komplexere Lösung ansteuern sollten. Darüber stehen wir gerade in der Diskussion. Das Vorhaben ist, das muss ich hier anfügen, erheblich aufwendiger als zunächst gedacht.

FPX: Die deutsche Wirtschaft klagt seit Langem über einen eklatanten Mangel an Ingenieuren. Ist es in dieser Situation noch angebracht, für angehende Prüfer von Führerscheinbewerbern am Ingenieurprinzip festzuhalten? Sollte das Berufsbild der Prüfer nicht stärker pädagogisch-psychologisch statt vorwiegend technisch bestimmt sein?

Eichler: Der deutsche Gesetzgeber hat die qualitativen Anforderungen an Fahrerlaubnisprüfer klar geregelt. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass das Kraftfahrzeug ein technisches Gerät ist, das sich mit atemberaubender Geschwindigkeit weiterentwickelt, denken wir nur einmal an Fahrerassistenzsysteme und die E-Mobilität. Dafür bedarf es eines Grundverständnisses der Technik. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Um aber der Aufgabe eines Fahrerlaubnisprüfers gerecht zu werden, bedarf es auch eines gewissen pädagogischen, aber noch mehr psychologischen Rüstzeugs. Unsere Prüfer werden in dieser Hinsicht kontinuierlich geschult, um eine möglichst gerechte und einheitliche Prüfung bei hohem Qualitätsstandard zu gewährleisten. Der Verlauf einer jeden praktischen Prüfung ist – namentlich wegen der sich ständig ändernden Verkehrssituationen – anders und kann deshalb nicht wiederholt werden. Das verlangt Erfahrung und hohes Urteilsvermögen des Prüfers. Nicht umsonst wird die Leistung unserer Prüfer immer wieder von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) begutachtet. Das haben wir gerade hinter uns. Dabei haben wir von der BASt zum wiederholten Mal einen sehr hohen Standard bestätigt bekommen.

FPX: Die Mindestanforderungen der dritten EG-Führerscheinrichtlinie an Fahrerlaubnisprüfer verlangen keinen Hochschulabschluss. Nach diesen Ansprüchen richten sich andere europäische Prüforganisationen bei der Einstellung von Prüfern. Wird deshalb in anderen EU-Staaten schlechter geprüft als bei uns?

Eichler: Das möchte ich nicht beurteilen. Die EU-Richtlinie legt Mindestanforderungen fest. Den Mitgliedstaaten ist es unbenommen, höhere Ansprüche zu stellen. Der Anspruch des deutschen Gesetzgebers ist es, die bestmögliche Fahrerlaubnisprüfung im Interesse der Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Deshalb werden derzeit auch die Inhalte und die Durchführung der praktischen Fahrerlaubnisprüfung wissenschaftlich untersucht. Der Abschlussbericht wird Ende dieses Jahres vorliegen.

FPX: Vor Jahren haben bestimmte Interessengruppen mit Erfolg die Liberalisierung der Fahrzeugüberprüfung gefordert. Darauf berufen sich heute manche Fahrlehrer und verlangen, vorgeblich um eines besseren Service willen, auch für die Fahrerlaubnisprüfung Konkurrenz. Ist die Analogie schlüssig?

Eichler: Die Analogie ist nicht schlüssig, denn die Fahrzeugprüfung ist mit der Prüfung von Führerscheinbewerbern nicht vergleichbar. Eine technische Prüfung kann, weil die äußeren Bedingungen gleich bleiben, jederzeit wiederholt werden. Das ist, wie schon ausgeführt, bei der Befähigungsprüfung der Fahrerlaubnisbewerber nicht möglich. Wir wollen, wie ebenfalls schon gesagt, eine Prüfung mit möglichst einheitlichen Anforderungen. Für diese Leistung ist eine gleichbleibende amtliche Prüfungsgebühr festgesetzt. Sie gilt ohne Rücksicht auf den Ort der Prüfung, also bei langer Anfahrt in den Schwarzwald ebenso wie bei kurzer Anfahrt von Filderstadt nach Bernhausen. Wettbewerb heißt zunächst, ich orientiere mich daran, wo das Geld am leichtesten zu verdienen ist und meide die Gegenden, wo der Aufwand größer ist. Die geltenden rechtlichen Bedingungen der Fahrerlaubnisprüfung ermöglichen es uns, überall zu gleichen Konditionen und hohen Qualitätsstandards flächendeckend zu prüfen, also z.B. die PC-Prüfung auch an Orten mit relativ geringer Prüfungsfrequenz abzunehmen. Wettbewerb auf diesem Sektor würde zu Veränderungen führen, die für den Bürger nachteilig wären. Und noch ein Gedanke: Wenn sich Wettbewerb finanziell nicht lohnt, leidet oft die Qualität, in diesem Fall zum Nachteil der Verkehrssicherheit. Das kann sich unser Land absolut nicht leisten.

FPX: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Das Interview führte G. L. Heiler 

Zur Person

Diplom-Ingenieur Wolfgang Eichler, 53, war nach seinem Studium an den Technischen Universitäten München und Clausthal in leitenden Positionen namhafter Kraftfahrzeughersteller tätig. Seit 2007 ist Eichler Mitglied der Geschäftsleitung der TÜV SÜD Auto Service GmbH. Neben anderen Aufgaben ist er für den Geschäftsbereich Fahrerlaubnisprüfung zuständig. Eichler hat während seiner Zeit in der Industrie u.a. unterschiedliche Abteilungen des Kundenservice geleitet. Sein dabei gewonnenes Know-how und Gespür für zeitgemäße Kundenbetreuung findet in der Begegnung mit den Fahrschulen positiven Ausdruck.