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Aufbauseminare: Zwischenruf von Jochen Klima

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2012, Seite 391

Keine Frage, die Überarbeitung des Flensburger Punktsystems ist überfällig! In den vielen Jahren seines Bestehens ist es etwas unübersichtlich geworden. Mit Begriffen wie Tattag- und Rechtskraftprinzip, Tilgungs- und Überliegefrist ist der normale Autofahrer überfordert. Deshalb ist es richtig, das Verkehrszentralregister (VZR) und das Mehrfachtäter-Punktsystem zu reformieren. Dazu gehört vor allem auch die Vereinfachung der Bewertung von Verkehrsverstößen. Es sollen nur noch die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Verstöße eingetragen werden. Statt eines bis höchstens sieben Punkte pro Verstoß soll es künftig für schwere Verstöße nur noch einen Punkt, für die Sicherheit besonders beeinträchtigende Ordnungswidrigkeiten und Straftaten jedoch zwei Punkte geben. Warum aber unerlaubtes Entfernen vom Unfallort künftig punktfrei bleiben soll, entzieht sich m. E. jeder Logik.

Wegfallen soll das Tilgen von Punkten durch freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar. Zur Begründung heißt es, fünfzig Prozent der Seminarteilnehmer seien rückfällig geworden, hätten also weiter Punkte gesammelt. 50 Prozent? Aber hallo! Das bedeutet doch, das Glas ist halb voll, nicht halb leer. Jedenfalls ist das eine Quote, nach der sich Resozialisierungsspezialisten alle Finger lecken würden. Das bewährte, fein abgestimmte System von rechtzeitiger Warnung und frühzeitiger Hilfestellung würde damit entfallen.

Welcher Kontostand in Flensburg wird künftig die zulässige Obergrenze für das Begleiten von Fahranfängern (BF17) sein? Dazu wurde bis jetzt noch nichts bekannt. Sollte sie höher als ein Punkt sein, wird es für manche Eltern nicht mehr möglich sein, ihre Kinder zu begleiten. Heute kann sich ein Papa, der vier Punkte hat und deshalb gewiss kein Verkehrsrowdy ist, durch Teilnahme an einem Aufbauseminar für die Begleitung seines Sprösslings „rehabilitieren“. Es wäre schade, wenn es diese Möglichkeit künftig nicht mehr gäbe. Denn darin sind sich alle Experten einig: BF17 ist keine Einbahnstraße. Mancher rasende Saulus hat sich allein durch den Austausch mit seinem minderjährigen BF17-Novizen zum Paulus gewandelt. Bisher fehlt auch jede Erklärung darüber, wie am Tag X mit bis dahin angesammelten Punkten umgegangen werden soll.

Ich meine deshalb, dass es gut und sinnvoll ist, dass sich die Bundesvereinigung von Anfang an mit aller Kraft für die Beibehaltung der Aufbaukurse zur Punktetilgung eingesetzt hat. Für reuige Bürger, die zusammen mit einem qualifizierten Fahrlehrer ihrer etwas verkorksten Fahrerkarriere auf den Grund gehen wollen, um daraus die für die Zukunft richtigen Schlüsse zu ziehen, sollte es den Anreiz der Tilgung auch weiterhin geben.

Jochen Klima