Wenn Fahrschüler nicht zahlen – Streit um die Endsumme

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Februar/2013, Seite 90

(Urteil Amtsgericht Schwäbisch Gmünd, AZ  4 C 660/12)

Laut Fahrschüler-Ausbildungsordnung (FahrschAusbO) dürfen Führerscheinbewerber erst dann zur praktischen Prüfung vorgestellt werden, wenn sie prüfungsreif sind. Über die Anzahl der bis dahin benötigten Fahrstunden entstehen gelegentlich unterschiedliche Meinungen. Mit dieser Thematik hatte sich unlängst das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd zu befassen.
(Az.: 4 C 660/12)

Letzten Herbst fragten Eltern für ihren Sprössling bei einer Fahrschule nach den Konditionen für den Führerscheinerwerb der Klasse B an. Die Fahrschule ging dabei ausführlich, wie im Fahrlehrergesetz (§ 19) vorgesehen, auf die einzelnen Preisbestandteile ein. Darüber hinaus wurden auch die vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte erläutert. Auf die Frage nach dem Gesamtpreis lautete die Antwort: „2.000 € plus“. So weit, so gut; es kam zum Ausbildungsvertrag.

Rechnung wird angezweifelt

Nachdem der junge Mann bestanden hatte, monierten seine Eltern den Rechnungsbetrag in Höhe von € 2.540. Mit dem Argument, es sei ein Betrag von € 2.000 ausgemacht gewesen, verweigerten sie die Zahlung von € 540. Der Fahrlehrer erklärte den Eltern, man könne niemals exakt im Voraus wissen, wie viele Fahrstunden tatsächlich benötigt würden.

Klare Argumente der Fahrschule

Dabei hob der Fahrlehrer hervor, eine Ursache für die über dem Durchschnitt liegende Anzahl von Fahrstunden sei gewesen, dass ihr Sohn bei der Ausbildung Probleme mit der Feinmotorik seiner Füße gehabt habe. Zum Beispiel habe ihm der rasche Wechsel vom Gas- zum Bremspedal und umgekehrt Schwierigkeiten bereitet. Hinzu sei gekommen, dass er einstellungsbedingt permanent mit zu hoher Geschwindigkeit und mit zu wenig Umsicht gefahren sei. Und zuletzt hätte die praktische Ausbildung für sechs Wochen unterbrochen werden müssen, weil der Sohn es trotz mehrfacher Erinnerung versäumt hatte, seinen Führerscheinantrag rechtzeitig bei der zuständigen Behörde abzugeben.

Treffpunkt Amtsgericht

Die Argumente des Fahrlehrers überzeugten die Eltern nicht, sodass sich der Kollege gezwungen sah, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Dessen Klageandrohungen blieben ebenfalls erfolglos. So traf man sich schließlich beim Amtsgericht in Schwäbisch Gmünd.

Urteil zugunsten der Fahrschule

Um es vorwegzunehmen: Die Fahrschule bekam in vollem Umfang Recht. Der Fahrschüler bzw. seine Erziehungsberechtigten wurden verurteilt, den noch offenen Betrag zuzüglich Zinsen, Gerichts- und Anwaltskosten zu bezahlen. Besonders interessant wird das Urteil dadurch, dass es nicht nur auf den Ausbildungsvertrag und die daraus nach § 611 BGB entstandene Zahlungspflicht des Kunden abhebt. Das Gericht nahm vielmehr auch Stellung zur Entscheidungskompetenz des Fahrlehrers bezüglich der Anzahl der erforderlichen Fahrstunden und des Zeitpunktes der Anmeldung zur Prüfung.

Gericht: Genaue Fahrstundenzahl nicht vorhersehbar

Im Kontext zum Urteil sah sich das Gericht zu der Vorbemerkung veranlasst, „dass der Beklagte eine Schule besucht hat und seinen Lehrern eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative („Vorrecht“, Anm. d. Verf.) hinsichtlich der Beurteilung des Kenntnis- und Praxisstands des Beklagten im Hinblick auf die Einschätzung seiner erworbenen theoretischen und praktischen Fähigkeiten mit dem Ziel des positiven Abschlusses seiner Fahrausbildung zusteht.“

Das Gericht führte weiter aus, dass es sich bei der Einschätzung des Fahrlehrers bezüglich der Probleme des Schülers hinsichtlich der Feinmotorik, der mangelnden Umsicht oder der häufig zu hohen Geschwindigkeit „um Problemfelder handelt, mit denen Fahrlehrer regelmäßig konfrontiert werden. Dabei handele es sich um den ureigenen Bereich, in welchem Fahrlehrer einen Schüler anhand ihrer langjährigen Erfahrung einstufen müssen“.

