Dreirädriger Roller MP3 - Reicht Klasse B noch immer aus?

MP3 Business LT 500 (Bild: www.de.piaggio.com)
MP3 Business LT 500 (Bild: www.de.piaggio.com)

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Mai/2014, Seite 247

Im Jahr 2006 hat die Firma Piaggio mit dem MP3 einen höchst innovativen dreirädrigen Roller auf den Markt gebracht (die FahrSchulPraxis berichtete darüber in den Ausgaben 8/2009, Seite 457 und 12/2009, Seite 647). Dieser „Zwitter“ ließ – was es vorher nie gegeben hatte – trotz drei Rädern Kurvenfahren in Schräglage zu.

Ziel des Herstellers war es, Inhabern der Fahrerlaubnis der Klasse B das „Motorrad-Feeling“ zugänglich zu machen, ohne vorher einen Motorradführerschein erwerben zu müssen. Aber funktioniert diese Idee auch heute noch, nachdem durch die Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 19.01.2013 alle dreirädrigen Kraftfahrzeuge der Klasse A zugeordnet wurden?

Jetzt den Kraftradklassen zugeordnet

Mit der dritten EU-Führerscheinrichtlinie, deren Regelungen in Deutschland überwiegend am 19.01.2013 in Kraft traten, hat die EU eine bedeutende Systemänderung vorgenommen. Vierrädrige Kraftfahrzeuge wie Quads fallen nach wie vor in die Klasse B. Dreirädrige Kraftfahrzeuge – z.B. Trikes – wurden hingegen der Klasse A1 (bis 15 kW) oder der Klasse A (mehr als 15 kW) zugeordnet. In der April-Ausgabe dieser Zeitschrift berichteten wir auf Seite 183, dass es gelegentlich zu Verwirrungen führt, wenn jemand, der nur die Klasse B besitzt, seinen Führerschein umtauscht und dabei die Klasse A (mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04) eingetragen bekommt.

Spurbreite entschied über Fahrerlaubnisklasse

Der führerscheintechnische Kniff von Piaggio war die Spurbreite der beiden Vorderräder des MP3. Da diese mehr als 460 mm beträgt, galt der Roller fahrzeugrechtlich als mehrspuriges Kraftfahrzeug und nicht als Kraftrad. Dies wiederum hatte zur Folge, dass im Jahr 2006 und den folgenden Jahren fahrerlaubnisrechtlich die Klasse B statt der Klasse A zum Tragen kam. Und das, obwohl dank Schräglage die Fahreigenschaften des MP3 einem Kraftrad viel näher kommen als etwa einem herkömmlichen Trike, das bei engen Kurvenradien und zu hoher Geschwindigkeit sehr kippgefährdet ist.

Neue Unterscheidungsmerkmale: zweirädrig, dreirädrig oder vierrädrig

Dieser „Kniff“ funktioniert nach der oben beschriebenen Neueinteilung der Fahrerlaubnisklassen heute nicht mehr: Nach § 6 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) lässt die Klasse B das Führen von dreirädrigen Kraftfahrzeugen mit symmetrisch angeordneten Rädern nicht mehr zu. Somit ist auch für den Roller MP3 – je nach Motorleistung – die Klasse A1 oder A erforderlich. Man darf gespannt sein, ob Piaggio oder vielleicht auch ein anderer Hersteller erneut in die Trickkiste greifen und in absehbarer Zeit ein vierrädriger Schräglagen-Roller mit einer Spurbreite von 460 mm oder mehr auf den Markt kommen wird. Für einen solchen würde die Klasse B wieder ausreichen.

Besitzstand

Zur Klarstellung: Mit einer vor dem 19.01.2013 erteilten Fahrerlaubnis der Klasse B dürfen der MP3 sowie alle anderen dreirädrigen Kraftfahrzeuge auch heute noch gefahren werden. Sowohl bei einem Umtausch als auch bei einer Erweiterung der Fahrerlaubnis und bei einer bloßen Neuausstellung des Führerscheins, weil das Dokument nicht mehr auffindbar war, werden zur Dokumentation dieses Besitzstandes die Klasse A mit Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 eingetragen.

Jochen Klima

 

Nachtrag:
Mit der am 28.12.2016 in Kraft getretenen 11. FeV-Änderungsverordnung wurde die Fahrerlaubnisverordnung wie folgt ergänzt:

§ 6 Abs. 3a FeV lautet nun wie folgt:
Die Fahrerlaubnis der Klasse B berechtigt auch zum Führen von dreirädrigen Kraftfahrzeugen im Inland,
im Falle eines Kraftfahrzeugs mit einer Motorleistung von mehr als 15 kW jedoch nur, soweit der Inhaber der Fahrerlaubnis mindestens 21 Jahre alt ist.