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479 EDITORIAL: Bürokratismus pur!
482 Kurz und aktuell: Papierlos - nicht bei Gericht / Sicherheitsgurt - der Leichtsinn fährt immer noch mit
485 Prüfungsfahrzeuge - Brüssel: Maßgebliche Änderungen
492 Energieverbrauchskennzeichnungsrecht: Effizienz-Label für neue Produkte
495 Altersvorsorge – Fatale Irrtümer bei der Riester-Rente
500 Fahrschülerinnen belästigt: Fahrlehrer Grapscher am Ende
504 Alkohol und Randale: Führerschein weg – ohne zu fahren
512 Gebhard L. Heiler: Wenn’s von allen Seiten grünt ... oder wie man in Radolfzell die StVO auslegt
522 Gerichtsurteile: (2102) Keine Halterhaftung für Parkplatzgebühren / (2101) Fahrerlaubnisprüfung in deutscher Sprache / (2100) Lahme Unfallregulierung / (2099) Fehlender Kfz-Versicherungsschutz / (2098) Fragwürdige Parkerleichterung / (2097) Einkaufswagen-“Führer“ begeht Unfallflucht auf Parkplatz / (2096) Baumschau durch Fachmann muss sein / (2095) Widerruf beim Fernabsatzvertrag
Gebhard L. Heiler: Wenn’s von allen Seiten grünt ... oder wie man in Radolfzell die StVO auslegt

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe September/2012, Seite 512
Was gilt, wenn auf einer Kreuzung zwei im rechten Winkel aufeinandertreffende Straßen gleichzeitig Grün bekommen? Jetzt denken Sie wahrscheinlich, das gibt es doch gar nicht, das lässt die StVO nicht zu. Ganz recht, liebe Leserinnen und Leser, die einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrs-Ordnung lassen solch gefährlichen Unfug nicht zu. Außer offenbar im beschaulichen Radolfzell am Schwäbischen Meer. Dort scheint man hausgemachtes Recht zu präferieren, jedenfalls soweit es die Verkehrsregelung auf der Kreuzung Schützenstraße/Bismarckstraße/Tegginger Straße angeht.
Die Erstgenannten treffen rechtwinklig, also aus verschiedenen Richtungen, aufeinander. Und die hat man, was der Leichtigkeit des Verkehrs nützen mag, zu einer sog. abkickenden Vorfahrtstraße zusammengefasst. Wartepflichtig ist, wer aus der Tegginger Straße (siehe Foto) in die Schützenstraße fahren oder links in die Bismarckstraße abbiegen will. Wartepflichtig ist auch, wer aus der Schützenstraße geradeaus in die Tegginger Straße fahren will. Die zur Vorfahrtregelung aufgestellten Zeichen und die Fahrbahnmarkierungen sind eindeutig. Doch wie man auf dem Bild sieht, galten im Moment der Aufnahme die Vorfahrtzeichen gar nicht (§ 37 Absatz 1 StVO): Denn nicht nur der auf der Schützenstraße ganz offensichtlich geradeaus in die Tegginger Straße fahrende Lieferwagen, sondern auch die beiden von rechts aus der Bismarckstraße kommenden Pkw hatten Grün. Haben die Ampeln an diesem Tag verrückt gespielt? Handelte es sich um eine vorübergehende Fehlschaltung? Mitnichten! Das Bild wurde am 23. November 2011 geschossen – und seitdem hat sich an dieser illegalen, äußerst gefährlichen Regelung nichts geändert.
Ein Kollege, der das fatale Grün beanstandete, bekam von der Straßenverkehrsbehörde die unglaubliche Auskunft, wer so wie der Lieferwagen fahre, verlasse die abknickende Vorfahrtstraße und werde dadurch zu einem „unechten Linksabbieger“, sei also wartepflichtig. Sodann faselte der amtliche Schreiber noch etwas von grünen Pfeilen in der Ampel, was in diesem Fall völliger Nonsens ist. Nun aber zum § 37 StVO Absatz 1 Satz 1. Der ist eindeutig: „Lichtzeichen gehen Vorrangregeln, Vorrang regelnden Verkehrszeichen und Fahrbahnmarkierungen vor.“ Kann es sein, dass die dortige Straßenverkehrsbehörde das Zeichen 306 (Vorfahrt) und das den Verlauf der Vorfahrtstraße anzeigende Zusatzzeichen samt den Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren!) und 206 (Halt! Vorfahrt gewähren!) nicht zu den Vorrang regelnden Verkehrszeichen zählt?
Da auch das zuständige Regierungspräsidium die Auffassung der örtlichen Straßenverkehrsbehörde teilt, muss der § 37 StVO wohl demnächst à la Radolfzell novelliert werden. Hoffentlich tritt nicht zuvor ein Fall der Amtshaftung ein! – Aber dafür löhnt dann ja der Steuerzahler.
Gebhard L. Heiler