Telefonieren während der Fahrstunde – Klarheit nach BGH-Beschluss

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Februar/2015, Seite 105

Widersprüchliche Gerichtsurteile zur Benutzung von Mobiltelefonen durch Fahrlehrer während der praktischen Fahrausbildung hatten in der Vergangenheit zu Rechtsunsicherheit geführt. Nun hat ein jüngst bekannt gewordener Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23.09.2014 (Az. 4 StR 92/14) Klarheit gebracht.

Danach verstößt ein Fahrlehrer nicht gegen das Telefonverbot des § 23 Absatz 1a StVO, wenn er während der Fahrstunde ohne Freisprecheinrichtung telefoniert, sofern der fortgeschrittene Ausbildungszustand des Fahrschülers in der konkreten Situation keinen Anlass zum Eingreifen gibt.

Amtsgericht Singen: „Verbotswidriges Telefonieren“

Während seine Fahrschülerin, die bereits sechs Fahrstunden absolviert hatte, nach rechts abbog, telefonierte ein Kollege mit Mobiltelefon am Ohr. Daraufhin verurteilte ihn das Amtsgericht Singen wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons zu einer Geldbuße von 40 Euro. Nach seiner Aussage bestand kein Anlass, der Fahrschülerin in diesem Moment besondere Aufmerksamkeit zu widmen oder damit zu rechnen, in ihr Fahrverhalten eingreifen zu müssen.

Rechtsbeschwerde beim OLG Karlsruhe

Seinem Antrag auf Rechtsbeschwerde gab das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe statt. Weil zu diesem Sachverhalt bereits zwei widersprüchliche obergerichtliche Entscheidungen vorlagen, sah sich der zuständige Senat nicht in der Lage zu entscheiden. Das OLG Düsseldorf hatte geurteilt, ein Fahrer, der nicht ins konkrete Geschehen eingreifen müsse, sei nicht Führer des Kraftfahrzeugs im Sinne von § 23 Absatz 1a Satz 1 StVO. Die Richter des OLG Bamberg vertraten hingegen den Standpunkt, weil ein Fahrlehrer ständig beobachten und jederzeit eingreifen können müsse, führe er das Kraftfahrzeug auch im Sinne des Telefonverbots.

Weiterleitung an den BGH

Das OLG legte deshalb dem BGH folgende Frage zur Entscheidung vor: „Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer neben einem Fahrschüler sitzt, dessen fortgeschrittener Ausbildungszustand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt, Führer des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 23 Absatz 1a Satz 1 StVO?“

Wer ist Führer des Fahrzeugs?

Der zuständige Senat des BGH beschäftigte sich sehr ausführlich mit der Frage, ob die Rechtsfiktion des § 2 Absatz 15 Satz 2 StVG („... gilt im Sinne dieses Gesetzes der Fahrlehrer als Führer des Kraftfahrzeugs ...“) auf das Telefonverbot durchgreife. Hierzu wurden sowohl die Entstehungsgeschichte der Rechtsfiktion wie auch BGH-Entscheidungen aus der Vergangenheit herangezogen. Der Senat kam dabei zu der Erkenntnis: Wer zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht aktiv in die Führung eines Fahrzeugs durch Betätigung der dafür wesentlichen Bedienungseinrichtungen eingreift, führt es nicht.

Fahrlehrer gilt nach dem StVG als Führer, obwohl er oft nicht führt

Das bedeutet, dass der Fahrlehrer, solange er nicht vom Beifahrersitz aus in die Lenk-, Brems- oder Antriebsvorgänge eingreift, das Fahrzeug nicht führt. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass ein Fahrschulfahrzeug mit Doppelpedalen ausgerüstet ist und der Fahrlehrer im Notfall jederzeit eingreifen können muss. Auch der beherrschende Einfluss auf die Fahrt durch sein Weisungsrecht gegenüber dem Fahrschüler lässt ihn nach Meinung der Richter nicht zum Fahrzeugführer werden. Die Richter kamen zur Erkenntnis, die Rechtsfiktion des § 2 Absatz 15 StVG diene im Wesentlichen dazu, Fahrschülern ohne gültige Fahrerlaubnis das Führen von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen zu erlauben. Damit werde zwar die Rechtsgrundlage für die Ausbildung von Fahrschülern im öffentlichen Verkehr geschaffen, aber daraus lasse sich kein Bezug zum Telefonverbot herleiten.

Da der Fahrlehrer das Fahrzeug nicht führt, darf er telefonieren

Hätte der Verordnungsgeber auch Fahrlehrer, die auf dem Beifahrersitz einen Fahrschüler begleiten, unter das Telefonverbot der StVO stellen wollen – so die Richter –, hätte er dies in § 23 StVO ausdrücklich klarstellen müssen. Da der Verordnungsgeber das unterlassen hat, war die an das OLG Karlsruhe gerichtete Frage mit einem eindeutigen „Nein“ zu beantworten. Das führte dazu, dass die Verurteilung des Kollegen aufzuheben war.

Jochen Klima

Kommentar zum Telefon-Beschluss des BGH von Jochen Klima ...