Beharrliche Pflichtverletzung: Auch nach „kleinen” Sünden Fahrverbot

© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Februar/2016, Seite 92

Wird man am Steuer mit Handy am Ohr erwischt, fallen 60 € Bußgeld und ein Punkt in Flensburg an. Häufen sich solche und ähnliche weniger schwerwiegende Verstöße, kann das ein Fahrverbot nach sich ziehen (Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 17.09.2015 – Az. 1 RBs 138/15).

Damit bestätigt das OLG Hamm die Rechtsauffassung der Vorinstanz und legt dar, unter welchen Voraussetzungen ein Fahrverbot auch bei mehreren einfachen Verkehrsverstößen angeordnet werden kann.

Vielzahl einfacher Rechtsverstöße kann Fahrverbot rechtfertigen

Die Bußgeldkatalog-Verordnung enthält ein starres, fast mathematisches Sanktionssystem. Verbotswidrige Geschwindigkeitsüberschreitungen führen zu bestimmten Geldbußen, zu einer bestimmten Anzahl von Punkten und gegebenenfalls einem Fahrverbot. Anders jedoch bei sogenannten beharrlichen Pflichtverletzungen i.S.v. § 25 Absatz 1 StVG. Eine beharrliche Pflichtverletzung liegt vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer durch wiederholte Missachtung von Rechtsvorschriften erkennen lässt, dass es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt. Dabei ist die Zahl der Vorverstöße, deren zeitlicher Abstand und Schweregrad maßgebend. Mangelnde Rechtstreue kommt nach Darlegung des Gerichts auch bei einer Vielzahl kleinerer Rechtsverstöße in Betracht, wenn ein innerer Zusammenhang im Sinne einer Unrechtskontinuität zwischen den Zuwiderhandlungen besteht.

Der Fall

Der heute 29 Jahre alte Betroffene benutzte bei einer Fahrt mit seinem Pkw VW Sharan im September 2014 verbotswidrig sein Handy. Für diesen Verstoß erkannte das Amtsgericht Hamm auf eine Geldbuße von 100 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot. Bereits im Januar 2012 und im März 2014 hatte der Betroffene sogenannte „Handyverstöße“ begangen, die mit Bußgeld geahndet worden waren. In der Zeit zwischen diesen beiden Verstößen überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts in zwei Fällen jeweils um mehr als 20 km/h. Die beiden Geschwindigkeitsverstöße waren mit Bußgeldbescheiden vom 29.05.2013 bzw. 09.01.2014 geahndet worden.

OLG bestätigt Fahrverbot

Das OLG Hamm hat die Rechtsbeschwerde des Autofahrers gegen die erstinstanzliche Verurteilung durch das Amtsgericht als unbegründet verworfen. Gegen den Betroffenen sei – so das Gericht – zu Recht neben der Geldbuße auch ein Fahrverbot verhängt worden. Der Betroffene habe seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer beharrlich verletzt.

Fünf Ahndungen in drei Jahren

In Anbetracht der im angefochtenen Urteil aufgeführten Vorverstöße hielt das Gericht eine beharrliche Pflichtverletzung für gegeben. Denn zwischen den beiden einschlägigen Vorverstößen hatte der Betroffene zwei nicht unerhebliche Geschwindigkeitsverstöße begangen.

Der Betroffene hat damit insgesamt fünf Verkehrsverstöße innerhalb eines Zeitraumes von deutlich weniger als drei Jahren begangen. Die Verkehrsverstöße weisen zusätzlich jeweils Verhaltensweisen mit einem gewissen Gefährdungspotential für Dritte auf, was sich aus der Einordnung als „verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeit“ ergibt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. s StVG i.V.m. Tabelle 1 Nr. 11.3.4 BKatV und Nr. 246.1 BKatV). Das lässt insgesamt auf Unrechtskontinuität zwischen den Verkehrsverstößen schließen und die Bewertung zu, es fehle dem Betroffenen an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht. Das hat nach Überzeugung des Gerichts dazu geführt, dass in letzter Konsequenz auch ein vom Gesetzgeber eigentlich als „weniger schwerwiegend“ eingestuftes Delikt zum Fahrverbot geführt hat.

Anmerkung

Der Vorwurf „beharrliche Pflichtverletzung“ darf, das zeigt dieser Fall, nicht leicht genommen werden. Sofern eine Bußgeldbehörde darauf beruhend ein Fahrverbot verhängt, ist anwaltlicher Rat empfehlenswert.

Ralf Nicolai