Alkohol und Randale: Führerschein weg - ohne zu fahren

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe September/2012, Seite 504

Wer unter Einfluss von Alkohol aktiv am Straßenverkehr teilnimmt, riskiert bekanntlich seinen Führerschein. Aber wie ist das, wenn jemand alkoholisiert ist, aber überhaupt nicht fährt oder gefahren ist? Hierzu ein interessantes Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz (Az.: 3 L 823/12).

Am 19. November 2011 wurde die Polizei in Rheinland-Pfalz zu einem Dorffest gerufen, weil ein Mann mittleren Alters volltrunken randalierte. Weil er auch die Polizisten angriff und beleidigte, wurde er festgenommen und zur Entnahme einer Blutprobe in eine Klinik gebracht. Dort wurde eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von – bereits im toxischen Bereich liegenden – 3,0 Promille festgestellt. Am nächsten Morgen gab der Randalierer bei der Polizei an, regelmäßig hochprozentigen Alkohol zu trinken.

Fahrerlaubnisbehörde verlangt MPU

Nach § 2 Absatz 12 des Straßenverkehrsgesetzes muss die Polizei die Fahrerlaubnisbehörde informieren, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, die auf (nicht nur vorübergehende) Mängel hinsichtlich der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen. Deshalb wurde die zuständige Führerscheinstelle über den Vorfall benachrichtigt. Die Behörde forderte den Fahrerlaubnisinhaber umgehend auf, sich zum Nachweis seiner Eignung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen, weil die festgestellte extrem hohe BAK den Verdacht auf Alkoholmissbrauch begründe. Aufgrund wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse könne davon ausgegangen werden, dass jemand, der eine BAK von 1,6 und mehr Promille erreiche, von vornherein zur Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehöre. Da der Proband zudem selbst eingeräumt habe, regelmäßig Hochprozentiges zu trinken und außerdem mit einer BAK von 3,0 Promille noch in der Lage gewesen sei zu randalieren und aggressiv gegen die Polizei vorzugehen, sei von einem hohen Maß an Alkoholgewöhnung auszugehen. Deshalb sei von ihm eine sichere Trennung zwischen Alkoholkonsum und der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr nicht zu erwarten.

Widerspruch gegen Entzug der Fahrerlaubnis

Mit der Begründung, er sei nicht alkoholisiert gefahren, verweigerte der Betroffene die MPU. Daraufhin entzog ihm die Führerscheinstelle die Fahrerlaubnis wegen erwiesener Nichteignung mit Sofortvollzug. Der war aus Sicht der Behörde zwingend, da der Proband wegen der vorhandenen Anhaltspunkte für Alkoholmissbrauch eine Gefährdung des Straßenverkehrs darstelle. Somit könne nicht verantwortet werden, dass er durch die aufschiebende Wirkung eines eventuell eingelegten Rechtsmittels weiterhin am Straßenverkehr teilnehme. Gegen diese Entscheidung legte er Widerspruch ein. So landete der Fall beim Verwaltungsgericht in Mainz.

Verwaltungsgericht folgt der Behörde

Die Richter stellten fest, die Fahrerlaubnisbehörde dürfe beim Bekanntwerden von Tatsachen über mangelnde Fahreignung einer Person jederzeit die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens fordern. Wenn der Betroffene diese Untersuchung verweigert oder das Gutachten nicht fristgerecht vorlegt, darf sie ohne Weiteres auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Darauf muss bereits bei der Anordnung des Gutachtens hingewiesen werden. Weiter führte das Gericht aus, dass der Verdacht auf Alkoholmissbrauch selbstverständlich den o.g. Tatsachen zuzurechnen sei. Nach den Bestimmungen der FeV (Anlage 4 Nr. 8.1) ist von Alkoholmissbrauch immer dann auszugehen, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht sicher voneinander getrennt werden können. Die Behörde muss dabei nicht abwarten, bis im Straßenverkehr etwas passiert, sondern darf durchaus auch Vorfälle außerhalb des Straßenverkehrs mit berücksichtigen. Dass der Betroffene bei einer derartig hohen BAK noch in der Lage war zu randalieren und gegenüber den Polizisten aggressiv zu sein, lasse den Schluss zu, dass er an große Alkoholmengen gewöhnt sei. Erschwerend käme hinzu, dass er seinen Arbeitsplatz nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern nur mit dem Pkw erreichen könne. Deshalb sei die Schlussfolgerung zulässig, er sei nicht in der Lage, Trinken und Fahren in ausreichendem Maße zu trennen. Damit sei vor dem Hintergrund der Weigerung sich untersuchen zu lassen der Fahrerlaubnisentzug – auch mit Sofortvollzug – vollumfänglich gerechtfertigt.

Fazit

Dieses Urteil kann nur begrüßt werden. Fahrende Trinker haben auf unseren Straßen nichts verloren! Ebenso richtig ist es, MPU-Verweigerer sofort aus dem Verkehr zu ziehen. Allerdings wäre es in diesem Zusammenhang zwingend erforderlich, endlich das Schlupfloch „Führerscheinerwerb im Ausland“ mit Hilfe der EU effektiv und endgültig zu schließen.

Aktion „Gelbe Karte“

Im Kontext mit diesem Urteil möchte ich noch einmal auf die Aktion „Gelbe Karte“ hinweisen, worüber die FahrSchulPraxis bereits in der Ausgabe Oktober 2011, Seite 534, berichtet hat. An dieser sinnvollen Präventionsmaßnahme beteiligen sich mittlerweile zahlreiche Landkreise in Baden-Württemberg und in anderen Bundesländern. Auch bei dieser Aktion können außerhalb des Straßenverkehrs festgestellte Auffälligkeiten Auswirkungen auf die Erteilung oder den Bestand der Fahrerlaubnis haben.

Drohender Entzug der Fahrerlaubnis soll mäßigend einwirken

Jugendliche und junge Erwachsene, die wegen Gewaltdelikten, wegen Randalierens oder wegen Volltrunkenheit aufgefallen sind, bekommen Post von der Führerscheinstelle. In diesem Schreiben, dem eine symbolische gelbe Karte beiliegt, werden sie darauf hingewiesen, dass im Wiederholungsfall ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen mittels einer MPU geprüft werden kann. Dem Vernehmen nach sind die Erfahrungen mit der „Gelben Karte“ in Baden-Württemberg sehr positiv. Die Rückfallquote liegt bei unter einem Prozent. Damit hat sich gezeigt, dass der angedrohte Mobilitätsentzug und der damit verbundene Wegfall der Statussymbole Führerschein und Autofahren die Jugendlichen zum Nachdenken und zur Änderung ihres Verhaltens bringen kann. Deshalb wäre es wünschenswert, dass sich auch die bisher nicht beteiligten Landkreise zum Mitmachen entschließen.

Jochen Klima