Hightech pur - Fahrsimulator des Vogel-Verlags

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe August/2014, Seite 495

Der Fachverlag Heinrich Vogel bietet seit Frühjahr dieses Jahres einen Fahrsimulator an. Mit dem bisher mehr als 150 Mal verkauften Gerät hat Vogel in der Fahrschulwelt für Aufsehen gesorgt. Aufhorchen lässt auch die Werbeaussage, mit dem Gerät könnten bis zu sechs Fahrstunden eingespart werden. Der Vorstand des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V. wollte sich aus erster Hand informieren und durfte den Simulator unlängst in München „Probe fahren“.

Produktmanagerin Katja Keller im Gespräch mit Ralf Nicolai (2. Vors. FLVBW)
Produktmanagerin Katja Keller im Gespräch mit Ralf Nicolai (2. Vors. FLVBW)

Der Besuch in München kam durch Vermittlung des für den Großraum Stuttgart zuständigen Vogel-Repräsentanten Ciro Mario Castello zustande. Die Vorstandsmitglieder Klima, Nicolai und Rieker konnten den Simulator ausgiebig testen. Danach ergab sich mit der an der Entwicklung beteiligten Produktmanagerin Katja Keller eine ausführliche, durchaus auch kritische Diskussion über den Nutzwert des Simulators. 

Erster Eindruck:
Präzise Anweisungen und überzeugende Darstellung

Der erste Eindruck ist faszinierend: ein Gerät, reichlich mit digitaler Technik bestückt, sportlicher Schalensitz, echte Armaturen und gestochen scharfe Bildschirmdarstellung.
Dieses Gerät hat mit dem auch noch in der jüngeren Vergangenheit als Simulator angepriesenen „Fahrstand“ nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun.

Los geht’s

Nach dem Einschalten bekommt der Fahrer präzise Handlungsanweisungen zur Einstellung des Sitzes. Akustische Informationen wie ein sehr realistisches Motorgeräusch, ein Rumpeln im „Popometer“ beim Abwürgen und ein deutlich spürbarer Schlag am Lenkrad beim Touchieren des Bordsteins wirken recht überzeugend. Das Anfahren und das dazu erforderliche Halten der Kupplung am Schleifpunkt lassen sich gut und immer wieder üben, sodass Handlungsabläufe zur Erlangung von Routine trainiert werden können. 

Fehlende „G-Kräfte“

Doch damit ist die Simulation von Fahrdynamik auch schon erschöpft. Naturgemäß können mit einem Gerät in dieser Preisklasse keine Längs- oder Querbeschleunigungen und die dabei auf den Körper wirkenden „G-Kräfte“ dargestellt werden. Das Gehirn bekommt aber über das Auge die Information einer Verzögerung oder Beschleunigung. Da der Körper – mangels G-Kräften – den grauen Zellen eine abweichende Information liefert, besteht – zumindest für erfahrene Fahrer – die Gefahr der als „Simulatorkrankheit“ bekannten Übelkeit. Das scheint allerdings für im Computerspiel erfahrene Jugendliche kein größeres Problem zu sein.

Wolfgang Rieker (3. Vorsitzender des FLVBW) testet kritisch und ist am Ende begeistert
Wolfgang Rieker (3. Vorsitzender des FLVBW) testet kritisch und ist am Ende begeistert

Vorfahrt und Abbiegen

Sehr überzeugend wiederum können Kreuzungen mit unterschiedlichen Vorfahrtsituationen und Abbiegevorgänge mit Einordnen, Fahrstreifenwechsel und der dabei erforderlichen Umsicht vorgeübt werden. Dabei ist vor allem die sofortige durch Kameras bewirkte Rückmeldung eines vergessenen Spiegel- und/oder Schulterblicks faszinierend und für Fahrschüler sicherlich ein gutes Training.

Nur für Vogel-Kunden erhältlich

Auf den ersten Blick unverständlich, nach Erläuterung aber durchaus nachvollziehbar: Der neue Simulator kann nur von Fahrschulen gekauft werden, die auch ihre Lehrmittel bei Vogel beziehen und/oder die Verwaltungssoftware des Verlags nutzen. Die Programme sind miteinander verknüpft. So kann der Fahrlehrer im PC den Lernstand des Schülers in der Theorie und auf dem Simulator überprüfen. Dieses Zusammenwirken der Programme ermöglicht es dem Fahrlehrer beispielsweise, einen Schüler erst dann für die Trainingseinheit „Abbiegen“ auf dem Simulator freizuschalten, wenn er die entsprechende Theorie-Lektion nachweislich beherrscht. 

Fazit

Ein gewisses Kaufhemmnis kann der Preis sein (ca. 16.000 € + MwSt). Das wird sich nicht jede Fahrschule leisten. Was aber bleibt, ist ein sehr positiver erster Eindruck. Es ist möglich, Inhalte wie Anfahren, Anhalten, Abbiegen und Vorfahrtverhalten realitätsnah zu üben. Somit ist die Behauptung, es könnten Fahrstunden eingespart werden, zumindest nicht ganz von der Hand zu weisen. Auf dem Weg zu immer mehr digitalen Hilfsmitteln in den Bereichen Lehren und Lernen ist der neue Vogel-Simulator zweifellos ein beachtlicher Schritt.

JK

Drei Fragen an Brida Fiek, Fahrschulinhaberin in Freiburg:

Simulator: Damals und heute

FPX: Frau Fiek, Sie haben in Ihrer Fahrschule schon 1966 einen Simulator eingesetzt. Warum?

Fiek: Damals drängte die Generation der 30- bis 35-jährigen Hausfrauen in die Fahrschule. Mit dem ersten, freilich noch sehr primitiven Simulator hatten wir die Möglichkeit, den Damen in einer Art „Trockenkurs“ die Angst vor dem Auto und etwa damit verbundene Minderwertigkeitskomplexe zu nehmen. Es war ein Riesenerfolg. Wir hatten zahlreiche Anmeldungen – das Gerät lief von morgens bis abends.

FPX: Und heute?

Fiek: Ich habe den neuen Vogel-Simulator angeschafft, weil ich denke, dass Fahrlehrer innovativ in die Zukunft gehen sollten. In manchen Ländern kann bereits heute die Prüfung auf dem Simulator abgelegt werden. Außerdem ermöglicht der Simulator Lerninhalte zu üben – z.B. Überholen –, die im Realverkehr nur sehr begrenzt darstellbar sind.

FPX: Wie beurteilen Sie den neuen Simulator und den Anschaffungspreis?

Fiek: Als ich das erste Mal damit fuhr, war ich von der unglaublich realistischen Darstellung begeistert. Speziell auch im Vergleich zu früheren Geräten. Außerdem ist es faszinierend, wie der Schüler sofort eine Rückmeldung bekommt, wenn er im falschen Gang ist oder beim Abbiegen den Schulterblick vergisst. Natürlich kann die Maschine die Grundausbildung nicht ersetzen, aber mit dem Simulator können Automatismen wie Anfahren, Schalten, Anhalten etc. vorbereitet werden, sodass tatsächlich die eine oder andere Fahrstunde eingespart werden kann. Da das Gerät sehr präzise Anweisungen gibt, muss auch nicht ständig ein Fahrlehrer anwesend sein. Zum Preis ist zu sagen, dass das Gerät durchaus rentabel sein kann. Da unsere Schüler begeistert sind und wir für eine 45-minütige Trainingseinheit 25 € berechnen, dürfte sich die Anschaffung auf Sicht amortisieren.