Urteil: Preisangabe für eine Führerscheinausbildung - Fahrschule darf nicht mit Gesamtpreisen werben

  • © FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe September/2013, Seite 510

Aktenzeichen: 13 U 134/12 OLG Celle vom 21.03.2013

Die Verbraucher sind es gewohnt, im Schaufenster die Waren mit Preisauszeichnung zu sehen. Das sorgt für Rechtssicherheit auf beiden Seiten und hilft dem Kunden zu entscheiden, einem Kauf näherzutreten oder nicht. Immer häufiger verwenden Fahrschulen sogenannte „ab-Preise“. Diese hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit seiner Entscheidung vom 21.03.2013 (AZ 13 U 134/12) für unzulässig erklärt.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte die beklagte Fahrschule in ihrem Schaufenster ein Plakat aufgehängt, auf dem sie ein zeitlich befristetes Angebot für eine

Führerschein-
Ausbildung Klasse B
ab 1.450 €

bewarb. Auf dem Plakat waren noch zusätzlich folgende Angaben ausgewiesen:

Grundbetrag 250,00 €
Fahrstunde 30,00 €
Sonderfahrt 45,00 €
Prüfung 120,00 €

Paragraf 19 FahrlG regelt Preisangaben

Zunächst stellte das Gericht klar, dass es sich bei § 19 des Fahrlehrergesetzes (FahrlG) um eine sogenannte Marktverhaltensregel handelt. Damit können Verstöße gegen § 19 FahrlG nach § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zum Gegenstand von Unterlassungsansprüchen gemacht werden. Hinsichtlich der Werbung der Fahrschule war das Oberlandesgericht der Auffassung, dass bei Nennung der Kosten zwingend die in § 19 FahrlG aufgeführten Bezeichnungen zu verwenden sind, um Irreführungen zu vermeiden und dem in § 19 enthaltenen Grundsatz der Preisklarheit und Preiswahrheit zu entsprechen. Danach muss bei der Werbung mit Preisen für jede beworbene Ausbildungsklasse das Entgelt für

  • den Grundbetrag,
  • die Vorstellung zur theoretischen Prüfung,
  • die Vorstellung zur praktischen Prüfung,
  • die Fahrstunde (45 Minuten) und
  • die besonderen Ausbildungsfahrten (45 Minuten)

angegeben sein. Das dient in erster Linie dem Verbraucherschutz. Der potenzielle Kunde hat so die Möglichkeit, die Angebote verschiedener Fahrschulen zu vergleichen.

Falsche oder unvollständige Preisangaben

Die beanstandete Werbung der beklagten Fahrschule verstößt wegen falscher und unvollständiger Preisangaben gleich in mehrfacher Hinsicht gegen die fahrlehrerrechtlichen Vorschriften zur Preisgestaltung:

1. 45-Minuten-Einheit 

Nach Anlage 5 zu § 7 der Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz (DV-FahrlG) ist der Preis für die Fahrstunde und die besonderen Ausbildungsfahrten zu je 45 Minuten anzugeben.

Dieser Anforderung hält das beanstandete Plakat nicht stand. Es fehlt der Hinweis, dass die Fahrstunde keine volle Stunde, sondern lediglich 45 Minuten dauert. Unklar bleibt überdies, ob die Fahrstunde überhaupt 45 Minuten dauert oder vielleicht sogar kürzer ist.

2. Nennung beider Vorstellungsentgelte

Nach Anlage 5 zu § 7 DV-FahrlG sind im Preisaushang sodann „Vorstellungsentgelte“ zu benennen, und zwar aufgegliedert in die Entgelte für die „theoretische Prüfung“ und die „praktische Prüfung (komplett)“.
Auch diese Aufteilung enthält das Plakat nicht. Die Fahrschule verwendete weder den gesetzlich vorgeschriebenen Terminus „Vorstellungsentgelte“ noch ließ ihr Plakat erkennen, wofür „Prüfung 120,00 €“ steht. War nur der Preis für die Vorstellung zur „theoretischen Prüfung“ gemeint? Oder nur der für die „praktische Prüfung“? Oder für beide?

