Wenn Tagesnachweise und Prüflisten fehlen: Schätzung - Sind Aufzeichnungen nach dem Fahrlehrerrecht auch Grundlage für steuerliche Gewinnermittlung?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2014, Seite 428

Bisher schien zu gelten: Die nach Fahrlehrerrecht zu führenden Aufzeichnungen sowie TÜV-Listen gehören nicht zu den steuerrechtlichen Unterlagen, da sie nicht Grundlage des Rechnungswesens sind.

Doch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 01.04.2014 (AZ 5K 1227/13) entschieden, dass das Finanzamt zur Schätzung berechtigt ist, wenn der Fahrschulinhaber Aufzeichnungen wie Tagesnachweise und Prüflisten nicht vorlegen kann. Das Urteil wurde inzwischen rechtskräftig. Es kam nicht zur Revision beim Bundesfinanzhof, weil in diesem Fall wohl keine neuen Erkenntnisse für die Fortbildung des Rechts oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu erwarten waren. 

Nur für bilanzpflichtige Unternehmen?

Das Urteil erging gegen eine Fahrschule, die ihren Gewinn nach dem sogenannten Betriebsvermögensvergleich ermittelt, also bilanziert. Es betraf demnach nicht eine Fahrschule, die eine sogenannte Einnahmenüberschussrechnung erstellt. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Urteil auch auf Fälle anzuwenden ist, in denen der Gewinn nach der Einnahmenüberschussrechnung ermittelt wird. 
Das Finanzgericht verweist insoweit auf § 140 Abgabenordnung (AGO), der wie folgt lautet:

„Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.“

Danach sind Tagesnachweise und TÜV-Listen zu führen und vorzulegen, sofern sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Nach § 147 AGO sind sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, geordnet aufzubewahren. Hierbei gilt nach § 147 Absatz 3 eine 10-jährige Aufbewahrungsfrist.

Bargeschäfte per se dubios? 

Das Finanzgericht führt hierzu aus, dass wegen des relativ großen Umfangs von Bargeschäften der Fahrschule eine Kontrolle der vollständigen Einnahmen nur bei Vorlage und Abgleich der Einnahmeaufzeichnungen mit den Ausbildungsnachweisen, den Tagesnachweisen und den TÜV-Listen möglich sei. Es führt weiter aus, dass auf der Grundlage der vorhandenen Rechnungen nicht nachvollziehbar sei, ob tatsächlich alle Fahrstunden in Rechnung gestellt bzw. in die Gewinnermittlung eingegangen seien.
Hier ist anzumerken: Bei der Einnahmenüberschussrechnung kommt es nicht auf die Rechnungstellung, sondern einzig und allein auf den Geldfluss an. Im Gegensatz zur Bilanzierung wird der Gewinn also nur nach dem Geldfluss berechnet, Forderungen und Bestände nicht abgerechneter Leistungen (Fahrstunden usw.) führen zu keiner Erhöhung des Gewinnes.

Folgerungen aus dem Urteil

Es ist zu vermuten, dass die Finanzämter zukünftig auch bei Fahrschulen mit Einnahmenüberschussrechnung auf die Vorlage von Ausbildungsnachweisen, Tagesnachweisen und TÜV­Listen drängen werden. Im besprochenen Fall hat der Fahrlehrer weder Tagesnachweise noch Ausbildungsnachweise und TÜV-Listen vorgelegt. Damit stellt sich weiter die Frage, ob die Vorlage von Ausbildungsnachweisen und TÜV-Listen allein ausreicht, ob der Tagesnachweis für sich überhaupt geeignet ist, die Betriebseinnahmen zu dokumentieren. Unseres Erachtens können diese Rechtsfragen aktuell nicht abschließend beurteilt werden. Den Fahrschulinhabern ist jedoch zu raten, zukünftig auch Tagesnachweise, Ausbildungsnachweise und TÜV-Listen aufzubewahren. Eventuell gelingt es, in einem Musterprozess Klarheit zu schaffen.

Ansgar Brendel
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer