Fahrlehrer fragen: Handyverbot beim Schulen?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe März/2012, Seite 164

Am 24.11.2011 hat das Amtsgericht (AG) Herne einen Fahrlehrer freigesprochen, der bei der Fahrausbildung mit Handy am Ohr beanstandet worden war. Das Amtsgericht hat sich in seiner Begründung auf ein früheres Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden (NZW 2006, 440) gestützt, das nicht überzeugend war. Kurz nach dem Urteil des AG Herne ging ein Bericht durch die Presse, wonach ein Fahrlehrer aus Baden-Württemberg gegenüber der Polizei die Auffassung vertreten hatte: Telefonieren mit Handy am Ohr während der Ausbildungsfahrt ist dem Fahrlehrer erlaubt.

Bei der rechtlichen Beurteilung geht es letztlich um die Frage: Wer ist während der Ausbildungsfahrt Führer des Fahrzeugs? Ist es der Fahrlehrer, kann er für Telefonieren mit Handy am Ohr während einer Ausbildungsfahrt bußgeldrechtlich belangt werden. Diese Frage wurde von zwei Obergerichten unterschiedlich beantwortet.

Rechtliche Würdigung durch das OLG Dresden

Das OLG Dresden (siehe FPX 7/2007 S. 387) hatte vor sechs Jahren über einen Fahrlehrer zu entscheiden, der in alkoholisiertem Zustand eine Fahrschülerin begleitet hatte. Das Gericht verurteilte ihn nicht nach § 316 StGB, weil der Fahrlehrer im Sinne des § 2 Absatz 15 StVG nur rechtsfiktiv als Führer des Fahrschulfahrzeuges gelte; für die strafrechtliche Verantwortlichkeit komme es jedoch darauf an, wer das Fahrzeug eigenhändig „führe“. Dies sei bei einem Fahrlehrer, der sich während einer Fahrschulfahrt auf die Bestimmung des Fahrtweges und eine mündliche Korrektur der Fahrweise beschränkt, nicht der Fall.

Rechtliche Würdigung durch das OLG Bamberg

Das OLG Bamberg (siehe FPX 8/2009 S. 448) hatte Anfang 2009 einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Fahrlehrer während einer Ausbildungsfahrt mit Handy am Ohr telefonierte. Wie zuvor schon in erster Instanz das Amtsgericht Hof erachtete das OLG Bamberg in seinem Beschluss den Fahrlehrer – neben dem das Fahrzeug lenkenden Fahrschüler – als Fahrzeugführer im Sinne des § 23 Absatz 1a StVO. Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung der eine Ausbildungsfahrt beaufsichtigende Fahrlehrer der verantwortliche Führer gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern ist. Damit unterliegt der Fahrlehrer den gleichen straßenverkehrsrechtlichen Ge- und Verboten wie der das Fahrzeug lenkende Fahrschüler und begeht daher eine Ordnungswidrigkeit, wenn er während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung telefoniert.

Abwägung der gegensätzlichen Urteile

Der Verantwortung und den Aufgaben eines Fahrlehrers wird es nicht gerecht, wenn man die Fiktion („gilt (…) der Fahrlehrer als Führer des Kraftfahrzeugs …“) des § 2 Absatz 15 Satz 2 StVG nur darauf beschränken wollte, dass die §§ 18 (Ersatzpflicht des Fahrzeugführers) und 21 (Fahren ohne Fahrerlaubnis) StVG auf den Fahrschüler nicht anzuwenden sind. Für die strafrechtliche Verantwortung ist zwar mit dem OLG Dresden zutreffend davon auszugehen, dass sich die Rechtsfiktion des § 2 Absatz 15 StVG („im Sinne dieses Gesetzes“) nicht unmittelbar auf Tatbestände des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts erstreckt, sodass also ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zu entscheiden ist, ob ein Fahrlehrer ein Kraftfahrzeug (z.B. im Sinne des § 316 StGB oder des § 23 StVO) führt. Bei der dabei erforderlichen Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Führen eines Kraftfahrzeuges“ ist die in § 2 Absatz 15 StVG enthaltene Verantwortung des Fahrlehrers für den Fahrschüler und die anderen Verkehrsteilnehmer einzubeziehen.

Umfassende Verantwortlichkeit des Fahrlehrers

Der Fahrlehrer trägt die entscheidende Verantwortung für die Ausbildungsfahrt und muss den Fahrschüler ständig beobachten, nötigenfalls sofort eingreifen. Da auch bei einem fortgeschrittenen Fahrschüler bisweilen mit korrekturbedürftigen Fahrfehlern zu rechnen ist, trägt der Fahrlehrer durchgängig die Verantwortung für die Fahrt. Diese Aufgabe kann der Fahrlehrer nicht erfüllen, wenn er durch Telefonieren bei der Ausbildungsfahrt abgelenkt ist. Die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons während der Fahrt ist verboten (§ 23 Absatz 1a StVO), weil es den Fahrer so stark ablenken kann, dass die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Der Normzweck des Verbots nach § 23 Absatz 1a StVO ist ganz eindeutig. Es wirft ein schlechtes Licht auf den Fahrlehrer, der ernsthaft behauptet, er habe das Verbotene seines Verhaltens nicht vorhergesehen. Mit dem OLG Bamberg ist daher davon auszugehen, dass der Fahrlehrer bei der Ausbildungsfahrt als Fahrzeugführer im Sinne des § 23 Absatz 1a StVO anzusehen ist und daher eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn er während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung telefoniert.

Zu begrüßen wäre es, wenn das m.E. widersprüchliche Urteil des OLG Dresden in einem neuerlichen Fall durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) revidiert würde.

Ralf Nicolai