EDITORIAL: Was der Bauer nicht kennt ...

Peter Tschöpe, Vorsitzender des FLVBW

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe März/2012, Seite 111

Verehrte Leserinnen und Leser,

dieses Sprichwort lässt sich auf die Autofahrer umdeuten: Was der Fahrer nicht kennt, interessiert ihn nicht. Deshalb fällt es vielen Menschen momentan noch schwer, sich für das E-Auto zu begeistern, ja eines zu kaufen. Trotzdem hält Franz Loogen, Geschäftsführer der Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie Baden-Württemberg GmbH, das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straßen zu bringen, für durchaus realistisch. Zugleich machen für ihn bis etwa 2030 unterschiedliche Hybrid-Fahrzeuge den wesentlichen Anteil an Fahrzeugen mit alternativen Antriebstechnologien aus. Reine Elektrofahrzeuge werden, jedenfalls auf kurze Sicht, eine eher untergeordnete Rolle spielen. Gleichwohl wäre es wünschenswert, dass die Fahrschüler von heute während ihrer Ausbildung Fahrzeuge mit alternativen Antrieben kennenlernen. Dazu müsste aber zuerst die zurzeit geltende Automatikregelung der EG-Führerscheinrichtlinie fallen. Denn wie immer der Antrieb ausgelegt ist, rein elektrisch, full-hybrid, mild-hybrid oder plug-in-hybrid, alle diese Autos haben kein Kupplungspedal und gelten demzufolge als Automatikfahrzeuge. Kaum ein Fahrschüler ist nach einer Ausbildung und Prüfung auf Automatik bereit, zusätzliche Kosten auf sich zu nehmen, um einen unbeschränkten Führerschein zu bekommen. Wer bei jungen Menschen das Interesse an alternativen Antrieben wecken und fördern will, muss zuerst für eine Änderung der EG-Führerscheinrichtlinie (Anhang 2, Ziffer 5.1) eintreten. Dabei muss auch bedacht werden, dass eine Ausnahmeregelung ausschließlich für Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb, die also andere Automatikfahrzeuge ausschlösse, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz kollidieren würde. Selbst ein Modellversuch muss verfassungskonform sein.

Unausgegorene Ideen, wie Elektro-Smarts als Ausbildungsfahrzeuge einzusetzen (in der Prüfung sollen Sachverständiger und Fahrlehrer in einem zweiten Fahrzeug hinterherfahren!), sind dieser Diskussion abträglich. Wer Fahrzeuge mit ausschließlichem oder teilelektrischem Antrieb in die Fahrschulen bringen will, muss sich auf das Kernproblem, nämlich den Fall oder wenigstens eine praktikable Modifikation der Automatikbeschränkung, konzentrieren. Ist dieses Problem gelöst – und es lässt sich lösen –, werden auch Fahrschulen verstärkt Fahrzeuge mit alternativem Antrieb einsetzen.

Mit besten Grüßen

Peter Tschöpe