Automatik-Projekt der DFA: Tilgung des Automatikeintrags

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Dezember/2016, Seite 664
Bild: Volkswagen (Golf E)

Bild: Volkswagen (Golf E)6 Stunden reichen nicht

Die stetig ansteigenden Zulassungszahlen von Fahrzeugen ohne Kupplung und manuelle Gangschaltung, namentlich auch von Elektrofahrzeugen, hat die Diskussion über die Forderung nach Aufhebung der seit 1986 geltenden Automatikbeschränkung für Klasse B beschleunigt. Zu dieser Thematik hat die Deutsche Fahrlehrer-Akademie (DFA) einen interessanten Versuch durchgeführt.

Bis 1986 bot das deutsche Fahrerlaubnisrecht für den Erwerb des Pkw-Führerscheins (Kl. 3) die Option, nach Ablegung der praktischen Prüfung auf einem Fahrzeug mit automatischem Getriebe eine unbeschränkte Fahrerlaubnis zu erhalten. Voraussetzung dafür war der Nachweis, während der Fahrausbildung mindestens 6 Stunden auf einem Schaltwagen geübt zu haben.

Erst Kuppeln und Schalten

Die „Schaltstunden“ wurden meistens an den Anfang der Ausbildung gelegt. Die weitere Ausbildung samt den besonderen Ausbildungsfahrten sowie die praktische Prüfung wurden auf Automatik gefahren. Dabei spielte es in der Regel keine Rolle, ob der Bewerber Kupplung und Schaltung auch tatsächlich beherrschte. Diese Regelung wurde 1986 aus der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) gestrichen. Seitdem gilt: Wer die praktische Prüfung auf einem Fahrzeug ohne Schaltgetriebe mit Kupplungspedal abgelegt hat, erhält eine auf solche Fahrzeuge beschränkte Fahrerlaubnis.

Ab 1999 Schlüsselzahl 78

Zum 1. Januar 1999 wurde in Deutschland mit Umsetzung der zweiten EU-Führerscheinrichtlinie das europäische Fahrerlaubnisrecht eingeführt. Für das Führen eines Pkw musste nun die Klasse B und nicht mehr die frühere Klasse 3 erworben werden. Die Automatikregelung blieb bestehen. Die Fahrerlaubnis-Verordnung verlangt seitdem, statt des bis dahin vorgeschriebenen Automatikeintrags die Schlüsselzahl 78 im Führerschein einzutragen.

Wegfall der Automatikregelung für C- und D-Klassen

Ein erster Schritt zur Abschaffung der Automatikbeschränkung erfolgte am 19. Januar 2013. Fahrerlaubnisse für Lkw und Busse (C- und D-Klassen) werden seither, trotz Prüfung auf einem Automatikfahrzeug, nicht mehr beschränkt, sofern die praktische Prüfung für den Erwerb der Klasse B auf einem Schaltwagen abgelegt wurde.

Zuwächse bei Automatik- und bei Elektrofahrzeugen

Automatikfahrzeuge waren lange Zeit in weiten Teilen der Bevölkerung als „langweilige Spritfresser“ verschrien. Dieses Vorurteil ist letzthin immer seltener zu hören. Steigende Zulassungszahlen moderner, Fahrspaß versprechender Pkw mit Direktschaltgetriebe (DSG) und die allmähliche Zunahme von Elektrofahrzeugen tragen zu deutlich steigender Akzeptanz von bedienungsleichten Pkw ohne Kupplung bei. Durch Nutzung von Fahrzeugen mit modernen alternativen Antrieben in den Fahrschulen, vor allem auch von Elektro-Pkw, könnte deren aus Umweltgründen sinnvolle und deshalb auch politisch gewollte Verbreitung beschleunigt werden. Da allerdings Fahranfänger und deren Eltern oft noch Schalt-Pkw fahren, ist die Automatikbeschränkung für Fahrschulen ein starkes wirtschaftliches Hemmnis, sich solche Lehrfahrzeuge zuzulegen.

Das Automatikprojekt der DFA

Aufgrund der Einbindung in das europäische Recht kann die Automatikbeschränkung nicht durch einen deutschen Alleingang abgeschafft werden, sondern muss in der EU durchgesetzt werden. Um dafür Argumente zu sammeln, hat die DFA ein wissenschaftlich begleitetes Projekt durchgeführt. Ziel war, kurz gesagt, herauszufinden, ob die anfangs erwähnten 6 Fahrstunden auch bei heutigen Fahranfängern ausreichen könnten, um trotz Prüfung auf einem Automatikfahrzeug die Schlüsselzahl 78 zu vermeiden.

6 Fahrstunden sind zu wenig

Dabei zeigte sich, dass deutlich mehr – nämlich im Durchschnitt etwa 10 bis 14 – Fahrstunden erforderlich sind, um Bewerber, die bis kurz vor der Prüfungsreife auf Automatikfahrzeugen ausgebildet worden waren, anschließend für eine herkömmliche Prüfung mit einem Schalt-Pkw fit zu machen. Über die Ursachen darf trefflich spekuliert werden. Liegt es daran, dass heute die Jugendlichen weniger Interesse am Autofahren haben? Oder gilt auch hier die alte pädagogische Erkenntnis, dass Umlernen deutlich schwieriger ist, als unbelastet von Altem etwas Neues zu lernen?

Höhere Akzeptanz der Automatik

Eine für mich sehr interessante Erkenntnis verdient dabei Aufmerksamkeit: Bei den Bewerbern der Versuchsgruppe, die ab der ersten Fahrstunde auf Automatikfahrzeugen ausgebildet worden waren, wich die anfängliche und manchmal wohl auch von den Eltern geprägte Skepsis gegenüber Automatikfahrzeugen. Im Gegenteil, es kam zunehmend Begeisterung für die einfachere Bedienungstechnik auf. Bei einigen war die Begeisterung so groß, dass sie freiwillig die Prüfung auf Automatik ablegten und den Eintrag der Schlüsselzahl 78 akzeptierten. Dieser Effekt lässt sich m. E. unter anderem mit der hohen Affinität heutiger junger Menschen für die Automatisierung in vielen anderen Lebensbereichen begründen.

Assistenz vom Simulator?

Für mich stellt sich abschließend die Frage, ob es in Zukunft nicht dazu kommen wird, die Ausbildung und die Prüfung komplett auf modernen Automatik- oder Elektrofahrzeugen durchzuführen. Und die parallel freilich noch längere Zeit erforderliche Ausbildung auf Schaltfahrzeugen – soweit es nur um die reine Handhabung von Kupplung und Schaltung geht – zumindest teilweise auf die immer leistungsfähigeren Simulatoren zu verlagern. Dabei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass im Realverkehr für das Üben bestimmter Fahrmanöver – ich denke dabei an Überholvorgänge auf der Landstraße oder Fahrten bei Nebel, Schnee und Eis – nicht überall und jederzeit ausreichend Gelegenheit ist. Auch hierbei kann die Assistenz hochwertiger Simulatoren nützen.

Jochen Klima