3. Hinweis auf zusätzliche amtliche Gebühren

Um dem Verbraucher deutlich zu machen, dass das Entgelt für die Vorstellung zur Prüfung nicht die amtliche Prüfungsgebühr enthält, ist der in der Anlage 5 zu § 7 DV-FahrlG aufgeführte Sternchenvermerk zu verwenden: „*) Die amtlichen Gebühren für die Prüforganisationen werden von diesen zusätzlich erhoben und können in dieser Fahrschule eingesehen werden.“ Auch dieser Vermerk fehlte auf dem Werbeplakat.

4. Nennung aller drei besonderen Ausbildungsfahrten

Nach Anlage 5 zu § 7 DV-FahrlG sind ferner im Preisaushang die Entgelte für die „besonderen Ausbildungsfahrten (zu je 45 Minuten)“ anzugeben, und zwar gegliedert nach Fahrten

– auf Bundes- oder Landstraßen,
– auf Autobahnen,
– bei Dämmerung und Dunkelheit.

Auch dieser Vorgabe entsprach die Plakatwerbung nicht. Zum einen werden die „besonderen Ausbildungsfahrten“ als „Sonderfahrten“ beworben, zum anderen fehlt die vorgeschriebene Aufgliederung nach der Art der Fahrten.

Preiskampf

Hauptanlass der Unterlassungsforderung des Klägers war das für den Verbraucher nicht nachvollziehbare Kostenmodell mit dem „ab-Preis“. Der Fahrschulinhaber habe lediglich eine pauschale Dauer der theoretischen und praktischen Vermittlung des notwendigen Wissens veranschlagt, ohne zu erwähnen, dass es sich dabei um die bestmögliche Annahme handelt. Daher sei ebenso wenig erkennbar gewesen, dass der Großteil der Fahrschüler deutlich mehr Zeit benötigt und damit auch höhere Kosten anfallen könnten. Den „ab-Preis“ sah der Kläger als unzulässigen Blickfang an.

Werbung mit „ab-Preisen“ unzulässig

Das Oberlandesgericht folgte der Argumentation des Klägers und gab der Klage im März 2013 statt. Die Darstellung eines Gesamtpreises ist mit den fahrlehrerrechtlichen Vorschriften zur Preisgestaltung (§ 19 FahrlG, Anlage 5 zu § 7 DV-FahrlG) nicht in Einklang zu bringen, auch wenn der Gesamtpreis mit einem „ab-Zusatz“ versehen ist. Die Richter stützen sich in ihrem Urteil vor allem auf § 19 Absatz 1 Satz 5 FahrlG (Grundsatz der „Preisklarheit und Preiswahrheit“). Daraus ergibt sich, dass über die Kosten des Erwerbs der Fahrerlaubnis in jedem Angebot Klarheit herrschen muss. Der Verbraucher hat das Recht zu erfahren, wie teuer der Führerschein am Ende für ihn wird. Mit pauschalen „ab-Preisen“ kommt kein preisklares und preiswahres Angebot zustande.

Tragfähige Kostenprognose

Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem obergerichtlichen Urteil? Zunächst einmal hat das Gericht damit das wettbewerbswidrige Verhalten der Fahrschule erkannt, die im Zuge des Preisdrucks die Kosten möglichst niedrig darstellen wollte. Das nützt dem Kunden wenig, der am Ende doch mehr berappen muss. In der Konsequenz sollten Fahrschulen künftig eine Beratung anbieten, bei der etwa bestehende Vorkenntnisse des Schülers berücksichtigt werden. Folgt man diesem Urteil, ist auch die mündliche Nennung der Gesamtkosten einer Fahrausbildung sehr problematisch. Jedenfalls sollte der Kunde nicht befürchten müssen, über die wahren Kosten im Unklaren gelassen zu werden.

Ralf Nicolai

_____

Anmerkung: Unter AZ 6 U 67/12 hat das OLG Karlsruhe jüngst in einer Entscheidung neben dem Grundbetrag ein Intensiventgelt für zulässig erklärt. Der Verfasser wird in einer der nächsten Ausgaben der FahrSchulPraxis dazu Stellung nehmen. Zum Artikel ...