Kolumne: Wir schulen auch elektrisch (von Gebhard L. Heiler)

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Mai/2015, Seite 324

Das könnte der Slogan sein, mit dem Fahrschulen künftig ein heute noch seltenes Angebot annoncieren: Ohne Umweg zur Elektromobilität! Schon als Fahrschüler lernen und erleben, wie rein elektrisch angetriebene Autos ticken, wie sie beschleunigen, wie man sicher damit fährt. Das ist seit kurzem kein Wunschbild mehr, sondern bei fünf Fahrschulen im Großraum Stuttgart Realität.

„Zukunft lernen: Daimler bringt Elektromobilität in die Fahrschulen!“ Unter diesem Motto luden am 10. April die Daimler AG und die Academy Holding AG zur Auftaktveranstaltung eines gemeinsamen Pilotprojekts in die Mercedes-Niederlassung Stuttgart ein. Die beiden Unternehmen zeigen damit, dass enge unzeitgemäße Vorschriften wie das „Automatikverbot“ des § 17 Absatz 6 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) kein Hindernis für progressives privatwirtschaftliches Handeln sein können. Worum geht es? Die alternativen Antriebe zu fördern, ist hierzulande erklärtes gesellschaftliches Ziel. Je mehr junge Menschen wir dafür begeistern können, desto eher gelingt der Durchbruch. Es ist deshalb richtig, schon die Fahrschüler an diese Autos heranzuführen.

Fünf sorgsam ausgesuchte Fahrschulen nehmen es für die nächsten 10 Monate auf sich, die ihnen von Daimler mietweise zur Verfügung gestellten E-Autos (je ein smart und eine B-Klasse) in ihren Fahrschulalltag einzupassen. Sie sollen Fahrschüler dafür gewinnen, kupplungsfrei auf den E-Fahrzeugen zu beginnen und einen Großteil der Ausbildung darauf zu absolvieren. Sobald im realen Verkehr eine gewisse Reife erreicht ist, soll der Wechsel auf einen „Verbrenner“ mit Kupplung und herkömmlicher Schaltung erfolgen, auf dem auch die Prüfung gefahren wird. Dass dabei auch an eine Anpassung der Curricula gedacht wurde und der praktischen E-Ausbildung eine theoretische Doppelstunde mit entsprechend unterschiedlichen Inhalten zu Technik und Verhalten vorausgeht, zeigt, wie umsichtig hier geplant wurde.

 


Daimler bringt Elektromobilität in die Fahrschulen:
Mercedes B-Klasse Electric Drive und smart fortwo electric drive (Foto: Daimler Presse)

Im Anfangsstadium der Fahrausbildung verlangt die Bedienung konventionell geschalteter Autos den Fahrschülern eine komplizierte Mehrfachtätigkeit ab. Deshalb kommen während vieler Fahrstunden Verkehrsbeobachtung und Verkehrsverhalten zu kurz. In der Bundesrepublik erfolgte von 1967 bis April 1986 nach Prüfung auf einem Automatikfahrzeug kein beschränkender Eintrag im Führerschein, sofern der Bewerber durch Bescheinigung einer Fahrschule nachwies, während mindestens sechs Fahrstunden auf Schaltwagen geübt zu haben. In etwas mehr als 18 Jahren wurden keine Erkenntnisse über besondere Unfallauffälligkeit der auf Automatik geprüften Fahranfänger bekannt. Damals wurde ich zum begeisterten Befürworter, ja Fan der Ausbildung auf Automatikfahrzeugen. Als solcher und als Verbandsveteran freue ich mich über das Pilotprojekt gleich drei Mal: erstens, weil unsere Leute dabei sind und begeistert mitmachen; zweitens, weil wieder einmal ein zukunftsweisender Impuls für die Verkehrssicherheit aus Baden-Württemberg kommt; drittens und nicht zuletzt, weil der große Daimler die Fahrnovizen entdeckt hat und dabei auf die Expertise der Fahrschulen setzt. Apropos privat-wirtschaftlich: Beide, Daimler und die Academy Holding AG, nehmen für dieses Pilotprojekt richtig Geld in die Hand.

Fast gleichzeitig beginnt ein Modellversuch der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. (DFA), der ein ähnliches, aber nicht dasselbe Ziel anpeilt. Das Design der DFA geht ein Stück weiter und bezieht alle kupplungsfreien Pkw, also rein elektrisch, hybrid und mit Verbrennungsmotor angetriebene, ein. Dabei soll vor allem erforscht werden, wie viele Fahrstunden Durchschnittsfahrschüler nach einer weitgehend auf einem Automatikauto durchlaufenen Ausbildung in etwa auf Schaltwagen benötigen, um auch solche sicher führen zu können. Auf dieses Projekt freue ich mich seit Langem.

Auf die Ergebnisse bin ich sehr gespannt. Und mit mir sicher viele Kolleginnen und Kollegen, die über die Zukunft unseres Berufes nachdenken.