EDITORIAL: Kaninchen und Schlange

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Oktober/2014, Seite 575

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn ein überregionaler Autohändler ins Führerscheingeschäft einsteigt und das Land mit einem Netz von Fahrschulen überzieht, hat dies vor allem einen Zweck: Man will, früher als die Mitbewerber, an den potenziellen Autokäufern dran sein. „Jungfräuliche“ Kundschaft, also in ihrem Kaufverhalten noch nicht festgelegte Menschen, gewinnen zu wollen, ist der legitime Wunsch jedes Händlers. Im speziellen Fall ist dies freilich auch mit dem Risiko verbunden, dass miserable Ausbildung für den Fahrschüler keinen Anreiz bietet, dort auch ein Auto zu kaufen – aber so muss es ja nicht sein.

Wenn – wie während der Sommerferien geschehen – dieser große Autohändler in seinen mittlerweile zahlreichen Betriebsstellen mit einem flächendeckenden Billigangebot weit unter die Gürtellinie schlägt, dann riecht das nach Vernichtungswettbewerb. Das macht die Preise kaputt und löst bei den nicht von großen Automarken gestützten Fahrschulen massive Existenzangst aus. Das Gefühl, der mächtige Händler sitze am längeren Hebel, mag geradezu lähmend wirken.

Doch es hilft nicht, wie das sprichwörtliche Kaninchen nur noch auf die Schlange zu starren und über die Aktionen der Konkurrenz zu klagen. Ebenso geht die Forderung fehl, der Verband oder gar der Gesetzgeber müsse solche Unterpreise verbieten. Nein, in solchen Fällen hilft nur unternehmerische Initiative!

Ist es nur der Preis? I wo! Wenn es so wäre, hätten die vielen Fahrschulen mit ihren sauber kalkulierten Preisen längst alle Pleite gemacht! Deshalb: Worin liegen unsere Stärken? Wie sieht es mit unserer Kundenzuwendung, unserem Service aus? Wissen angehende Fahrschüler, was wir leisten? Waren wir vielleicht werblich zu wenig präsent? Die „Inhaberfahrschule“ hat individuelle Leistungskraft, die von anonymen Gesellschaften oft nicht erreicht wird. Darauf muss man sich besinnen: Gute persönliche Betreuung, Flexibilität, Pünktlichkeit, Ruhe, Geduld, Freundlichkeit und ein guter Ruf sind in unserer modernen Dienstleistungsgesellschaft Pfunde, mit denen gerade auch kleine Betriebe wuchern können! Noch etwas: Schlanke Kostenstrukturen tragen effektiv dazu bei, Durststrecken leichter zu überstehen.

Und nicht zuletzt: Ein deutliches Zeichen der Solidarität wäre es, wenn die Fahrschulen die vom Discounter vertriebenen Automarken aus ihrem Fuhrpark verbannen würden. Aufgabe des Verbandes ist es, genau diese Botschaft an die Herstellerfirmen weiterzutragen.

Mit besten Grüßen

Ihr

Jochen Klima