Stichtag 19.01.2013 – Wie ist die Umstellung gelaufen?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe April/2013, Seite 192

Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, diese Ausgabe der FahrSchulPraxis in den Händen halten, ist der 19.01.2013 schon ein Vierteljahr Geschichte. Und, was Wunder, die Fahrschulwelt hat sich seitdem munter weitergedreht. Nun darf man kurz innehalten und fragen: Wie lief die Umstellung, wo ging’s gut, wo hat’s gehapert? 

Den Resonanzen vieler Mitglieder des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. ist zu entnehmen: Wir waren jederzeit – wie wir es von unserem Verband gewohnt sind – bestens informiert und somit gut auf die Umstellung vorbereitet.

Regionalversammlungen

Im Herbst 2012 fanden – im Land optimal gestreut – sieben Regionalversammlungen statt. Dabei konnten annähernd tausend Kolleginnen, Kollegen und ihre Bürokräfte umfassend über die anstehenden Änderungen informiert werden.

Homepage, Forum und Infoflyer

Die FahrSchulPraxis, die Internetseite www.fahrlehrerverband-bw.de sowie das interne Internet-Forum des Verbandes waren jederzeit auf dem aktuellen Stand der Gesetzgebung. Obwohl die letzten Detailfragen erst wenige Tage vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts geklärt wurden, gelang es, pünktlich zum 19. Januar die Tabellen über die neuen Führerscheinklassen und -vorschriften anschaulich und lückenlos auf der Homepage des Verbandes bereitzustellen. Ebenso waren die entsprechenden Informationsflyer zum Versand an die Mitglieder bereit. Von den Verbandsfahrschulen gingen zahlreiche Bestellungen ein. Daneben gab es viele Anfragen von Behörden und anderen Institutionen mit der Bitte, sich zu den Seiten des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. verlinken zu dürfen. Das zeigt, das Team der Verbandsgeschäftsstelle in Korntal hat gute Arbeit geleistet.

Bundesdruckerei, Behörden und TÜV

Nimmt man die geringe Anzahl der bei der Verbandsgeschäftsstelle aufgelaufenen Beschwerden als Maßstab, dann haben auch die Bundesdruckerei, die meisten Fahrerlaubnisbehörden und der TÜV die Umstellung zügig und ohne größere Reibungen in den Griff bekommen. Die Bundesdruckerei lieferte schon wenige Tage nach dem Stichtag die neuen Führerscheinkarten an die Fahrerlaubnisbehörden aus. Wo das im Einzelfall nicht möglich war, konnten die Führerscheinstellen unbürokratisch mit der Aushändigung von vorläufigen Fahrberechtigungen helfen.

Klasse B1?

Zumindest auf den ersten Blick unterscheidet sich die neue, nun europaweit einheitliche Führerscheinkarte nur unwesentlich vom bisherigen Muster. Auf der Rückseite findet man jetzt jedoch die Zeile „B1“ mit Sinnbild. Es geht um die seit 1994 in den EG-Führerscheinrichtlinien vorgesehene fakultative Unterklasse der Klasse B. Da diese Klasse in Deutschland nicht eingeführt wurde, haben die in Deutschland ausgegebenen Führerscheinkarten in dieser Zeile einen Strich.

Befristung der Führerscheine

Die teilweise von den Medien geschürte Aufregung um die Befristung der Führerscheine hat sich weitgehend gelegt. Wer es nicht mehr geschafft hat, vor dem 19.01.2013 den alten unbefristeten Kartenführerschein ausgehändigt zu bekommen, muss nach 15 Jahren, also im Jahr 2028 tauschen. Da aber nur fünf Jahre danach, nämlich spätestens am 19.01.2033 auch der Umtausch aller Altführerscheine abgeschlossen sein muss, ist das kein großer Nachteil. Schade nur, dass es nicht gelang, außer einem neuen Passbild den Sehtest als Voraussetzung für die Verlängerung einzuführen. Doch in diesem für die Verkehrssicherheit wichtigen Punkt ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. 

Neues Mindestalter bei der Klasse C

Wegen der Anhebung des Mindestalters für die Klasse C auf 21 Jahre ist Unmut in der Bevölkerung, insbesondere von Feuerwehren und Handwerkern, bislang ausgeblieben. – Oder haben es viele noch nicht gemerkt? 

Prüfungen

Dank der großzügigen Übergangsregelung in § 76 Nr. 10 FeV konnte zumindest im Dezember und im Januar ein übermäßiger Ansturm auf Prüfungsplätze für die Klasse C vermieden werden. Unklar ist, ob jemand der noch mit 18 die Klasse C erworben hat, für die Erweiterung auf die Klasse CE bis zu seinem 21. Geburtstag warten muss.

