Schutzkleidung für Motorradfahrschüler: OLG nimmt Fahrlehrer in die Pflicht

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Mai/2012, Seite 268

Ein Motorradfahrschüler stürzte während der Ausbildung und verletzte sich an der Hand. Weil der Schüler keine Handschuhe trug, verurteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth seinen Fahrlehrer zu Schadenersatz (AZ: 2 O 7126/09). Gegen das Urteil legte die Versicherung des Fahrlehrers Berufung ein. Darüber entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg. Die Richter bestätigten mit Hinweis auf § 522 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) das Urteil der Vorinstanz (AZ: 4 U 1975/11).

Der Fall: Ein knapp 16-jähriger Bewerber um Klasse A1 kam mit Helm, Jacke und geeigneten Schuhen zur zweiten Fahrstunde. Der angestellte Fahrlehrer wies den Fahrschüler auf die fehlenden Handschuhe hin. Der Fahrschüler vertrat die Meinung, die Polizei beanstande es nicht, wenn ein Motorradfahrer keine Handschuhe trage, und bestand darauf, ohne Handschuhe zu fahren. Der Fahrlehrer willigte ein und begann mit der Ausbildung.

Nach einigen Übungen auf einem Platz, die der Fahrschüler problemlos bewältigte, ging es auf die Straße. Der Fahrlehrer fuhr mit etwa 30 km/h vor dem Fahrschüler her. Bei der Fahrt erlitt der Fahrschüler einen epileptischen Anfall und stürzte in eine angrenzende Wiese. Dabei erlitt er durch die Berührung mit heißen Fahrzeugteilen an der linken Hand Verbrennungen dritten Grades. Er bzw. seine Krankenkasse verlangte von der Versicherung den Ersatz der Behandlungskosten in Höhe von rund 11.000 €.

Das Landgericht bestätigte den Ersatzanspruch des Schülers grundsätzlich, aber reduzierte ihn auf 25 Prozent. Grund: Die Weigerung, Handschuhe zu tragen, begründeten erhebliches Selbstverschulden.

Fahrlehrer muss auf das Tragen von Handschuhen bestehen

Sowohl die Richterin am Landgericht als auch die Richter am Oberlandesgericht stellten fest, der Fahrlehrer wäre nach der Weigerung des Fahrschülers notfalls verpflichtet gewesen, die Fahrstunde komplett abzusagen. 

Aus den Gründen

Im Hinweis des OLG heißt es: „Das Tragen von Handschuhen ist zwar keine Verpflichtung nach § 21a StVO; aus § 4 der Fahrschüler-Ausbildungsordnung in Verbindung mit Anlage 2.1 ergibt sich für die Führerscheinklasse A1 u.a. das Tragen von Handschuhen als Ausbildungsinhalt. Dem war auch bei der praktischen Ausbildung Rechnung zu tragen, um die notwendige Verzahnung zwischen theoretischer und praktischer Ausbildung zu erreichen. Es ist gerade die Aufgabe einer Ausbildung mehr zu vermitteln als das nach dem Gesetz absolut Notwendige … Der bloße mehrfache Hinweis auf das Tragen der Handschuhe genügte jedenfalls bei einem Minderjährigen nicht. Insbesondere ist ein Grund für seine Weigerung nicht ersichtlich. Es wäre gerade die Aufgabe der Ausbildung gewesen, das Bewusstsein für entsprechendes vernünftiges Verhalten zu wecken und ggf. entsprechende Konsequenzen zu ziehen.“ 

Ursache für den Sturz ist ohne Bedeutung

„Völlig unerheblich ist es auch, aus welchen Gründen es zu dem Sturz gekommen war. Das Tragen von Schutzkleidung, Handschuhen, Helmen etc. schützt unabhängig vom Grund eines Sturzes immer vor den Folgen des Sturzes.“

Das OLG betonte, aus der Verpflichtung zur Verzahnung des theoretischen und des praktischen Unterrichts ergebe sich, dass die Anforderungen an den praktischen Unterricht nach Anlage 3 immer in Verbindung mit der Anlage 2 zu sehen sind, in der die Inhalte des theoretischen Unterrichts geregelt sind. Außerdem, so die Richter, sei das Tragen von Handschuhen in Anlage 10 der Prüfungsrichtlinie ausdrücklich vorgeschrieben. Da die Ausbildung auch auf die Prüfung vorbereite, sei es zwingend, dass der Fahrschüler auch bei den Fahrstunden Handschuhe trage. Dies durchzusetzen, sei Aufgabe des Fahrlehrers. 

Auch der Fahrschulinhaber haftet

„Die schuldhafte Pflichtverletzung des Fahrlehrers stellt gleichzeitig eine Verletzung der aus dem Ausbildungsvertrag abzuleitenden vertraglichen Schutzpflichten des Fahrschulinhabers nach §§ 280, 278 BGB dar.“

Konsequenzen für die Fahrschule

Fahrschulen müssen für die Motorradausbildung ausreichende Schutzkleidung inklusive Handschuhen und Helmen in verschiedenen Größen vorhalten.

Sicher kann nicht gefordert werden, dass für jeden Schüler individuell angepasste, mit Protektoren ausgestattete Jacken, Hosen und Stiefel vorgehalten werden. Gefordert werden kann aber auf jeden Fall, dass die Fahrschule geeignete Rückenprotektoren vorhält. 

Fahrschulen, die nur wenige Kraftradfahrschüler im Jahr haben und denen dieser Aufwand zu groß ist, sollten auf diese Ausbildungssparte verzichten.

Empfehlung an die Fahrschüler

Motorradführerscheine werden heute nicht mehr auf „Vorrat“ erworben. Wer einen Motorradführerschein erwirbt, will danach auch Motorrad fahren. Dazu braucht man angemessene Schutzkleidung. Deshalb sollte die Fahrschule bei der Anmeldung den Kunden empfehlen, im eigenen Interesse geeignete Schutzkleidung zu kaufen und sie bei der Ausbildung zu tragen. Es ist kompetenter Service, wenn die Fahrschule dafür die richtigen Tipps gibt und auf günstige Einkaufsmöglichkeiten aufmerksam macht.

Empfehlung der Bundesvereinigung (BVF)

Die BVF hat eine Empfehlung herausgegeben, die wir aus Platzgründen nicht hier abdrucken, sondern im InternetForum unter der Rubrik „Informationen“ veröffentlichen.

Mitglieder des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. finden die BVF-Empfehlungen Text im internen InternetForum (Zugang nur für Mitglieder des FLVBW) ...

Jürgen Bauer