Landgericht Siegen: Testfahrten sind mit fachlicher Sorgfalt nicht vereinbar!

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juni/2012, Seite 343

In der Dezember-Ausgabe 2007 hat die FahrSchulPraxis auf Seite 674 über ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm berichtet, das einem Fahrschulinhaber das Anbieten von Probefahrstunden untersagte. Heute berichten wir über ein aktuelles Urteil des Landgerichts Siegen zur selben Thematik (AZ: 1 O 194/10).

Auf einem Dorffest versuchte ein Fahrschulinhaber Jugendliche durch kostenlose Testfahrten auf seinem Fahrschul-Pkw als Fahrschüler zu gewinnen. Geübt wurde auf einem größeren Parkplatz. Die Fahrstrecke war dabei lediglich mit kleinen Pylonen und mit Flatterband abgegrenzt.

Abmahnung

Die Abmahnung durch die Wettbewerbszentrale kam prompt. Die Wettbewerbshüter argumentierten, es habe sich um Fahrten im öffentlichen Verkehrsraum gehandelt, deren Zweck weder die Ausbildung noch die Vorbereitung auf die Prüfung gewesen sei. Da somit das Fahrlehrerprivileg des Straßenverkehrsgesetzes (§ 2 Absatz 15 StVG) nicht zutraf, handelte es sich um „Schwarzfahrten“ im Sinne des § 21 StVG. Das ist nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zugleich ein wettbewerbswidriger Verstoß (§ 4 Nr. 11 UWG – Vorsprung durch Rechtsbruch).

Gericht verneint fachliche Sorgfalt

Daraufhin gab der Kollege eine Unterlassungserklärung ab. Da er sich jedoch weigerte, die Abmahnkosten zu bezahlen, reichte die Wettbewerbszentrale Klage ein. Vor Gericht argumentierte der Fahrlehrer, er sei davon ausgegangen, dass die Straße korrekt abgesperrt gewesen sei. Da er erst nach der Veranstaltung erfahren habe, dass die von ihm gewählte Form der Absperrung zur Schaffung einer nicht öffentlichen Verkehrsfläche nicht ausreichend war, habe er in Unkenntnis und ohne Verschulden gehandelt. Doch dieses Argument zog vor Gericht nicht. Ein Fahrlehrer müsse – anders als eine Privatperson – über die entsprechenden Rechtsvorschriften und die unter Umständen schlimmen haftungsrechtlichen Folgen einer Schwarzfahrt Bescheid wissen. Deshalb bejahte das Gericht nicht nur vollumfänglich den Wettbewerbsverstoß, sondern schrieb dem Kollegen darüber hinaus ins Stammbuch, er habe mit dieser Aktion gegen seine fachliche Sorgfaltspflicht verstoßen.

Fazit

Auch weiterhin ist Fahrschulinhabern dringend davon abzuraten, kostenlose Testfahrten oder Probefahrstunden anzubieten. Neben den wettbewerbsrechtlichen Folgen stehen dabei auch haftungsrechtliche Risiken und im Extremfall die Frage der fahrlehrerrechtlichen Zuverlässigkeit zur Debatte.

Theorie-Schnupperstunde

Das Angebot an potenzielle Kunden, kurz einmal kostenlos im Theorieunterricht zu schnuppern, stand im obigen Fall nicht zur Debatte und bleibt selbstverständlich nach wie vor zulässig.  

Jochen Klima