Kolumne: Traumberuf Fahrlehrer?

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Oktober/2015, Seite 567

Mehr als 30 Jahre lang hat die Bundeswehr weit über ihren Bedarf hinaus Fahrlehrer ausgebildet. Einerseits machte dieser ungezügelte Markteingriff des Staates den zivilen Fahrschulen schwer zu schaffen, denn viele dieser Kollegen drängten nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst, manche auch schon vorher, in die freie Wirtschaft. Andererseits war in den letzten drei Dekaden des letzten Jahrhunderts nie Mangel an gut ausgebildeten Fahrlehrern. Die Umkehr kam zur Jahrtausendwende: Truppenreduzierung und allgemeine Sparzwänge führten zu einer drastischen Minderung der Fahrlehrerausbildung, die nun auf den tatsächlichen Bedarf der Bundeswehr beschränkt ist. Und das ist auch gut so.

Wenn es heute an guten Fahrlehrern/innen mangelt – der Jammer darüber ist teilweise schrill –, dann hat das mehrere Gründe:

  • Das „Polster“ aus ehemaligen Fahrlehrern der Bundeswehr und der Volksarmee erschien lange Zeit unerschöpflich.
  • Viele Fahrschulinhaber waren über den nachlassenden Zustrom von ehemaligen Militärfahrlehrern erleichtert, denn in jedem neu hinzukommenden sah man auch eine potenzielle Konkurrenz. Diese Einstellung übertrug sich auf die Verbände und ist dort, jedenfalls teilweise, noch immer gängige Denkart.
  • 20 Jahre lang geschah fast nichts, um den Beruf für gut gebildete junge Frauen und Männer zukunftsfähig und damit attraktiv zu machen.

Nun soll ja die große Reform kommen. Die Leitlinie dafür ist durch den Koalitionsvertrag vorgegeben: „Die Ausbildung der Fahranfänger wollen wir verbessern und die Qualität der pädagogischen Ausbildung der Fahrlehrer erhöhen.“

Es geht also um eine Bildungsreform, nicht um merkantil geprägte Veränderungen der Gewerbestruktur. Das ist, um Irrtümer erst gar nicht aufkommen zu lassen, deutlich zu unterstreichen.

Vorschläge zur „Verbesserung“ des Fahrlehrerrechts wurden seitens mehrerer Interessengruppen unterbreitet. Ob diese noch immer stark divergieren oder ob man sich in wesentlichen Punkten einig geworden ist, weiß ich nicht. Jedenfalls hat mich auch im Ansatz keiner der Vorschläge wirklich überzeugt. Sie widerspiegeln ausnahmslos die von überholten Mustern geprägte Denkweise des Establishments. Und weil nur ans Jetzt gedacht ist, bleiben die jungen Menschen, die es für den Beruf zu gewinnen gilt, darin völlig außen vor.


Das autonome Fahrschulauto?
(Foto: Daimler AG)

In 20 Jahren wird der Eroberungsfeldzug des autonomen Autos längst begonnen haben. Entsprechend werden sich die Aufgaben des Berufs, ja Herausforderungen, in der kommenden Dekade verändern. Deshalb brauchen künftige Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer (oder wie immer ihre Berufsbezeichnung dann lauten wird) eine weit intensivere und tiefer greifende pädagogische und fachliche (auch digitale!) Ausbildung als bisher. Der aus den 80ern und 90ern stammende Kanon ist bei Weitem nicht mehr up to date. Die Ausbildung muss grundlegend erneuert werden und das gesamte Spektrum der straßengebundenen Mobilität umfassen. Sie muss vor allem auch zu einem anerkannten pädagogischen Abschluss führen, der über die Disziplin „Fahrausbildung“ hinausreicht: Der Mobilitätslehrer muss Wirklichkeit werden. Der neue Typus „Fahrlehrer/in“ muss das Rüstzeug besitzen, sich kompetent in das Zeitalter der optionalen Mobilität und des teilautonomen/autonomen Fahrens hineinzufinden.

Vollmundige Werbung für den Traumberuf Fahrlehrer, wie man sie jetzt da und dort sieht, bleibt ein hohles Versprechen, wenn es mit der Reform nicht gelingt, den Erwartungen und Wünschen der ernsthaft am Beruf interessierten jungen Menschen zu begegnen. Inhaltsreiche, nachhaltig wirkende Ausbildung braucht Zeit, ganz ohne Frage. Trotzdem wäre weiteres Feilschen um den einen oder anderen zusätzlichen Monat abträglich. Nicht auf die schiere Dauer der Ausbildung, sondern auf die Inhalte und den Abschluss kommt es an. Nur wenn in diesen Punkten Gescheites gelingt, hat der Slogan vom Traumberuf eine Chance, Glauben zu finden.

Gebhard L. Heiler