Dreirädrige Kfz nicht mehr in Klasse B

Dass die Klasse B nun nicht mehr zum Führen von Trikes und anderen dreirädrigen Kraftfahrzeugen berechtigt, scheint bisher keine größeren Probleme zu verursachen. Jedoch sind beim Umtausch von Altführerscheinen der Klassen 3 und B bereits erste Missverständnisse aufgetreten. Zur Erhaltung des Besitzstandes wird beim Umtausch die Klasse A mit den neuen Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 für dreirädrige Kraftfahrzeuge zugeteilt. Daraus schließen manche Führerscheininhaber, sie seien nun auch zum Führen von Motorrädern berechtigt. Hier ist offenbar noch Aufklärung nötig. 

Klasse A2

Für die Klasse A2 enthält die dritte EG-Führerscheinrichtlinie folgende Bestimmung:

„Krafträder mit einer Motorleistung von bis zu 35 kW und einem Leistungsgewicht bis zu 0,2 kW/kg, die nicht von einem Fahrzeug mit mehr als der doppelten Motorleistung abgeleitet sind.“

Der unterstrichene Teil dieser Bestimmung wurde vom deutschen Verordnungsgeber nicht in nationales Recht umgesetzt und somit nicht in die FeV übernommen. Deshalb ist diese Bestimmung innerhalb Deutschlands bedeutungslos. Eine Nachfrage des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. beim österreichischen Fahrlehrerverband hat aber ergeben, dass dort die Bestimmung in nationales Recht umgesetzt wurde. Die Klasse A2 berechtigt demnach in Österreich nicht zum Führen eines auf 35 kW gedrosselten Kraftrades, dessen ursprüngliche Leistung mehr als das Doppelte betrug. Dafür braucht man dort die Klasse A. Und das gilt auch für deutsche Touristen! (siehe FahrSchulPraxis März 2013, S. 169). Wahrscheinlich wurde die Richtlinie auch in den meisten anderen EU-Staaten wortgetreu umgesetzt, sodass dort die Klasse A2 für derart gedrosselte Motorräder ebenfalls nicht ausreicht. Die großen Motorradhersteller haben dies mittlerweile bemerkt und raten ihren Kunden von Fahrten ins Ausland ab, sofern ihr gedrosseltes 35-kW-Motorrad nicht der Richtlinie entspricht. 

Stufenführerschein der Motorradklassen

Beratungsbedarf besteht auch für den Stufenführerschein. Zahlreiche Falschmeldungen der Medien haben hier Verwirrung gestiftet. Vielen Führerscheininhabern ist nicht bekannt, dass der Aufstieg durch bloßes Ablegen einer praktischen Prüfung (40 Minuten) nur in Stufen möglich ist, und zwar nur nach mindestens zweijährigem Vorbesitz der jeweils niedrigeren Klasse. 

Wer etwa von A1 direkt nach A aufsteigen will, muss eine theoretische und praktische Ausbildung durchlaufen und eine komplette Prüfung ablegen.

  • Theoretische Ausbildung:
    6 Doppelstunden Grundstoff,
    4 Doppelstunden Klasse A Zusatzstoff
  • Praktische Ausbildung: Neben etwa erforderlicher Grundausbildung sind
    3 x 45 Min. Überlandfahrt,
    2 x 45 Min. Autobahnfahrt und
    45 Min. Beleuchtungsfahrt Pflicht.

  • Theoretische Prüfung: 20 Fragen

  • Praktische Prüfung: 60 Minuten

Diese Regelungen gelten auch für Inhaber alter Führerscheine der Klassen 2, 3 und 4, die vor dem 01.04.1980 erworben wurden.

Einschluss Klasse AM in Klasse T

Quasi in letzter Minute und entgegen ursprünglicher Verlautbarung entschied der Verordnungsgeber, die neue Klasse AM – analog zur bisherigen Klasse M – in die Klasse T einzuschließen. Das ist ein deutscher Sonderweg, denn die Regelung steht nicht im Einklang mit dem europäischen Recht (Klasse T ist keine „europäische Klasse“, schließt jetzt aber mit AM eine solche ein). Man hofft wohl darauf, dass die EU-Kommission stillhält und nichts dagegen unternimmt. In diesem Zusammenhang ist aber zu fragen: Weshalb darf einem Inhaber der Klasse T, der später die Klasse B erwirbt, nicht automatisch die Klasse BE zugeteilt werden? Immerhin ist der ja berechtigt, Züge bis einer zulässigen Gesamtmasse (zG) von 40 t zu führen. Bisher hieß es dazu, eine nationale Klasse könne keine rechtlichen Auswirkungen auf eine europäische Klasse nehmen. 

