Praktische Prüfung: Wenn der Fahrlehrer eingreift

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe September/2013, Seite 496

Gelegentlich soll es Diskussionen zwischen Prüfern und Fahrlehrern darüber geben, ob zu früh, zu spät oder gar unnötig eingegriffen wurde. Die Rolle des Fahrlehrers

Nach den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes (§ 2 Absatz 15 StVG) gilt der Fahrlehrer auch bei der Prüfungsfahrt als Führer des Fahrzeugs. Deshalb ist er während der Prüfung dafür verantwortlich, dass niemand gefährdet oder geschädigt wird. Greift er beispielsweise bei einem drohenden Rotlicht-Verstoß nicht ein, kriegt nicht der Bewerber das Bußgeld und die Punkte aufgebrummt, sondern der Fahrlehrer. Wird deshalb ein Fahrverbot verhängt, muss der Fahrlehrer Führerschein und Fahrlehrerschein abliefern (§ 7 FahrlG). Das heißt, er darf während der Dauer des Fahrverbots weder theoretischen noch praktischen Unterricht erteilen. Handelt es sich um den Fahrschulinhaber bzw. den verantwortlichen Leiter einer GmbH oder UG, ruht automatisch die Fahrschulerlaubnis, und der ganze Betrieb steht zunächst einmal still.

Regelungen der FeV und der Prüfungsrichtlinie

Nach den Vorgaben der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV, Anlage 7) sowie der Prüfungsrichtlinie führen erhebliche Fehler (z.B. ein Rotlicht-Verstoß) zum sofortigen Nichtbestehen der Prüfung. Die Prüfung ist aber auch dann als nicht bestanden zu werten, wenn das Verhalten des Fahrlehrers die Beurteilung des Bewerbers unmöglich macht oder dieser den Prüfer zu täuschen versucht. Dies gilt für verdeckte Handzeichen, überdeutliche Kopfbewegungen oder verbale Hinweise gleichermaßen.

Eingriff – lieber zu früh als zu spät?

Natürlich ist der Bewerber auch dann durchgefallen, wenn der Fahrlehrer eingreifen muss, um einen Unfall oder eine Gefährdung zu verhindern. Dabei müssen wir Fahrlehrer uns hundertprozentig darauf verlassen können, dass der Prüfer bei der abschließenden Besprechung darauf hinweist, dass nicht der Eingriff, sondern das Fehlverhalten des Bewerbers zum Nichtbestehen der Prüfung geführt hat. Müsste ein Fahrlehrer damit rechnen, dass der Prüfer lediglich den Eingriff als Grund für das Nichtbestehen anführt, wäre es zumindest nachvollziehbar, wenn ein Fahrlehrer – nur um in den Augen seines Kunden nicht schlecht dazustehen – riskante Situationen ohne Eingriff durchstehen wollte.

Zu früh oder unnötig?

Dabei hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr Einvernehmen über den Umgang mit Zweifelsfällen ergeben. Danach verlangt ein unnötig früher oder aus Übervorsicht erfolgter Eingriff nach sehr differenzierter Beurteilung. Kam der Eingriff gleichzeitig mit oder sehr kurz vor der entsprechenden Reaktion des Bewerbers, soll ihm das nicht angelastet werden. Vielmehr kann die Prüfungsfahrt nach einem klärenden Ansprechen der Situation durch den Prüfer und einem beruhigenden Einwirken auf den Prüfling fortgesetzt werden.

Beurteilung des Bewerbers muss möglich bleiben!

Wo aber verläuft die Grenzlinie zwischen gesunder Vorsicht des Fahrlehrers und dem Vereiteln der korrekten Beurteilung des Bewerbers durch den Prüfer? Darüber kam es vor kurzem an einem Prüfungsort im nördlichen Landesteil zu einem Konflikt zwischen Prüfer und Fahrlehrer: Ein Bewerber um die Klasse CE wollte mit dem Lastzug in eine Straße einfahren, die mit Zeichen 253 und Zusatzschild „Anlieger frei“ beschildert war. Dank des Zusatzschildes hätte nach der Prüfungsrichtlinie das Passieren des Schildes nicht zum Nichtbestehen geführt. Da der Fahrlehrer aber wusste, dass es in der engen und meist zugeparkten Straße keine vernünftige Wendemöglichkeit gibt und überdies Ärger mit den Anliegern droht, griff er ein und verhinderte die Weiterfahrt. Anstatt nun Verständnis für das vorausschauende Verhalten des Fahrlehrers zu zeigen, wertete der Prüfer die Prüfungsfahrt wegen des Eingriffs als nicht bestanden. Begründung: Das Verhalten des Fahrlehrers habe die objektive Beurteilung des Bewerbers verhindert. Erst eine Beschwerde des Fahrlehrers beim zuständigen FE-Verantwortlichen überzeugte den Prüfer, in diesem Fall zu harsch geurteilt zu haben.

Fingerspitzengefühl erforderlich!

Der Vorfall zeigt, dass manchmal – und zwar durchaus auf beiden Seiten – ein wenig mehr Fingerspitzengefühl hilfreich wäre. Da kommen Fragen auf: Muss ausgerechnet an derart problematischen Stellen die Beachtung von Verkehrszeichen geprüft werden? Ist das nicht dicht an der Grenze zum Fallenstellen? Zum Zweiten sollte der Prüfer es dem Fahrlehrer überlassen, wenn er das Einfahren in eine gesperrte Straße mit dem mit seinem Namen beschrifteten Fahrschulfahrzeug nicht zulassen will. Andererseits kann es aber auch nicht angehen, dass ein zu früher Hinweis des Fahrlehrers dem Bewerber eine Hilfestellung gibt, die tatsächlich eine objektive Beurteilung durch den Prüfer verhindert.

Diskussion erwünscht!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hierzu ist Ihre Meinung gefragt! Ich würde mich freuen, wenn sich zu diesem heiklen Thema eine rege Diskussion in den Leserbriefspalten der FahrSchulPraxis oder im internen InternetForum des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. ergeben würde.

Jochen Klima