Damit stellte das Gericht unmissverständlich klar, dass kein Außenstehender – auch nicht das Gericht – sich anmaßen darf, zur tatsächlich benötigten Fahrstundenzahl Stellung zu nehmen. Dies liege in der alleinigen Kompetenz des ausbildenden Fahrlehrers.

Dilemma: Kosten vs. Verkehrssicherheit

Der Amtsrichter erläuterte, dass Fahrschulen immer vor folgendem Dilemma stehen: Auf der einen Seite steht das Interesse des Fahrschülers, den Führerschein möglichst preisgünstig zu erwerben. Auf der anderen Seite stehen die gesetzlichen Bestimmungen, die es dem Fahrlehrer untersagen, einen Fahrschüler zur Prüfung vorzustellen, wenn er subjektiv beurteilend (und das reicht aus!) zu der Erkenntnis kommt, dass die Ausbildungsziele noch nicht erreicht sind. Allerdings böte genau dieses Dilemma „freilich die bestmögliche Gewähr einer zutreffenden Einschätzung des Probanden“.

Vereinbarung „2.000 € plus“ ist nicht bindend!

Interessant ist auch, dass die Einschätzung der Eltern, das vereinbarte Entgelt von „2.000 € plus“ sei überschritten worden, rechtlich nicht von Belang ist. Es sei gerade kein Festpreis vereinbart worden, und die Überschreitung der anvisierten Summe um 20 bis 25 Prozent liege in dem Rahmen, mit dem die Beklagten rechnen mussten. Es liege durchaus in der Toleranz, dass der eine Fahrschüler zur Bewerkstelligung eines gewissen Kenntnis- und Praxisstandes vier und ein anderer fünf Stunden benötigt. Im Übrigen muss sich die Fahrschule auch nicht vorwerfen lassen, dass die eine oder andere Fahrschule ihre Dienste preiswerter anbietet. „Die Beklagten hatten die Wahl!“

Konsequenzen dieses Urteils

1. Fahrschüler-Ausbildungsordnung

Dieses Urteil – wenngleich kein obergerichtliches – ist geeignet, Fahrschulen und Fahrlehrern bei den immer wieder aufkommenden Diskussionen um die erforderliche Fahrstundenzahl den Rücken zu stärken. Das Gericht hat sich in vollem Umfang dem angeschlossen, was auch die Fahrschüler-Ausbildungsordnung (FahrschAusbO) in § 6 Absatz 1 zu diesem Thema sagt:
„Der Fahrlehrer darf die theoretische und die praktische Ausbildung erst abschließen, wenn der Bewerber den Unterricht im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang absolviert hat und der Fahrlehrer überzeugt ist, dass die Ausbildungsziele nach § 1 erreicht sind. Für die Durchführung der hierfür notwendigen Übungsstunden hat der Fahrlehrer Sorge zu tragen.“

2. Aufzeichnungen zur Dokumentation des Ausbildungsstandes

Klar ist auch, dass neben der Dokumentationspflicht des § 5 Absatz 1 letzter Satz FahrschAusbO weitere Aufzeichnungen sinnvoll sind. Zum Beispiel über während der Ausbildung aufgetretene Lernstörungen und -probleme. Damit kann erforderlichenfalls eine überdurchschnittlich hohe Fahrstundenzahl erklärt und begründet werden.

3. Inkasso

Last, but not least der Rat: Legen Sie die von der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) empfohlenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Fahrschulen (AGB) allen Ausbildungsverträgen zugrunde. Und wenden Sie die darin vorgegebenen Zahlungsbedingungen konsequent an. Wer einen Fahrschüler erst dann zur Prüfung lässt, wenn alle Fahrstunden und sonstigen Entgelte bezahlt sind, muss zumindest nicht seinem ehrlich verdienten Geld hinterherlaufen.

Jochen Klima