Freie Mitarbeiter: Risiko Scheinselbstständigkeit lauert

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe April/2013, Seite 210

Mit dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 09.10.2012 (AZ 4 K 4032/11) wurde der Erlaubnisbehörde wegen des Fehlens einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage untersagt, für Beschäftigungsverhältnisse von Fahrlehrern ausschließlich die Form von Arbeitsverhältnissen zu verlangen.

Das Gericht hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle im Fahrlehrergesetz getroffenen Aufsichts- und Überwachungspflichten des Fahrschulinhabers uneingeschränkt erfüllt werden müssen. Der Fahrschulinhaber ist also in vollem Umfang dafür verantwortlich, dass der beschäftigte Fahrlehrer

  • sich sowohl bei der theoretischen als auch bei der praktischen Ausbildung der Fahrschüler an den Zielen der Fahrschüler-Ausbildungsordnung orientiert und die vom Fahrschulinhaber vorgegebenen Ausbildungspläne einhält,
  • die Aufzeichnungen über die Ausbildung führt,
  • täglich alle für die Führung des Tagesnachweises erforderlichen Informationen bereitstellt,
  • die in § 6 FahrlG getroffenen Regeln über die Arbeitszeit beachtet,
  • regelmäßig an der gesetzlich vorgeschriebenen Fortbildung teilnimmt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kann der Fahrschulinhaber gegenüber dem beschäftigten Fahrlehrer diese Vorgaben auch durchsetzen, ohne dass dafür ein Arbeitsvertrag erforderlich ist.

Die Befürworter der vom Gericht als zulässig erklärten Regelung haben bislang nicht darauf hingewiesen, dass die Beschäftigung von Fahrlehrern als freie Mitarbeiter sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Fahrschulinhaber erhebliche Risiken birgt:

  • Wer 85 oder mehr Prozent seines Jahresumsatzes bei einem Auftraggeber erzielt, gilt als scheinselbstständig. In diesen Fällen geht die Sozialkasse von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis aus. Dies wiederum bedeutet, dass der Arbeitgeber die gesamten noch nicht verjährten Sozialversicherungsbeiträge nachentrichten muss. Diese Zahlungsverpflichtung bezieht sich auf die Arbeitgeber- und auf die Arbeitnehmerbeiträge.
  • Unabhängig von der Frage der Scheinselbstständigkeit ist der Fahrlehrer als selbstständiger Lehrer auf jeden Fall rentenversicherungspflichtig, falls er keinen rentenversicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigt.
  • Ein Fahrschulinhaber, der seinen bisherigen angestellten Mitarbeiter zum freien Mitarbeiter macht und somit keinen rentenversicherungspflichtigen Mitarbeiter mehr beschäftigt, ist ab diesem Zeitpunkt ebenfalls rentenversicherungspflichtig.
  • Der freie Mitarbeiter verliert seinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, an gesetzlichen Feiertagen und im Urlaub.
  • Der Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf Zuschüsse zur sozialen Absicherung.
  • Sofern der beschäftigte Fahrlehrer für die praktische Ausbildung sein eigenes Fahrzeug einsetzt, ist der Fahrschulinhaber nach § 17 Nummer 4 FahrlG verpflichtet, dieses Fahrzeug der Erlaubnisbehörde zu melden. Außerdem ist der Fahrschulinhaber für den ordnungsgemäßen Zustand dieses Fahrzeugs verantwortlich.

Peter Tschöpe