Übergangsregelungen für Prüfungsfahrzeuge

Erst kurz vor knapp wurde klar, dass die meisten „alten“ Prüfungsfahrzeuge noch bis zum 18.01.2017 weiter verwendet werden dürfen. Das hat vor allem bei den Kollegen, die sich frühzeitig eine neue A2-Maschine mit einem Hubraum von 400 cm3 besorgt und ihr 250-cm3-Motorrad verkauft haben, für Unmut gesorgt. 

Ebenso unverständlich ist es, dass Klasse-B-Kombinationen (zG 3,5 t) zur Ausbildung und Prüfung der Klasse BE eingesetzt werden dürfen. Da der Bewerber die Fahrerlaubnis Klasse B für die Kombination, auf der er in der Klasse BE ausgebildet wird, bereits besitzt, gilt nach dem klaren Wortlaut des § 2 Absatz 15 Satz 2 StVG der Fahrlehrer nicht als Führer des Fahrzeugs. Zur Klärung der Haftung bei erforderlichen Eingriffen hat die Fahrlehrerversicherung auf Anfrage der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. Stellung genommen: Siehe Wortlaut unten.

Kurios ist außerdem, dass mangels einer Übergangsfrist in Anlage 7a FeV für die B96-Schulung eine schwerere Kombination (zG>3,5 t), als für die Klasse BE erforderlich ist.

Obligatorische Gefahrbremsung bei der Klasse B

Dazu sind die Rückmeldungen unserer Mitglieder recht unterschiedlich. In manchen Regionen scheint es tatsächlich keine Prüfungsfahrt der Klasse B ohne Gefahrbremsung zu geben. Aber es gibt durchaus auch Berichte, wonach seit Inkrafttreten des neuen Rechts „Abbremsen mit höchstmöglicher Verzögerung“ noch kein einziges Mal verlangt wurde. Da muss wohl die eine oder andere TÜV-Niederlassung noch ihre Hausaufgaben machen! Es kann nicht angehen, dass diese wichtige Grundfahraufgabe dem Gutdünken einzelner Prüfer überlassen wird. 

Klasse B mit Schlüsselzahl 96

Zurzeit gibt es noch keine belastbaren Zahlen über die Anzahl derjenigen Bewerber, die sich statt für Klasse BE lieber für die siebenstündige B96-Schulung entscheiden. Hingegen liegen dem Verband bereits Informationen über ruinöse Dumpingpreise für die B96-Ausbildung vor. Selbst wenn man aus den sieben vorgeschriebenen Stunden à 60 Minuten die Theorieausbildung herausrechnet, was bei gleichzeitigem Erwerb der Klasse B zulässig ist, bleibt trotzdem noch ein nicht unerheblicher, kostspieliger Zeitaufwand übrig. 

Jochen Klima

Fahrlehrerversicherung:
Versicherungsschutz des Fahrlehrers bei der BE-Ausbildung/-Prüfung von Fahrerlaubnisinhabern

„ln der Übergangszeit bis 2017 dürfen in der Ausbildung BE auch die bisherigen sogenannten Formel-Züge verwendet werden. Diese Züge sind in ihrer zulässigen Zug-Gesamtmasse bis 3.500 kg schwer. Diese Züge dürfen aber seit dem 19.01.2013 auch von Inhabern der Klasse B geführt werden, ohne dass sie die BE-Fahrerlaubnis besitzen. Da sie aber auf diesen Zügen auch ausgebildet werden können und dürfen, ist der Fahrlehrer nicht mehr der verantwortliche Führer des Kraftfahrzeugs; siehe § 2 Absatz 15 StVG. Die Fahrlehrerversicherung gewährt aber in diesen Fällen Versicherungsschutz für den Fahrlehrer in vollem Umfang unter der Voraussetzung, dass sowohl das Zugfahrzeug als auch der Anhänger bei der Fahrlehrerversicherung versichert sind. ln den Fällen, in denen eines der Fahrzeuge nicht bei der Fahrlehrer-versicherung versichert ist, muss der jeweilige Versicherungsschutz bei dem Versicherer nachgefragt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht in letztgenannten Fällen, bei der Fahrlehrerversicherung die ‘Besondere Kfz-Haftpflichtversicherung’ abzuschließen, die genau für den Fall Versicherungsschutz bietet, in dem der Fahrlehrer nicht der Führer des Kraftfahrzeugs ist, weil dieses von einem Fahrerlaubnisinhaber geführt wird.“