Fahrlehrerversicherung: Wann droht die Kündigung?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Juli/2015, Seite 402

Sinn und Zweck von Versicherungsunternehmen ist es, für Schäden im Umfang der versicherten Risiken aufzukommen. Keine Versicherungsgesellschaft kann jedoch auf Dauer mehr Geld ausgeben, als sie durch Prämien einnimmt. Deshalb müssen Kunden mit schlechtem Schadenverlauf mit einer Kündigung rechnen. Die FahrSchulPraxis hat bei Ass. jur. Andreas Anft, Vorstandsvorsitzender der Fahrlehrerversicherung VaG, nachgefragt, wie unser berufsständischer Versicherungsverein bei ungewöhnlichem Schadenverlauf vorgeht.

FPX: Herr Anft, gelegentlich wird behauptet, bereits nach einem einzigen Großschaden fliege man aus der Fahrlehrerversicherung. Stimmt das?

Anft: Da ist absolut nichts dran! Wegen eines einzelnen Schadens, selbst wenn dieser viele Millionen kosten sollte, bekommt kein Versicherungsnehmer eine Kündigung. Es ist ja ureigener Sinn und Zweck der Versichertengemeinschaft, die Summe aller Schäden gemeinsam zu tragen. Fakt ist allerdings, dass wir uns Kunden, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums – in der Regel sind das zehn Jahre – zahlreiche Schäden verursachen, näher anschauen müssen. Dies liegt im Interesse der Versichertengemeinschaft, die mit ihren Beiträgen für die Schäden aller Versicherten aufkommen muss. Die Schäden aller Versicherten sind der wesentliche Faktor für die Kalkulation der Beiträge. Das gilt nicht nur für die Kraftfahrtversicherung, sondern auch für alle anderen Sparten, also beispielsweise Hausrat-, Privathaftpflicht- und Unfallversicherungen.

FPX: Maßgeblich ist also die Schadenhäufigkeit, nicht etwa die Höhe eines einzelnen Schadens. Doch was kann ein Kunde dafür, wenn er beispielsweise kurz hintereinander mehrere Hagelschäden melden muss?

Anft: Elementarschäden, also Hagel oder Überschwemmungen, sind Ereignisse, die letztlich nichts mit dem Verhalten des Kunden zu tun haben und von niemandem beeinflussbar sind. Deshalb spielt deren Häufigkeit keine Rolle und führt auch im Wiederholungsfall nicht zur Kündigung.

FPX: Problematisch ist also, wenn ein Versicherungsnehmer zum Beispiel immer wieder Haftpflicht- oder Kaskoschäden aufgrund von Unfällen meldet?

Anft: Richtig! In diesem Fall sind die Schadenhäufigkeit und die Schadenquote das entscheidende Beurteilungskriterium. Unter Schadenquote versteht man das Verhältnis zwischen eingenommenen Prämien und Aufwendungen für Schäden. Problematisch wird es immer dann, wenn diese sich dauerhaft um die Marke von 100 Prozent bewegt.

FPX: Zum Beispiel?

Anft: Eine Fahrschule hat in den letzten zehn Jahren für alle Fahrzeuge ihres Fuhrparks 80.000 € Beiträge bezahlt. Die Gesamtkosten für alle gemeldeten Schäden schlagen mit 40.000 € zu Buche. In diesem Fall beträgt die Schadenquote 50 Prozent und ist unproblematisch. Haben wir aber im selben Zeitraum 80.000 € oder mehr aufwenden müssen, dann erhalten wir durch unser System einen Hinweis zur Überprüfung.

FPX: Führt dieser Hinweis dann zu einer Kündigung?

Anft: Bei den meisten Versicherern ja, denn nicht nur der Versicherungsnehmer, auch die Gesellschaften haben im Schadenfall immer ein Sonderkündigungsrecht. Das bedeutet, dass der nächste gemeldete Schaden zumindest die sofortige Kündigung des betroffenen Vertrages nach sich zieht. Weitere Verträge können dann zum Ablauf (Hauptfälligkeit der Beitragszahlung) gekündigt werden.

FPX: Und bei der Fahrlehrerversicherung?

Anft: Bei uns geht das nicht so schnell! Wir sind ein berufsständischer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und versuchen unseren „Sorgenkindern" behilflich zu sein. Unsere erste Maßnahme ist deshalb ein intern sogenannter „Warnbrief". Das bedeutet, wir schreiben den Kunden an, schicken ihm eine Art „Kontoauszug", aus dem er seine bezahlten Beiträge, die gemeldeten Schäden, unsere Zahlungen und die daraus errechnete Schadenquote entnehmen kann. Außerdem weisen wir auf die drohende Kündigung hin, sofern sich die Quote nicht verbessert. In den meisten Fällen reicht diese Maßnahme völlig aus, da der Kunde Gelegenheit hat, die Ursachen für die Häufigkeit der Schäden zu prüfen und zu beseitigen. Auch kann unser Kunde überlegen, ob er beispielsweise kleinere Teil- und Vollkaskoschäden künftig nicht besser aus eigener Tasche bezahlt.

FPX: Und wenn sich nichts ändert?

Anft: Auch dann, vor allem wenn es sich um langjährige Kunden handelt oder wenn der Kunde von sich aus mit uns Kontakt aufnimmt und unseren Rat sucht, können wir noch versuchen zu helfen. Eine Option wäre, den zuständigen Direktionsbeauftragten zu bitten, ein Gespräch zu führen. Anstelle der sofortigen Kündigung ist es manchmal auch möglich, zum Beispiel durch einen höheren Beitrag oder eine höhere Selbstbeteiligung bei Kaskoversicherungen den betreffenden Vertrag anzupassen und die Verträge so weiterzuführen.

FPX: Und wenn auch das alles nichts nützt?

Anft: Irgendwann muss im Interesse der Versichertengemeinschaft gehandelt werden. Dann kommt es tatsächlich zur Kündigung aller Verträge der jeweiligen Sparte. Werden also alle Fahrzeugverträge aufgelöst, kann der Kunde trotzdem mit allen anderen Versicherungen bei uns bleiben.

FPX: Herr Anft, herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jochen Klima